30.04.2019 Ausgabe: 3/19

Anschluss gesucht?! Was tun, wenn Eigentümer Ladestationen für E-Fahrzeuge im Gebäude wünschen?

Immobilienverwalter müssen sich in Eigentümerversammlungen zunehmend mit Lademöglichkeiten für Elektroautos der Hausbewohner auseinandersetzen. Immer öfter entzünden sich hitzige Debatten an diesem Thema. Um hierbei die sachliche Ebene zu wahren und auf die für geplante Nachrüstungen erforderlichen Beschlüsse hinzuwirken, ist Fachkenntnis gefragt. Hier ein Überblick über die wichtigsten technischen und baulichen Aspekte – und zum Einstieg ein Beispiel aus der Praxis:

Die zunehmende Luftverschmutzung in der Stadt, drohende Fahrverbote für Diesel, der fortschreitende Klimawandel – gleich mehrere Gründe tragen die drei Parteien, die E-Fahrzeuge anschaffen möchten, auf der Eigentümerversammlung vor. Und natürlich bestehen sie nun darauf, das Elektroauto auf ihrem eigenen Stellplatz in der Tiefgarage oder im Hof aufzuladen – sehr zum Ärger der übrigen Eigentümer. Denn weder sind die einzelnen Stellplätze mit separaten Steckdosen ausgestattet, noch sind die anderen Eigentümer gewillt, die Versorgungskosten für den stark erhöhten Strombezug des gemeinschaftlich genutzten und abgerechneten Stromkreises anteilig zu tragen.
Auch Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Brandschutz werden geäußert, weil nicht klar ist, ob der Hausanschluss überhaupt leistungsfähig genug wäre für die langen Ladevorgänge der drei Fahrzeuge. Über die erforderlichen technischen Maßnahmen zur Aufrüstung der Elektro- und Gebäudetechnik bzw. Ertüchtigung des Bestandsgebäudes und die damit verbunden Kosten liegen zur Eigentümerversammlung keine Informationen vor. Die Versammlung endet nach einer kontroversen Diskussion ohne Ergebnis, Kompromiss oder Beschluss, und anstatt der Fahrzeug­akkus ist nun die Stimmung in der Hausgemeinschaft „geladen“.
Meinungsverschiedenheiten und Konflikte wie in dieser fiktiven Eigentümerversammlung sind den meisten Immobilienverwaltern durchaus vertraut. Gleichzeitig ist auch für sie das Thema E-Mobilität häufig Neuland, sodass Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtslage bestehen können. Zwar versteht es sich von selbst, dass nicht jeder Eigentümer einfach eine zusätzliche Steckdose oder gar eine Ladestation an seinem privaten Stellplatz installieren darf, sondern hierfür in jedem Fall die Zustimmung beziehungsweise den Beschluss der Eigentümergemeinschaft braucht. Doch was ist darüber hinaus zu beachten, wenn dem berechtigten Wunsch der drei Eigentümer Rechnung getragen ­werden soll?

Entscheidende technische und bauliche Aspekte

Zunächst ist festzuhalten, dass das Vorhaben rechtlich und juristisch vergleichbar ist mit anderen Projekten, die das Gebäude, seine Eigenschaften und die Nutzung von Gemeinschaftsflächen verändern können (z. B. der Einbau eines Aufzugs, die Installation einer Solaranlage auf dem Dach, die Modernisierung der Zen­tralheizung etc.). Der Rechtsrahmen ist in der Branche hinlänglich bekannt, sodass hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Vor diesem Hintergrund entscheidend sind vor allem elektrotechnische sowie bauliche Aspekte, die den Wohnungseigentümern meist nicht geläufig sind. Insofern sind Immobilienverwalter gut beraten, wenn sie sich mit den Grundzügen der Elektro- und Gebäudetechnik vertraut machen und gleich zu Beginn einer Diskussion darauf hinweisen, dass ein möglicher späterer Beschluss ein Mindestmaß an technischem Grundverständnis bei allen Beteiligten voraussetzt.
Zunächst geht es darum anzuerkennen, dass die vorhandene Elektroinstallation in einem älteren Bestandsgebäude nicht dafür ausgelegt wurde, gleichzeitig mehrere E-Fahrzeuge mit einer hohen Leistungsaufnahme von 3,7 kW bis hin zu 22 kW oder mehr über einen längeren Zeitraum zu laden. Daraus folgt zwangsläufig, dass die bestehende Elektroinstallation modifiziert, erweitert und an die neuen Anforderungen angepasst werden muss – meist mit weitreichenden Folgen. Denn eine genaue Bestandsaufnahme ist dann ebenso notwendig wie die akkurate Planung der einzelnen Modernisierungsmaßnahmen und die technisch einwandfreie Umsetzung durch Fachkräfte des Elektrohandwerks.
Ladestationen und sogenannte Wall-Boxes sind fest installierte Betriebsmittel, die im Fehlerfall oder bei falscher Anwendung gefährliche Betriebszustände einnehmen können (z. B. Kurzschluss, elektrischer Schlag, Überlast, Brände). Nach § 49 Energiewirtschaftsgesetz sind elektrische Anlagen so zu errichten oder in bestehende elektrische Anlagen zu integrieren, dass keine Gefährdungen für Menschen und Nutztiere von ihnen ausgehen. Sie sind also bestimmungsgemäß, entsprechend der Herstellerangaben und nach den derzeit gültigen Regeln der Technik zu installieren und zu betreiben.
Für die Hersteller der Komponenten sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Niederspannungsrichtlinie 2014/30/EU  sowie die Normenreihe DIN EN 61851  relevant. Für Installateure ist DIN VDE 0100  maßgeblich, damit die Sicherheit der Elektroinstallation zur Inbetriebnahme sichergestellt ist und auch dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Stromkreise, an denen Ladesäulen fest angeschlossen sind, oder Steckdosen, die spezifisch für das Laden von E-Fahrzeugen vorgesehen sind, fallen in den Anwendungsbereich der DIN VDE 0100-722 Teil 7 „Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Stromversorgung von Elektrofahrzeugen“. Wichtig sind insbesondere die folgenden Aspekte:

