04.05.2020 Ausgabe: 2/20

Aktuelle Urteile: Was passiert mit Rechten und Pflichten eines Vermieters nach einem Eigentümerwechsel, und was gilt für Räumungen bei Mieterinsolvenz? Zwei Gerichtsentscheide sorgen für Klarheit

Abstandszahlung für vorzeitige Vertragsauflösung und Veräusserung des Grundstücks – Übergang nach § 566 BGB? (OLG Jena, Urteil vom 30.8.2019, Az. 4 U 858/18)

DAS THEMA
Bei einer Veräußerung des Grundstücks geht nach § 566 BGB „der Mietvertrag“ spätestens mit Eintragung des Erwerbers im Grundbuch auf den Erwerber über und dieser wird nun der Vermieter. Der BGH hat in den letzten Jahren mehrfach aufgezeigt, dass dies nicht für alle in der Vertragsurkunde niedergelegten Rechte und Pflichten gilt, sondern lediglich für solche, die als mietrechtlich zu qualifizieren sind oder in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stehen. Der BGH hatte dies zuletzt für ein Vorkaufsrecht verneint (BGH Urteil vom 12.10.2016 – XII ZR 9/15). Im vorliegenden Fall stand die Frage im Raum, ob eine Abstandszahlung, die der Erstvermieter und Verkäufer mit seinem Mieter für eine vorzeitige Vertragsaufhebung vereinbart hatte, nun nach § 566 BGB übergeht oder nicht.

DER FALL
Der Vermieter wollte das Grundstück verkaufen und hatte deshalb seinem Mieter in einem Nachtrag zum Mietvertrag eine Abstandszahlung von 80.000 Euro versprochen, wenn dieser den Mietvertrag vorzeitig beendet und räumt. Der Mieter räumte pünktlich und verlangte die Abstandszahlung von seinem ehemaligen Vermieter. Inzwischen war das Grundstück aber verkauft und der neue Erwerber bereits als Eigentümer eingetragen worden, sodass der Erwerber auch schon Vermieter wurde. Der ehemalige Vermieter weigerte sich daher, die Abstandszahlung zu leisten und meinte, dass der Mieter sich an den Erwerber und aktuellen Vermieter halten müsse. Sowohl das LG Meiningen als auch das OLG Jena haben der Klage des Mieters gegen seinen ehemaligen Vermieter stattgegeben und entschieden, dass die Pflicht zur Leistung der vereinbarten Abstandszahlung gerade nicht auf den Erwerber und aktuellen Vermieter übergegangen ist. Beide Gerichte haben sich dabei auf die aktuelle BGH-Rechtsprechung zur Frage des engen Zusammenhangs mit dem Mietverhältnis berufen. Das OLG Jena stellt ausdrücklich klar, dass der Erwerber nicht automatisch an alle Rechte und Pflichten gebunden ist, auch wenn diese als zusätzliche Vereinbarungen im schriftlichen Mietvertrag, bzw. hier in einem Nachtrag, niedergelegt sind. Es beruft sich darauf, dass § 566 BGB als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist. Ein nur wirtschaftlicher Zusammenhang genügt nicht, ebenso wenig ein rechtlich untrennbarer Zusammenhang, der hier durch die Vereinbarung in einem Nachtrag zum Mietvertrag hergestellt wurde. Gegen den Zusammenhang der Vereinbarung mit dem Mietverhältnis spricht gerade, dass die Abstandszahlung die (vorzeitige) Beendigung des Mietverhältnisses bezweckte, nicht dessen Fortsetzung. Ebenso hatte der BGH in seiner Entscheidung betreffend das Vorkaufsrecht argumentiert, dessen Ausübung das Mietverhältnis beendet und damit gerade nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Erwerber betrifft. Auch kommt es nicht darauf an, ob der Nachtrag weitere Rechte und Pflichten begründet hat, die tatsächlich in engem Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stehen und deshalb vom Erwerber übernommen werden müssten. Vielmehr ist jeder Anspruch einzeln zu prüfen. Für die Frage, wer gegenüber dem Mieter die Abstandszahlung schuldet, ob der Verkäufer oder der Erwerber, spielt es auch keine Rolle, was Verkäufer und Erwerber bezüglich dieser Zahlung im Kaufvertrag geregelt haben. Dies stellt nur einen internen Ausgleich zwischen den Parteien des Kaufvertrags dar, der Schuldner des Mieters bleibt jedoch der Verkäufer. Der ehemalige Mieter hatte daher zu Recht den ehemaligen Vermieter und Verkäufer auf die Zahlung der Abstandsumme in Anspruch genommen.

VERWALTERSTRATEGIE
Bei Verkauf eines vermieteten Objekts ist mehr und mehr darauf zu achten, welche Pflichten automatisch auf den Erwerber übergehen, und welche trotz der Regelung in § 566 BGB beim Verkäufer und ehemaligen Vermieter bleiben. Für solche Pflichten sollte im Kaufvertrag eine Freistellung vereinbart werden. Aus Mietersicht steigt das Insolvenzrisiko des ehemaligen Vermieters, da dieser nicht mehr Grundstückseigentümer ist. Hier sollten bei Geltendmachung eines Anspruchs rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.

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Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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