10.12.2019 Ausgabe: 7/19

Aktuelle Urteile - Welche Regelungen gelten für die Kostenteilung unter Eigentümern? Und müssen Verwalter Beschlüsse wirklich immer umsetzen? So entschied der BGH.

AUSLEGUNG VON KOSTENVERTEILUNGSREGELUNGEN IN DER GEMEINSCHAFTSORDNUNG (BGH, Urteil vom 22.3.2019, Az. V ZR 145/18)

DAS THEMA
Welche Partei – sei es der Sondereigentümer selbst oder die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft – welche Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten an welchem Teilbereich des Wohnungseigentums zu tragen hat, ist gesetzlich geregelt, kann aber auch abweichend und kleinteilig in der Gemeinschaftsordnung (GO) geregelt werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht. Die Gemeinschaftsordnung traf Regelungen über die Instandhaltung und Instandsetzung von Schäden in der Tiefgarage sowie zur entsprechenden Kostentragung. Nach erfolgter Instandsetzung und Kostenverteilung divergierten jedoch die Auslegungen der Klägerin und des Verwalters. Nun hatte der BGH zu entscheiden.

DER FALL
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zur Anlage der Gemeinschaft gehört eine Tiefgarage, die sich aus mehreren Kfz-Einzelstellplätzen, Doppel- und Vierfachparkern zusammensetzt. Mit dem Miteigentum der Klägerin ist das Sondernutzungsrecht an zwei oben auf einem Vierfachparker gelegenen Kfz-Stellplätzen verbunden. Die GO enthält u. a. folgende Regelungen:

㤠7 Instandhaltungspflichten
(2) [...] (2)Die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten sind verpflichtet, die dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten bzw. Flächen auf eigene Kosten zu unterhalten und instandzuhalten.

§ 13 Zahlungsverpflichtung des Wohnungseigentümers
(2) Die Bewirtschaftungskosten bestehen aus: […]
2. (1)Die auf die Sondereigentümer entfallenden Anteile an den vorbezeichneten Kosten werden nach den Verhältniswerten der Miteigentumsanteile ermittelt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. […]
(4)Die Kosten der Unterhaltung der einzelnen Doppel- bzw. Vierfachparker in der Tiefgarage werden von den jeweiligen Eigentümern eines Doppel- bzw. Vierfachparkers getragen.“

2016 wurden in der Tiefgarage verschiedene Arbeiten ausgeführt, u. a. auch an dem Vierfachparker, auf dem sich die Stellplätze der Klägerin befinden. Der Verwalter verteilte die dadurch entstandenen Kosten in der Jahresabrechnung 2016 jeweils zu einem Viertel auf die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten der vier Stellplätze und somit zur Hälfte auf die Klägerin. In der Eigentümerversammlung vom 10. Mai 2017 genehmigten die Eigentümer die Jahresabrechnung. Hiergegen erhob die Klägerin Beschlussanfechtungsklage.

Das Amtsgericht erklärte den Beschluss über die Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2016 insoweit für unwirksam, als sie den Punkt „Reparatur Hebebühnen verteilt nach DP + VP“ betrifft. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil wies das Landgericht zurück. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragte, wollten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Die Revision hatte Erfolg. Der BGH begründet seine Entscheidung wie folgt:
Nach Ansicht des BGH ist der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Jahr 2016 hinsichtlich der Umlage der Kosten für die Reparatur der Hebebühnen der Doppel- und Vierfachparker nicht zu beanstanden. Die Umlage dieser Kosten auf die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten nach Köpfen entspricht der in der GO festgeschriebenen Kostentragungsregelung.

Für den vorliegenden Sachverhalt ist hierfür allein die Regelung in § 13 Abs. 2 S. 4 GO anzuwenden; die Regelung in § 7 Abs. 2 S. 2 GO betrifft Sondernutzungsrechte an Stellplätzen in Mehrfachparkern laut BGH nicht. Die Normen können auch nicht nebeneinander angewandt werden.

Dies folgt bereits aus dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 GO, der eine Ausnahme von der gesetzlichen Aufgabenverteilung in § 21 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 WEG bestimmt, wonach die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums gemeinschaftliche Aufgabe aller Wohnungseigentümer ist. Für „Räumlichkeiten bzw. Flächen“, an denen Sondernutzungsrechte bestehen, soll diese Aufgabe auf die Wohnungseigentümer verlagert werden, deren Sondereigentum Sondernutzungsrechte zugeordnet sind. Sie sollen allein für die Instandhaltung und Instandsetzung verantwortlich sein – sich somit selbst und auf eigene Kosten darum kümmern, dass die zur Instandhaltung und Instandsetzung erforderlichen Maßnahmen veranlasst werden. Die Anwendung des § 7 Abs. 2 GO auf Mehrfachparker würde zu einer geteilten Verantwortung für die Instandhaltung und Instandsetzung führen, die eine außerordentliche Verkomplizierung der Maßnahmen zur Folge hätte: So wäre beispielsweise die Eigentümergemeinschaft für Maßnahmen an tragenden Teilen verantwortlich, während der jeweilige Sondernutzungsberechtigte sich um die Instandhaltung und -setzung einzelner Bauteile kümmern müsste. Eine solche Unterteilung kann nicht dem Normzweck entsprechen.

§ 13 Abs. 2 S. 4 GO trifft hingegen für die Verteilung der für die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums anfallenden Kosten offensichtliche Sonderregelungen in Bezug auf die für Instandhaltung und Instandsetzung von Mehrfachparkern anfallenden Kosten. Die Norm geht somit § 7 Abs. 2 GO vor. Als lex specialis, also als speziellere Norm, ist sie vorrangig anzuwenden.  Zudem ist der Begriff des „Eigentümers“ hier als Wohnungseigentümer zu verstehen, dem Sondernutzungsrechte an den Stellplätzen auf den jeweiligen Mehrfachparkern zugeordnet sind. Der Begriff der „Unterhaltung“ dient hier als Oberbegriff für die Instandhaltung und Instandsetzung und erfasst somit auch die Kosten der streitgegenständlichen Reparatur.

Die vorliegend angefallenen Kosten wurden somit zu Recht in der Jahresabrechnung 2016 auf die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten an den Stellplätzen in den Mehrfachparkern nach Köpfen umgelegt.


Verwalter­strategie
Die Regelungen einer Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung bieten zuweilen weiten Auslegungsspielraum, der zu Differenzen zwischen den Wohnungseigentümern und dem Verwalter führen kann. 
Um zu einer Auslegung zu gelangen, deren Anwendung vor Gericht standhält, sollten Verwalter insbesondere auf den Wortlaut wie auch auf Sinn und Zweck der jeweiligen Norm abstellen. Hilfestellung bietet auch die Systematik: Etwa die Reihenfolge oder die Regelungstiefe gibt Hinweis darauf, welche Regelung ggf. vorrangig anzuwenden ist.


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Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
www.asd-law.com