08.06.2020 Ausgabe: 3/20

Alles richtig gemacht?! - Wie man die Unternehmensnachfolge regelt und sein Geschäft ohne Wehmut an die nächste Generation übergibt.

Es ist keine leichte Entscheidung, die man als Senior zu treffen hat. Man hat sich über viele Jahre – in meinem Fall über Jahrzehnte – etwas aufgebaut, es mit der eigenen Handschrift geprägt, eine Firma geleitet, an der man persönlich hängt. Mitarbeiter eingestellt, ausgebildet und entsprechend ihren Fähigkeiten im Unternehmen eingesetzt. Ein langjähriges Vertrau­ensverhältnis zu Eigentümerinnen und Eigentümern, zu Handwerkern, Anwälten, Sachverständigen etc. aufgebaut. Man hängt emotional an der Firma und den Mitarbeitern, an Objekten und Eigentümern. Wie lässt man richtig los, wie überträgt man ohne Wehmut mit  gutem Gefühl alles seinem Nachfolger?

Unabhängig davon, ob es der eigene Junior ist oder ein anderer geeigneter Kandidat – aus meiner Sicht kommt es ganz entscheidend auf zwei Faktoren  an: die gründliche Vorbereitung auf dieses Szenario und auf die Art und Weise, wie man letztendlich mit dem Auserwählten den Übergang vollzieht.

Die Übergabe rechtzeitig planen
Wie so oft hängt auch hier der Erfolg von den Vorbereitungen ab. Was gehört dazu? Die Firma selbst muss auf Vordermann gebracht werden, und natürlich muss man den Nachfolger ganz genau unter die Lupe nehmen. Die Übergabe soll ja gelingen, und man will im Nachhinein immer ein gutes Gefühl haben, alles unternommen zu haben, was zum Wohle der Firma, der Mitarbeiter und der Kunden bei der Geschäftsübergabe zu beachten war.

Das Unternehmen vorbereiten
Dazu gehört es, die Ausgangslage richtig zu beurteilen. Das heißt, zunächst alle wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Unterlagen der Firma  zusammenzutragen: die Personalunterlagen, die Verträge, die Verpflichtungen der Firma Dritten gegenüber usw. Hier geht es um die Zusammenstellung aller für die Übergabe wichtigen Unterlagen – zur Historie des Unternehmens sowie zur aktuellen Unternehmensführung. Das ist Kern dieser Aufgabe. Hierzu gibt es Checklisten bei den Verbänden, bei der IHK, bei Steuerberatern oder im Internet. Daher will ich hier nicht näher darauf eingehen.

Den (Wunsch-) Kandidaten checken
Wichtiger ist, sich genau anzuschauen, welche Voraussetzungen der Nachfolger mitbringt. Neben einer grundsoliden fachlichen Ausbildung spielen weitere Faktoren eine ganz entscheidende Rolle: Führungsqualitäten, strukturiertes Arbeiten, analytische Fähigkeiten zum rechtzeitigen Erkennen entscheidungsreifer Prozesse, die Fähigkeit, klare Entscheidungen zu treffen, sie deutlich zu formulieren und sie auch zu kommunizieren.

Inhalte der Probezeit festlegen
Hier ist die Art und Weise der Wissensübertragung vom Senior auf den Junior alles entscheidend. Unsere Herangehensweise prägte folgender Grundsatz: Was du mir sagst, das vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt, das verstehe ich.

Der Junior will sofort die erste Geige spielen. Aber er kommt nicht als Solist, er muss ein Orchester leiten und er muss Partituren lernen. Der Nachfolger muss vor allem die Firmenphilosophie zu verstehen lernen, die Abläufe sowohl innerhalb der Firma als auch gegenüber allen Partnern verinnerlichen. Er muss Kenntnis haben von den im Unternehmen verwendeten Arbeitsmitteln und ihrer Handhabung. Er muss die Mitarbeiter so intensiv kennenlernen, dass er in der Lage ist, jeden mitzunehmen. Mitarbeiter haben eine perfekt ausgeprägte Sensorik: Sie lernen nur von denen, die sie respektieren. Sie respektieren nur die, von denen sie lernen können. Hinzu kommt das Kennenlernen der wichtigsten Partner auf Geschäftsführerebene: der VDIV auf Bundes- und Landesebene, die Mitarbeit in einer Erfa-Gruppe des VDIV, die Mitarbeit in der KeyUser-Gruppe des Plattformanbieters etg24, die regelmäßige Teilnahme an wichtigen Weiterbildungsveranstaltungen auf Bundesebene und regional.

