22.07.2022 Ausgabe: 5/22

Alle an einem Strang - Wie sich Mehrfamilienhäuser effizient und vorausschauend sanieren lassen – mit Strangsanierungen.

Ob ein Gebäude in die Jahre gekommen ist, entscheidet nicht allein der äußere Schein. Der Zahn der Zeit nagt auch im Verborgenen, in den Versorgungs­strängen des Hauses – und erfordert oft ein komplexeres Vorgehen. Der Zustand der vielfältigen zentralen Ver­sorgungsleitungen ist zu bewerten und am besten auch der in den einzelnen Wohneinheiten. Erst danach kann entschieden werden, wie weitreichend die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) im Rahmen einer Strangsanierung zu ertüchtigen, zu erneuern und gegebenenfalls nach heutigen Erfordernissen zu ergänzen ist.

Spätestens an diesem Punkt werden Mieter unru­hig, Eigentümer vorsichtig und die Verwaltung zum Vermittler zwischen den Fronten. Fundierte Gene­ral- oder Fachplanung kann hier am besten helfen, den Sanierungsbedarf im Rahmen einer Gesamtbe­wertung des Gebäudes zu ermitteln und mit passen­den zusätzlichen Modernisierungsmaßnahmen zu verbinden. Dazu gehören auch koordinative Aufga­ben in Planungsprozess, Ausschreibung und Vergabe, zudem die Überwachung der baulichen Maßnahmen und das Schnittstellenmanagement zwischen den Gewerken.

Der technische und organisatorische Rahmen einer Strangsanierung kann in drei aufeinander aufbauenden Varianten von der reinen Strangsanierung bis zur Sanierung des Gesamtgebäudes reichen. Ausschlaggebend sind einerseits der Gesamtsanie-rungsbedarf und das damit verbundene Investitions­volumen, andererseits aber auch die Entscheidung der Verwaltung, die Sanierung im bewohnten Haus oder bei Leerstand durchzuführen. Alles in allem gilt der Grundsatz: Je besser geplant, desto geringer die Belastung.


Die reine Strangsanierung
Die reine Strangsanierung beschränkt sich auf die Erneuerung der Hauptversorgung im Sanitär-, Heizungs- und Elektrobereich in vorhandenen Versor­gungsschächten des Gebäudes und endet an den Unterverteilungen jeder Wohnung. Sie kann im bewohnten Haus stattfinden und ist die preiswerteste Variante.


Die erweiterte Strangsanierung
Auch die erweiterte Strangsanierung kann im bewohnten Gebäude erfolgen. Neben der Erneu­erung der Hauptversorgung werden hier auch die Wohnungen teilsaniert. Installationen und Aus­stattung von Bädern und Küchen werden moderni­siert, die Heizungsstränge und Heizkörper können in der gesamten Wohnung erneuert werden, mit Einschränkungen auch die Elektroinstallation und Datenverkabelung.


Die vollständige Strangsanierung
Die konsequenteste Lösung umfasst zusätzlich die vollständige Sanierung und Modernisierung aller angeschlossenen Wohnungen. Hier werden in allen Räumen die Elektroinstallation, Datenverkabelung, Türen, Fenster und Oberflächen erneuert. Balkone werden saniert oder neu angebaut. Dafür müssen min­destens alle an den jeweiligen Strang angeschlossenen Wohnungen, am besten der gesamte Aufgang leerge­zogen werden.


Sanierung mit und ohne Bewohner
Für die Planung und die Organisation des Bauablaufs ist eine Gebäudesanierung bei Leerstand die flexi­belste Lösung, denn das Risiko von Störungen kann so deutlich reduziert werden. Bleibt das Gebäude während der Sanierung bewohnt, müssen Verwal­tung und Architekt gut abgestimmt zusammenarbei­ten. Gemeinsam informieren sie im Rahmen einer Begehung die Wohnungsnutzer vorab über Umfang und Zeitplan der Maßnahmen und zur Verfügung ste­hende Ansprechpartner. Die Verwaltung wird Mieter bei Fragen und Problemen betreuen. Das Planungs­büro übernimmt die Bauüberwachung und begleitet alle ausführenden Firmen. Beides ist zwingend not­wendig, damit Mieter während der Sanierung gedul­dig bleiben und die Ausführenden ihren Job zügig erledigen können.

