14.10.2020 Ausgabe: 6/20

Aktuelle Urteile Zwei möglicherweise abschließende Urteile setzen Maßstäbe für die Mietpreisbremse und für Mietminderungen.

DIE MIETPREISBREMSE IST VERFASSUNGSGEMÄSS
(Vierter und vielleicht letzter Teil des bereits in vdivaktuell 6/17, 3/18 und 8/19 behandelten Themas?)

DAS THEMA
Das Presseecho der Mietpreisbremse wurde in letzter Zeit nur vom Berliner Mietendeckel überlagert. Nun hat sie den Weg zu den höchsten deutschen Gerichten und damit zu abschließenden Entscheidungen gefunden, jedenfalls in der bislang geltenden Fassung. Auch politisch hat das Thema seine Fortsetzung gefunden. Zum einen war die Gesetzesänderung und Verordnungsermächtigung zur Mietpreisbremse aus dem Jahr 2015 befristet bis zum 31. Dezember 2020. Landesverordnungen nach dem alten Gesetz wären daher sowieso Ende dieses Jahres außer Kraft getreten. Die Mietpreisbremse wurde daher im April 2020 verlängert bis zum 31. Dezember 2025. Soweit die Bundesländer von der Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht und entsprechende Landesverordnungen zur Mietpreisbremse erlassen haben, sind diese teils bereits verlängert, teils sollen sie bis Jahresende noch verlängert werden.
Zum anderen wurde die bisher geltende Mietpreisbremse verschärft. Vermieter haben nun eine Auskunftspflicht, falls sie nach den Ausnahmeregelungen des § 556e oder § 556f Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine höhere Miete verlangen wollen als die eigentlich zulässige Mietspiegelmiete plus zehn Prozent. Verstoßen sie gegen diese Auskunftspflicht, können sie die erhöhte Miete zunächst nicht verlangen bzw. müssen diese zurückzahlen. Eine überhöhte Miete müssen Mieter zwar nach wie vor rügen, sie können die Differenz zwischen der überhöhten Miete und der tatsächlich gerechtfertigten Miete jedoch nach der neuen Gesetzesfassung nicht mehr nur für die Zeit ab der Rüge verlangen, sondern für 30 Monate rückwirkend. Rügen Mieter allerdings später als 30 Monate nach Mietbeginn, können sie eine Rückzahlung nur noch für nach der Rüge fällige Mieten bzw. die Differenz verlangen. Zur Mietpreisbremse in der ursprünglichen
Fassung von 2015 sind in jüngster Zeit einige
höchstrichterliche Entscheidungen ergangen,
die Grundsätzliches zu diesem Instrument aussagen und durch die Gesetzesänderung von April 2020 wohl nicht infrage gestellt werden.


DIE FÄLLE
Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) hat bereits mit Beschluss vom 18. März 2019 (zusammengefasste Az. 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18) entschieden, dass die Mietpreisbremse verfassungsgemäß ist, insbesondere weder die Eigentumsgarantie noch die Vertragsfreiheit und auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt, außerdem entspricht die Verordnungsermächtigung in § 556d BGB den Vorgaben, die das Grundgesetz hierfür macht. Die Entscheidung erfolgte zur Berliner Mietenbegrenzungsverordnung, die damit als verfassungsmäßig erklärt wurde. Die Argumente sind aber nicht auf die Berliner Verordnung beschränkt, sondern gelten insoweit bundesweit. Der Bundesgerichtshof (BGH) war zwischenzeitlich mehrfach mit der Mietpreisbremse bzw. ihrer Umsetzung in Landesverordnungen befasst. Mit Urteil vom 17. Juni 2019 (Az. VIII ZR 130/18) entschied er zur hessischen Verordnung über die Umsetzung der Mietpreisbremse und sprach dieser die Wirksamkeit ab, da diese Verordnung nicht ausreichend begründet worden war und die nachträgliche Veröffentlichung der Verordnungsbegründung nicht zu einer rückwirkenden Heilung geführt hat. Die Frage, ob eine Landesverordnung ausreichend begründet und damit wirksam ist, war und ist nicht Gegenstand der Rechtsprechung des BverfG. Ähnlich hatten bereits mehrere Landgerichte in der Berufungsinstanz über die verschiedenen Verordnungsbegründungen in verschiedenen Ländern entschieden. Die meisten Länder haben nach diesen Entscheidungen eine neue Mietpreisbremsenverordnung (noch auf Basis des gesetzlichen Regelungsstands 2015) erlassen. In den von erheblichen Mietsteigerungen am meisten betroffenen Bundesländern sind daher gültige und ausreichend begründete Verordnungen zur Mietpreisbremse zu nachfolgend genannten Zeitpunkten in Kraft getreten:
• Baden-Württemberg: 4. Juni 2020
• Bayern: 7. August 2019
• Hessen: 28. Juni 2019
• Hamburg: 3. Juli 2018
In Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein waren die Verordnungen ausreichend begründet bzw. wurden nicht angegriffen; in diesen Bundesländern gelten die Verordnungen daher seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2015.

Die Mietpreisbremse hat des Weiteren ein neues Geschäftsmodell hervorgebracht, das auf die Durchsetzung der Mietsenkungen durch softwarebasierte Inkassodienstleistungen setzt, die keinerlei Kostenrisiko für die Mieter bedeuten und daher häufig genutzt werden. Mit seinem letzten einschlägigen Urteil vom 27. Mai 2020 (Az. VIII ZR 45/19) hat der BGH daher nochmals über das Geschäftsmodell der „LexFox“ (vormals „wenigermiete.de“, jetzt erneut umfirmiert) entschieden und hier seine Urteile vom 27. November 2019 und vom 8. April 2020 bestätigt, ergänzt und präzisiert.

Das Geschäftsmodell ist auch für einen Inkassodienstleister zulässig, solange es nur schematische Berechnungen und keine Rechtsberatung darstellt. Dennoch können vom Vermieter im Fall des Unterliegens Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz als Schadensersatz verlangt werden. Die Streitwerte sind vergleichsweise hoch und können bis zum 47-Fachen des errechneten Mietsenkungsbetrags betragen.

Verwalter­strategie
Bei Neuvermietungen ist die Mietpreisbremse in allen Gemeinden, in denen sie gilt, zu berücksichtigen. Die Durchsetzung von Rückforderungen der Mieter ist durch das neue Gesetz seit April 2020 und die darauf basierenden neuen Landesverordnungen deutlich effektiver ausgestaltet als bisher. Sollte ein Mieter nach Abschluss des Mietvertrags eine Rüge aussprechen, sollte diese ernst genommen werden, da der Wirksamkeit der Mietpreisbremse nun nicht mehr wirklich zugkräftige Argumente entgegengehalten werden können. Dies gilt erst recht, wenn die Rüge von einem Inkassodienstleister erhoben wird, da dann noch erhebliche Kosten und Gebühren hinzukommen können.

Es ist zu befürchten, dass dieses Geschäftsmodell in Berlin auf den Mietendeckel erweitert werden wird, dessen zweite Stufe am 22. November 2020 in Kraft treten wird und eine Anpassung an die dort festgeschriebenen Obergrenzen verlangt. Mietpreisbremse und Mietendeckel sind in Berlin parallel anwendbar, es gilt insoweit die niedrigste sich ergebende Miete.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.