Zeitrahmen der Probezeit festlegen
Für die gründliche Vorbereitung des Wechsels ist es entscheidend, wie dringlich sich die Übergabe darstellt; hier spielen die persönliche Lebensplanung und natürlich auch die Erwartungen des Nachfolgers eine große Rolle. Man hat die Wahl zwischen „von jetzt auf gleich“ oder „Zug um Zug“ – Leiterprinzip oder Stockerlprinzip? Beim Leiterprinzip geht es um folgendes Bild: Einer, der Senior, steht auf der obersten Stufe einer Stehleiter, der andere, der Junior, auf der untersten Stufe der anderen Seite der Leiter. Dieses Modell der längerfristig angelegten Übergabe basiert auf dem schrittweisen Absteigen des Seniors bei gleichzeitigem schrittweisen Aufsteigen des Juniors, wobei in gleichem Maße Kompetenzen übergeben werden. Vernünftig sind hier Zeiträume von drei bis fünf Jahren. Ein Stockerl ist in Österreich ein Hocker oder Stuhl. Bei diesem Prinzip gibt es also nur einen Platz: Einer, der Senior, sitzt, der Junior steht, und sie tauschen lediglich die Plätze.

Habe ich noch einen Platz am Tisch des neuen Dienstherrn?
Will man als Senior mit dem neuen Regenten Lebenswerk erhaltende Maßnahmen durchsetzen, bleibt nur die längerfristig sich vollziehende Übergabe als wirksames Instrument. Hat ein Wechsel an der Spitze des Unternehmens zugleich zur Folge, dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, weil sie mit dem neuen Chef nicht klarkommen, dann ist etwas ganz Wesentliches schiefgelaufen. 

Der Bund fürs Leben: gemeinsame Zielvorstellungen
Senior und Junior müssen sich über strategische Zielvorstellungen für das Unternehmen verständigen, damit der Junior bereits während seiner Einarbeitungszeit Einfluss nehmen kann auf das Erreichen dieser Ziele. Zugleich sieht der Senior, wie hungrig der Junior auf weiteres wirtschaftliches Gedeihen ist und mit welchen Methoden, Mitarbeitern, Ideen etc. er dies angehen will. Die lange Leine ist dabei durchaus erwünscht, und das Vertrauen des Seniors spielt in dieser Phase eine immens wichtige Rolle. Noch ist der Senior ja da und kann eventuelle Dellen behutsam ausbügeln.

Die Art und Weise der Übergabe
Im ersten Jahr bestand die vordringliche Aufgabe des Juniors darin, jegliche im Unternehmen eingesetzte Software von der Pike auf kennen- und beherrschen zu lernen. Das künftige Handwerk muss einem sicher von der Hand gehen. Parallel wurde eine mehrjährige Ausbildung an der Deutschen Immobilien-Akademie an der Universität Freiburg begonnen und 2018 erfolgreich mit dem Immobilienwirt (DIA) abgeschlossen.

Die Teilnahme des Juniors an allen Eigentümerversammlungen war gesetzt. Hierbei ging es im ersten Jahr ausschließlich darum, den grundlegenden Ablauf zu verstehen, die Spielregeln eines Versammlungsleiters kennenzulernen, den richtigen Umgang mit Schönrednern und Querulanten zu erlernen und die Verwaltungsbeiräte in die Beschlussfassung richtig einzubeziehen.

Seit acht Jahren führen wir in jeder Eigentümerversammlung eine Weiterbildung für Eigentümer durch – zehn Minuten. Hierbei werden ein bis zwei aktuelle Themen als Powerpoint-Präsentationen vorbereitet – der Aufwand hält sich in Grenzen, da wir die Inhalte aus Vorträgen und Seminaren beziehen, an denen wir in den zurückliegenden Monaten teilgenommen haben. In die Erstellung dieser Präsentationen Routine hereinzubringen, um den Zeitaufwand dafür deutlich zu reduzieren, war Sache des Juniors.