 

Modernisierungspakete schnüren
Es gibt gute Argumente, in der Eigentümerversammlung für einen einheitlichen Standard zu werben, wenn es im Rahmen einer Strangsanierung um Anschlüsse und die Ausstattung der Wohnungen geht. Ein hoher Standardisierungsgrad imProjekt lässt ein effizientes Zeit- und Kostenmanagement erwarten. Einigung sollte zumindest beim gleichen Standard für alle Wohnungsanschlüsse und Unterverteiler der Technischen Gebäudeausrüstung (Installation, Elektro, Medien) bestehen. Sonderwünsche können gegen Aufpreis optional erfüllt werden.

 

Da in Eigentümergemeinschaften die individuelle Viel­falt vorherrscht, können für den Modernisierungsgrad jeder Wohneinheit Standard-Musterpakete geschnürt werden, die so konfektioniert sind, dass verschiedene Ausbaugrade und Ausrüstungsqualitäten (von Stan­dard bis luxuriös), Raumausstattungen und Farben (warm, kühl oder neutral) zur Verfügung stehen.


Die Gebäudehülle
Soll die energetische Sanierung der Gebäudehülle und des Daches in die Baumaßnahme mit einbezogen wer­den, ist dies strangweise oder pro Aufgang schwierig. Beides sollte immer in einem Stück am Gesamtge­bäude erfolgen, weil sonst Probleme durch Fugenbil­dung an den Anschlüssen und Farb unterschiede der Bauabschnitte vorprogrammiert sind.


Hier ist besondere Expertise gefordert
Große Bedeutung kommt bei der Strangsanierung dem Brandschutz zu. Abstände der wasserführen­den Medien zu Elektroanlagen müssen nach Vor­schrift eingehalten bzw. baulich ermöglicht werden. In Altbauten sind die Installationsschächte eng oder gar nicht vorhanden, was eine besonders sorgfältige und kompetente Planung erfordert. Bei Abwasserin­stallationen wird der Schallschutz zum relevan­ten Thema, und Elektroanlagen im Gebäude sollten grundsätzlich immer ganzheitlich bewertet werden, da die Sanierung einzelner Abschnitte nur bedingt zulässig ist.

Sinnvoll ist es auch abzuwägen, ob im Rahmen der Umset­zung einer Maßnahme bereits Leitungen für den Glasfaser-, Netz­werk- und Photovoltaikausbau vorinstalliert werden sollen. Ab 2023 gilt in einigen Bundesländern die Solarpflicht bei Neu­bau- und Sanierungs­vorhaben. So lassen sich nachträgliche größere Ein­griffe und damit verbundene neue Belastungen für Eigentü­mer und Mieter umgehen.

Die Erneuerung der Heizungsanlage wird zur Heraus­forderung, wenn sie neue Durchbrüche oder größere Rohrquerschnitte erfordert, die statisch relevant sind. Hier ist die enge Abstimmung der TGA- mit der Tragwerksplanung wichtig. Gutes Schnittstellenmanage­ment zwischen den verschiedenen Fachplanern ist das A und O jeder Strangsanierung.


Vorteile der Generalplanung
Ein Generalplaner vereint die Kompetenzen für alle aufgeführten Beratungs- und Planungsleistun­gen auf sich. Er kann Gesamtpakete wirtschaftlich anbieten, individuelle Wünsche integrieren und professionelles Schnittstellenmanagement garan­tieren. Für Verwaltungen ergeben sich daraus kurze Abstimmungswege und viel Gestaltungsspielraum gegenüber den Eigentümern, damit auch das kom­plexe Projekt einer Strangsanierung für alle Beteilig­ten zum Erfolg wird.

Dietrich, Jörg

Leiter Kommunikation der Hartung & Ludwig Architektur- und Planungsgesell­schaft mbH, Weimar www.hartung-ludwig.de