26.04.2019 Ausgabe: 2/19

Alternativen zur Präsenz - Was gilt für „virtuelle“ Eigentümerversammlungen?

Unter einer Wohnungseigentümerversammlung versteht man gemeinhin die Zusammenkunft der in einer Wohnungseigentumsanlage stimmberechtigten Eigentümer oder ihrer Vertreter an einem Versammlungsort zum Austausch über die Verwaltung und Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses im Wege des Beschlusses. Andere „lose“ Zusammenkünfte oder Treffen von Eigentümern erfüllen die Anforderungen an eine Eigentümerversammlung nicht im Sinne des Gesetzes, also § 23 WEG. Als Ersatz für die physische Zusammenkunft kennt das Gesetz in § 23 Abs. 3 WEG den Umlaufbeschluss, zu dem alle Eigentümer ihre Zustimmung schriftlich erklären müssen.

Alternative Versammlungsarten

In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung des Alltags und der Etablierung neuer technischer Möglichkeiten stellt sich für Verwalter und ebenso für Wohnungseigentümer die Frage, ob alternative Versammlungs­arten zulässig sind. Als „Experimentierfeld“ dafür dürften sich Versammlungen mit wenigen Tagesordnungspunkten nicht allzu komplexen Inhalts anbieten. Beispiele wären (nachzuholende) Beschlüsse über einen neuen Wirtschaftsplan, die Verlängerung bestehender Verträge oder die Genehmigung von Nachträgen zu laufenden Instandsetzungsmaßnahmen. Der Aufwand solcher Eigentümerversammlungen als Präsenzveranstaltung für den Verwalter und insbesondere auch die Eigentümer steht oft in keinem Verhältnis zu den zu beschließenden Themen. Zunehmend praktiziert wird die „abgespeckte“ Eigentümerversammlung in den Räumen der Hausverwaltung, bevorzugt während der üblichen Geschäftszeiten und eben nicht in den Abendstunden, zu der die Miteigentümer dem Verwalter oder den wenigen präsenten Eigentümern Stimmrechtsvollmachten erteilen. Diese Form der Eigentümerversammlung ist auch jenen (unwirksamen) Beschlüssen vorzuziehen, in denen dem Verwalter oder gerne auch dem Beirat wesentliche Entscheidungskompetenzen zur weiteren Beschlussumsetzung, insbesondere über das „Wie“ einer Maßnahme, übertragen werden. Derartige Beschlüsse werden regelmäßig von den Gerichten aufgehoben. Die im Wesentlichen mit Vollmachten der Eigentümer bestrittene Eigentümerversammlung stellt hierzu eine zulässige, für alle Seiten einfachere und vor allem (kosten-)günstige Alternative dar.

Virtuell per Videokonferenz

Als weitere Alternative bietet es sich an, über die Eigentümerversammlung unter Einsatz von Videokonferenzsystemen nachzudenken. Diese werden von der Fachliteratur nicht als von vornherein unzulässig a­ngesehen. Die Gerichte hatten allerdings bislang wenig Gelegenheit, sich mit dieser neuen Form auseinanderzusetzen. Soweit bereits eine Vereinbarung (Gemeinschaftsordnung) der Eigentümer diese Versammlungsform vorsieht, ist die „virtuelle“ Eigentümerversammlung wenig problematisch. Es stellt sich daher die Frage, ob auch eine nicht in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Eigentümerversammlung per Videokonferenz in zulässiger Weise durchgeführt werden kann. Rechtsprechung hierzu gibt es – soweit erkennbar – bislang nicht. Dies kann auch daran liegen, dass sich die technischen Voraussetzungen, um solche Konferenzen zuverlässig und für die Teilnehmer komfortabel ablaufen zu lassen, gerade erst verbreiten. Aus dem Jahr 2007 existiert eine (ablehnende) Entscheidung des AG Königstein i. Ts. zu einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer mittels Telefonkonferenz. Deren technische Möglichkeiten werden von der aktuellen Videokonferenztechnik allerdings erheblich übertroffen, insbesondere durch die zusätzlichen visuellen Komponenten: die wechselseitige optische Wahrnehmung der Teilnehmer und den am Bildschirmrand eingeblendeten „Chat-Bereich“.

Das ist zu beachten

Jedem Wohnungseigentümer ist der „freie Zugang“ zur virtuellen Eigentümerversammlung per Videokonferenz zu gewährleisten. Voraussetzung dafür ist neben einer ausreichenden Übertragungsbandbreite am Ort der Teilnahme auch die Übermittlung sicherer Zugangsdaten. Professionelle Anbieter solcher Videokonferenzsysteme verwenden verschlüsselte Verbindungen. Denkbar ist es auch, dass mehrere Eigentümer zusammen und von einem Anschluss aus gemeinsam an der Video-Versammlung teilnehmen. Alternativ könnte und sollte Eigentümern die Möglichkeit eröffnet werden, auch in den Räumen der Hausverwaltung (Besprechungsraum) an der Versammlung teilnehmen zu können – vor allem, wenn einzelne Miteigentümer nicht über das erforderliche technische Equipment verfügen.

Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit

Unbedingt zu beachten ist der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit. Schon in der Einladung zu einer solchen Video-Versammlung ist darauf hinzuweisen, dass nicht zum Kreis der Miteigentümer gehörende Personen vom Verlauf der Konferenz auszuschließen sind. Dies müssen die Teilnehmenden gewährleisten. Der Versammlungsleiter muss seinerseits dafür sorgen, dass Eigentümern die freie Rede und der freie Meinungsaustausch ermöglicht werden. Hier obliegt es ihm in ganz besonderer Weise, den Überblick zu behalten und die einzelnen Beiträge zu moderieren. Es ist ein Modus festzulegen, wie die eigentliche Abstimmung im Rahmen der Beschlussfassung rechtssicher erfolgen kann. Denkbar wäre insoweit die Nutzung des „Chat-Bereichs“ am Bildschirmrand, wo jeder Teilnehmer der Videokonferenz die Möglichkeit hat, sein jeweiliges Stimmverhalten schriftlich niederzulegen. In professionellen Videokonferenzsystemen besteht die Möglichkeit der Protokollierung des Konferenz-Chats, die auch genutzt werden sollte. Wie bei jeder regulären Eigentümerversammlung obliegt dem Verwalter die Feststellung des Abstimmungsergebnisses und die Verkündung des Beschlusses als angenommen oder abgelehnt. Ebenso ist während der Dauer der Eigentümerversammlung sicherzustellen, dass die Beschlussfähigkeit zu jedem Zeitpunkt gegeben ist.

Solange eine gesicherte Rechtsprechung zur Zulässigkeit der „virtuellen Eigentümerversammlung“ per Videokonferenz noch aussteht, könnte es sich anbieten, den eigentlichen Abstimmungsvorgang zu entkoppeln. Die per Video zugeschalteten Eigentümer könnten dem Verwalter vorab Stimmrechtsvollmachten erteilen, sodass – rechtlich – der bevollmächtigte Verwalter den Akt der Stimmabgabe vollzieht. Neben der dem Grunde nach erteilten Vollmacht an den Verwalter wären daneben auch ad-hoc-Weisungen der Wohnungseigentümer (z. B. über den Chat-Bereich) an den Verwalter denkbar, die nicht notwendigerweise schriftlich erfolgen müssen.

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Grundmann, Volker

Der Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht der Berliner Kanzlei Grundmann Immobilienanwälte ist juristischer Berater und Vorstandsmitglied des VDIV Berlin-Brandenburg.
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