Im zweiten Jahr wurde es Zeit, den Junior an die Eigentümer heranzuführen. Ein Weiterbildungsthema für alle WEG wurde vom Junior selbstständig erarbeitet und in allen Eigentümerversammlungen gehalten. Einmaliger Aufwand des Verwalters für die Nutzung in 100 Eigentümerversammlungen im Jahr. Das ist äußerst effektiv. Wir demons­trieren Fachkompetenz. Wir zeigen Service. Die Weiterbildung wird anschließend auf einer Verwalterplattform archiviert.

Im dritten Jahr wurde ein Großteil der Eigentümerversammlungen bereits vom Junior selbstständig vorbereitet – mit permanenter Rückfragemöglichkeit zum Senior. Die Zusammenstellung der Unterlagen für die Versammlungen, die Erstellung des Protokollentwurfs sowie die Leitung der Versammlungen wurden komplett auf den Junior übertragen. Die Entlastung des Seniors für das Tagesgeschäft wurde erstmals deutlich spürbar.

Die Vorteile für das Unternehmen liegen klar auf der Hand: Es wurde Zeit, die Gebühren bisher unrentabler Objekte, insbesondere der Mietverwaltung und in der Sondereigentumsverwaltung (SEV), an die vom Verwalter tatsächlich erbrachte Leistung anzupassen. Alle bestehenden Altverträge mit Entgeltvereinbarungen, die nicht annähernd dem aktuellen Verwaltungsaufwand für die Wohnungen entsprachen, wurden mit Jahresfrist gekündigt. 50 Prozent der Eigentümer schlossen neue Verträge ab; der Aufwand für die Mitarbeiter reduzierte sich entsprechend, und der mit der SEV erzielte Umsatz verdoppelte sich. Wir konnten Gehaltsanpassungen bei allen Mitarbeitern vornehmen, da mehr Geld in die Kasse kam. Die Verwaltergebühren im Bereich der SEV wurden durch die Einführung von Tarifpaketen (Basis: 29 Euro, Basis+: 39 Euro und Premium: 59 Euro) auf eine solide Basis gestellt. Bei der Einführung der Tarifpakete waren Michael und Alexander Keuter von der KEUTER Grundbesitz aus Kaarst absolute Vorreiter und kooperative Kollegen in jeder Beziehung. Danke.

Eine große Hilfe bei der Durchsetzung einer besseren Wirtschaftlichkeit des Unternehmens waren in den letzten Jahren die Branchenbarometer des VDIV sowie die Mitarbeit in der Erfa-Gruppe G7 des VDIV. Es ist wichtig, ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen zu übergeben.

Im vierten Jahr erfolgte die schrittweise Übergabe des gesamten Tagesgeschäfts an den Junior. Für den Senior wurde es Zeit, das Loslassen zu lernen und zu praktizieren. Im ersten Quartal dieses Jahres ging der Senior nur noch vier Werktage in die Firma, im zweiten Quartal noch einen Wochentag weniger, im dritten Quartal waren es nur noch zwei Arbeitstage.

Im selben Maße, wie die eine Seite entlastet wurde, nahm auf der anderen Seite die Verantwortung kontinuierlich zu, natürlich auch die Belastung und das Arbeitspensum. Beide Seiten hatten gerade in dieser Phase das gute Gefühl: Der Junge schafft das, man kann beruhigt loslassen. Mitarbeiter und Eigentümer hatten in dieser Phase bereits überwiegend mit dem Junior zu tun, während der Senior sich bewusst im Hintergrund hielt. Für die Eigentümer war der neue Chef kein Unbekannter mehr, und der Wechsel konnte so nahezu geräuschlos im Tagesgeschäft vollzogen werden – fast wie beim Schwimmen lernen, das an Land eben auch nicht funktioniert. 

Letzten Endes verhalf dieser Weg dem Junior zu viel Praxiserfahrung beim Kennenlernen der Betriebsorganisation des Unternehmens, beim Controlling, bei der Marktanalyse, bei der Einstellung neuer Mitarbeiter, bei der Anerkennung zusätzlicher Leistungen und bei der Festigung seiner Dienstleistermentalität, die als Grundlage für die Ausübung unseres Berufs unabdingbar ist. Nicht zuletzt hatte der Junior hinreichend Gelegenheit, alle Eigentümer von seinen unternehmerischen Fähigkeiten zu überzeugen, während diese wiederum Vertrauen fassen konnten, dass die bisher gewohnte Qualität des Unternehmens auch bei einem Wechsel gewahrt bleiben würde.

