24.10.2019 Ausgabe: 6/19

Aktuelle Urteile: Zum Annahmeverzug bei der Rückgabe von Mietobjekten und zur Umlage von Betriebskosten äußerte sich der BGH.

RÜCKGABE EINES MIETOBJEKTS: VERJÄHRUNG & KAUTION
(BGH, Urteil vom 27.2.2019, Az. XII ZR 63/18 und OLG Naumburg, Urteil vom 10.12.2018 Az. 1 U 25/18)

DAS THEMA
Mehrere jüngst veröffentlichte Entscheidungen beschäftigen sich mit der Besitzaufgabe am Mietobjekt durch den Mieter und deren Folgen. Hier geht es zunächst um das Revisionsurteil des BGH, das auf das an dieser Stelle bereits besprochene Urteil des OLG Brandenburg vom 19.6.2018,
Az. 3 U 72/17, ergangen ist und dieses aufhebt. In diesem Verfahren ging es um den Annahmeverzug des Vermieters mit der Rücknahme des Mietobjekts und einen möglicherweise hieraus folgenden Beginn der für Schadensersatzansprüche nur sechs Monate betragenden, kurzen Verjährungsfrist. Noch kurz vor der BGH-Entscheidung erging ein Urteil des OLG Naumburg, zu dem keine Revision eingelegt wurde. In dieser Entscheidung ging es allerdings um Fragen der Kautionsabrechnung, nicht um den Verjährungsbeginn.

DIE FÄLLE
In dem bereits in DDIVaktuell 3/19 besprochenen Verfahren vor dem OLG Brandenburg, das nun vor den BGH kam, ging es um die Rücknahme eines Gewerbeobjektes, nach dessen Räumung der Anwalt des Mieters schriftlich die „Rückgabe der Mieträume ab sofort“ angeboten hatte und einen kurzfristigen Termin vor Ort vorgeschlagen hatte. Dieser Termin sollte auch „der Abstimmung der insbesondere gemäß § 16 des Mietvertrags denkbaren Interessenlagen (beispielsweise der Übergabe der installierten Zentral-Schließanlage) dienen“. Nach einer gemeinsamen Besichtigung und gewissen Nacharbeiten durch die Mieterin erfolgt die Rückgabe des Objekts am 8.2.2013. Weitere Mängelbeseitigungsarbeiten lehnte die Mieterin ab. Am 8.7.2013 reichte die Vermieterin Schadenersatzklage ein (unter Einhaltung der Frist von sechs Monaten, gerechnet ab 8.2.2013). Das OLG Brandenburg hatte diese Klage, wie berichtet, abgewiesen, da es davon ausging, dass die Vermieterin durch das Schreiben des Anwalts der Mieterin vom 9.11.2012 in Annahmeverzug gekommen war. Das OLG hatte argumentiert, dass sich die Vermieterin die Herrschaft und den Besitz des Gebäudes hätte aneignen können. Durch Verzögerung der Besitzübernahme durfte die Vermieterin nicht den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben. Der BGH hat dies anders gesehen und das OLG-Urteil aufgehoben. Zunächst stellt der BGH klar, dass der Begriff der Rückgabe und damit der Verjährungsbeginn eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraussetzt. Zum einen muss der Vermieter die unmittelbare Sachherrschaft erhalten, zum anderen muss der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgeben. Es reicht nicht, dass der Vermieter die Mieträume besichtigen kann, während der Mieter sie noch im Besitz hat. Hier wurden der Vermieterin alle Schlüssel und auch die alleinige Zugangsmöglichkeit erst am 8.2.2013 nach Abschluss der Nacharbeiten wieder eingeräumt.
Der BGH entscheidet allerdings nicht zu der Frage, ob der Annahmeverzug des Vermieters mit der Rücknahme der Mietsache die Verjährung auslösen kann. Vielmehr interpretierte der BGH das Anwaltsschreiben vom 9.11.2012 nicht als Angebot zur vollständigen und endgültigen Besitzaufgabe. Nach Auslegung durch den BGH wurde diese Besitzaufgabe von einer „Abstimmung der bestehenden Interessenlagen“, insbesondere hinsichtlich der Renovierungspflichten der Mieterin einerseits und Ansprüchen auf Abgeltung von Einbauten andererseits abhängig gemacht. Eine bedingungslose Aufgabe der Sachherrschaft ohne Klärung dieser Fragen war in dem Anwaltsschreiben gerade nicht angeboten worden, weshalb ein Verzug des Vermieters mit der Rücknahme schon nicht vorlag.