  • Leistungsbedarf der gesamten elektrischen Nutzanlage und am einzelnen Anschlusspunkt
  • Gleichzeitigkeitsfaktor der Kabel und Leitungsanlagen sowie die benötigte Anschlussleistung
  • Beanspruchungen der Betriebsmittel durch äußere Einflüsse (z. B. Staub, Niederschläge, ­UV-Strahlung im Freien)
  • Auswahl geeigneter Schutzeinrichtungen hinsichtlich der zu erwartenden Fehlerströme (z. B. automatische Abschaltung der Stromversorgung durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD))
Auswirkungen auf das Verteilnetz

Es wird deutlich, dass viel verändert werden muss in der Elektro- und Gebäudetechnik, und fast immer geht mit der Modernisierung eine erhöhte Leistungsaufnahme einher. Denn die Ladeleistungen je Ladepunkt sind mit 3,7 bis über 22 kW hoch. Auf das Verteilnetz hat das dann Auswirkungen, wenn auch in der Nachbarschaft immer mehr Haushalte und Betriebe Ladepunkte ­installieren möchten. In diesem Szenario muss der Netzbetreiber beziehungsweise das zuständige Energieversorgungsunternehmen den erhöhten Leistungsbedarf über seine Netzinfrastruktur zur Verfügung stellen. Insofern hat der Energieversorger ein Interesse daran sicherzustellen, dass er dies langfristig gewährleisten kann.
Deshalb regelt insbesondere die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) die Rechte und Pflichten zwischen einzelnen Netzanschlussnehmern – in diesem Fall der Eigentümergemeinschaft – und dem Netzbetreiber. Zugleich verweist die NAV in § 1 Abs. 1 auf die technischen Anschlussbedingungen (TAB). Diese sind stets bei Anlagen anzuwenden, die neu an das Verteilnetz angeschlossen, erweitert oder verändert werden. Sie sorgen unter anderem dafür, dass mögliche Netzrückwirkungen beachtet und vorgegebene Schieflastgrenzen eingehalten werden.
Weitere Risiken
Neben diesen grundlegenden, elektrotechnischen Aspekten werden Immobilienverwalter mittelfristig wohl auch gefordert, komplexere Sonderfälle ins Visier zu nehmen. So birgt beispielsweise die Rückspeisung in Endstromkreise erhöhte Risiken. Das ist immer dann der Fall, wenn ein E-Fahrzeug keine elektrische Energie als Verbraucher aufnimmt, sondern die in den Fahrzeugbatterien gespeicherte Energie als Erzeuger in den Stromkreis einspeist. Auch ist zu bedenken, dass Ladestationen im Freien – im Gegensatz zur Tiefgarage – vor Witterungs­einflüssen geschützt werden müssen.
Baulich sind die Komponenten vor Beschädigung durch Kollisionen zu schützen (z. B. Rammschutz). Zugleich müssen sie, genau wie alle anderen Zugänge zum Gemeinschafts- und Sondereigentum, auch barrierefrei zugänglich sein. Insofern ist absehbar, dass noch viele Eigentümergemeinschaften über die Modernisierung ihrer Bestandsimmobilie diskutieren werden. Die Sachverständigen von TÜV SÜD können Immobilienverwalter dabei unterstützen, technische und wirtschaftliche Lösungen zu entwickeln und damit tragbare Beschlüsse herbeizuführen. Denn klar ist auch: Der Verkehrswert einer Immobilie mit einer guten und sicheren Ladeinfrastruktur wird vor allem in den Großstädten und Ballungsräumen eher steigen als ­sinken.


Fengel, M.eng. Dipl.-ing. (fh) Marc

Sachverständiger Abteilung Elektro- und Gebäudetechnik, TÜV SÜD Industrie Service GmbH

Dipl.-Ing. (FH) Michael Ulman
Leiter Bereich Elektrotechnik Geschäftsfeld Elektro- und Gebäudetechnik, TÜV SÜD Industrie Service GmbH
www.tuev-sued.de/strom-tanken