Der Zeitpunkt der Übergabe
Wesentlichster Faktor für die Bestimmung des günstigsten Zeitpunktes war in unserem Fall das Tempo der Einarbeitung des Juniors. Er war sattelfest geworden. Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen und lässt für die kommenden Jahre nachhaltiges Wachstum erwarten. Alle Mitarbeiter stehen ohne Ausnahme hinter dem neuen Chef.

Zu lange unterschätzt wurde die aktive Mitgliedschaft in einem Fachverband. Richtig praktizierter Erfahrungsaustausch ist die preiswerteste Investition und schafft Sy­nergieeffekte von beachtlichem Ausmaß. So wurde die passive Mitgliedschaft des Unternehmens in der IHK und im IVD im Jahr 2016 durch eine aktive Mitgliedschaft im VDIV Deutschland (damals DDIV) und seinem Mitteldeutschen Landesverband erweitert. Der Junior ist inzwischen stellvertretender Vorsitzender des VDIV Mitteldeutschland. Ganz klar: Wir wollen etwas von dem zurückgeben, was uns der VDIV in den vergangenen Jahren gegeben hat. Insbesondere durch die Mitarbeit in der Erfa-Gruppe G7 des VDIV und die Nutzung breit gefächerter Weiterbildungsangebote zu brandaktuellen Themen haben wir das Wissensniveau im Unternehmen, selbst auf Gebieten, die erst die weit entfernt liegende Zukunft zu betreffen scheinen, erheblich gesteigert.

In Kombination mit der konsequenten Ausrichtung der Firma auf digitale Arbeitsweisen – zunächst durch Investitionen in Hard- und Software sowie in Schulungen und Seminare für Mitarbeiter, dann folgerichtig mit der Einführung einer digitalen Plattform – haben Senior und Junior gemeinsam das Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt. Mit der Verwalterplattform etg24 trugen wir bereits seit 2016 die Digitalisierung in alle Eigentümergemeinschaften. Die Einführung und Nutzung der Plattform durch alle Mitarbeiter führte zur Digitalisierung der Prozesse an allen Arbeitsplätzen im Unternehmen. Inzwischen sind 85 Prozent aller Eigentümer aktive Nutzer.

Und was macht der Senior mit der gewonnenen Zeit, solange er noch im Unternehmen ist? Er tut das, wozu er aufgrund seiner bisherigen zu engen Einbindung ins Tagesgeschäft nicht oder nur ungenügend gekommen ist: Er modernisiert die Büroausstattung, hilft, ein Bonussystem einzuführen, überarbeitet das Vertragswerk des Unternehmens, spricht mit seinem ERP-Hersteller über längst fällige Allianzen oder Kooperationen mit PropTechs, lässt sich vom größten regionalen Energieversorger über den aktuellen Stand der Digitalisierung der örtlichen Netze informieren und gewinnt ihn für einen Vortrag im regionalen Fachverband, spricht mit Messdienstleistern über die automatisierte Einlesung der Datensätze E898 in die Plattformarchive der Wohnungen und er entwickelt Vorträge, um seine Erfahrungen bei der Leitung eines Verwaltungsunternehmens und bei dessen Digitalisierung weiterzugeben.

Am Ende seiner unternehmerischen Tätigkeit hat man als Senior das gute Gefühl, auch diejenigen Dinge, die in der Hektik des Verwalteralltags allzu oft auf der Strecke geblieben sind, zumindest angeschoben, vorbereitet und in die Test- und Erprobungsphase geschickt zu haben. Das Loslassen wird einfacher. Gerade unter überwiegend positiven Vorzeichen ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um mit etwas wehmütigem Blick seinen Hut zu nehmen. Den Haken dafür hatte der Junior schon vor Jahren zu Hause angebracht.

Foto: © Pictrider / Shutterstock.com


Sacher, Joachim

Diplom-Immobilienwirt (VWA) leitete seit 1992 die GERBURG Grundstücks- und Hausverwaltungs GmbH, Dresden.
www.gerburg-dresden.de