Das OLG Naumburg hatte – zeitlich noch vor der BGH-Entscheidung – einen ähnlichen Fall zu klären, allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt von Annahmeverzug und Verjährung, sondern hinsichtlich der Frage, ob der Mieter das Objekt tatsächlich zurückgegeben und damit die Bedingungen für die Rückzahlung der Kaution geschaffen hatte, oder aber im Gegenteil noch weiter Nutzungsentschädigung als Schadensersatz wegen fehlender Räumung und Rückgabe aufgelaufen war, mit dem der Vermieter gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen wollte. Die Mieterin hatte nach ordentlicher Kündigung zum 30.5.2016 die Vermieterin zur Rücknahme aufgefordert, dafür den 30.5., 31.5. oder 1.6. vorgeschlagen und in Aussicht gestellt, sich bis zum 4.6.2016 zur Übergabe bereit zu halten. Die Vermieterin äußerte sich hierzu nicht und nahm das Objekt auch nicht in Besitz. Damit geriet sie nach Ansicht des OLG Naumburg in Annahmeverzug. Das Argument der Vermieterin, es habe sich so kurzfristig kein Termin finden lassen, hielt das OLG Naumburg nicht für stichhaltig, da die Rückgabe des Objekts nach der ordentlichen fristgerechten Kündigung keineswegs überraschend gewesen sei. Aufgrund des Annahmeverzugs durfte die Mieterin den Besitz aufgeben. Dies tat sie, indem sie ein größeres Paket Schlüssel an die Bewachungsfirma des Objekts übergab. Allerdings konnte nicht anhand einer Schlüsselliste nachgewiesen werden, ob tatsächlich alle Schlüssel übergeben worden waren. Dies hatte bei der Bewachungsfirma niemand überprüft. Zwischenzeitlich nahm die Mieterin nochmals Nacharbeiten im Objekt vor und holte sich hierzu wieder Schlüssel von der Bewachungsfirma, da sie selbst keine eigenen mehr hatte. Dieses Verhalten war nach Ansicht des OLG Naumburg ausschlaggebend dafür, dass die Mieterin den Besitz vollkommen aufgegeben hatte. Umgekehrt hatte die Vermieterin nicht geltend gemacht, dass Schlüssel fehlten und sie daran gehindert sei, das Mietobjekt vollständig in Besitz zu nehmen. Diese Besitzaufgabe durch Übergabe der Schlüssel an einen Dritten genügte nach Ansicht des OLG Naumburg für die endgültige Räumung, damit die Rückgabe der Mietsache und das Ende jeglicher Zahlungsansprüche des Vermieters auf Nutzungsentschädigung bzw. Schadensersatz. Umgekehrt löste die Räumung und Rückgabe den Kautionsrückzahlungsanspruch aus.


VERWALTERSTRATEGIE
Die Entscheidungen des OLG Naumburg und des BGH sind nur scheinbar widersprüchlich, beleuchten aber verschiedene Aspekte und ergänzen sich daher eher: Der BGH hatte sich mit dem sehr formalen Verjährungsrecht auseinanderzusetzen. Er vermeidet jedoch die Klärung der Frage, ob der Annahmeverzug des Vermieters einen vorgezogenen Verjährungsbeginn darstellt, und stellt vielmehr nochmals die Voraussetzungen der Rückgabe klar, nämlich Übernahme des ungestörten Besitzes durch den Vermieter und vollständige Besitzaufgabe durch den Mieter. In dem vom OLG Naumburg entschiedenen Fall war die vollständige Besitzaufgabe des Mieters jedenfalls gegeben, der Mieter musste sich offensichtlich den Schlüssel wieder besorgen, um Nacharbeiten vorzunehmen. Anstelle der zweiten Voraussetzung, ungestörter Besitz durch den Vermieter, lässt das OLG Naumburg den Annahmeverzug mit der Rücknahme des Objekts eintreten. Ob Annahmeverzug den Besitzeintritt des Vermieters ersetzt, war nicht Gegenstand der nachfolgenden BGH-Entscheidung. Trotz dieser rasch aufeinanderfolgenden drei Entscheidungen sind daher noch viele Themen ungeklärt. Im Hinblick auf die Verjährungsfrage ist immer der frühestmögliche Zeitpunkt zu wählen. Einen Verzug der Rücknahme sollten Vermieter tunlichst vermeiden.

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Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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