22.07.2014 Ausgabe: 5/2014

Arbeitsverträge von Anfang bis Ende

Was ist beim Abschluss und bei der Kündigung zu beachten? Aktuelle Gerichtsentscheidungen zu Vereinbarungen im Arbeitsvertrag und Tipps für die Praxis.

›› Immer diese Überstunden!

Eine Altenpflegerin verlangte von ihrem Arbeitgeber eine Überstundenvergütung. Sie hat angegeben, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Diese Zeiten konnte der Arbeitgeber aus den Dienst- und Tourenplänen entnehmen.

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 22.01.2014 – 2 Sa 180/13) entschied, dass die Klägerin einen Anspruch auf Überstundenvergütung hat. Durch die eingereichte Aufstellung konnte die von ihr behauptete tägliche Arbeitszeit für die einzelnen Tage nachvollzogen werden.

Die Überstunden seien dabei auch geduldet worden: Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnehme und keine Vorkehrungen treffen würde, die Leistung von Überstunden für die Zukunft zu unterbinden. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei davon auszugehen, dass der Arbeitgeber von den geleisteten Überstunden spätestens zum Ende des jeweiligen Monats Kenntnis gehabt habe. Da der Arbeitgeber keine Maßnahmen zur Unterbindung der Überstunden ergriffen habe, sei von einer Duldung auszugehen.

Ob sich diese Ansicht halten wird, bleibt abzuwarten. Es wurde unter dem Aktenzeichen 5 AZN 230/14 Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Das BAG wiederum entschied bereits mit Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12, dass allein in der Entgegennahme von Aufzeichnungen der Anwesenheitszeiten eine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung nicht begründet wird.

Auch bei der Geltendmachung von Überstunden bei einem Arbeitszeitkonto gelten besondere Anforderungen: Erst jüngst entschied das BAG (Urteil vom 26.06.2013 – 5 AZR 428/12), dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Anspruch mehr auf Korrektur eines Arbeitszeitkontos besteht. Denn mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis sei diese Klage auf eine unmögliche Leistung gerichtet.

Praxistipp:

Will der Arbeitgeber Überstunden anordnen, so benötigt er hierfür eine Regelung. Üblicherweise findet sich diese im Arbeitsvertrag, aber auch eine Betriebsvereinbarung ist hierfür ausreichend (BAG, 06.03.2003 – 1 AZR 349/02). Fehlt eine Regelung, darf der Arbeitnehmer sich regelmäßig weigern, Überstunden abzuleisten.
„Der/die Arbeitnehmer/in ist bei Vorliegen betrieblicher Erfordernisse verpflichtet, die vom Arbeitgeber angeordneten Überstunden bis zur Grenze der gesetzlichen Höchstarbeitszeit zu erbringen“.
Sofern Überstunden angefallen sind, stellt sich die Frage nach ihrer Vergütung. Eine pauschale Abgeltung von Überstunden mit dem monatlichen Gehalt ist unwirksam. Wirksam ist jedoch, eine bestimmte Höchstanzahl pro Woche oder Monat als nicht vergütete Überstunden zu vereinbaren. Denn dann weiß der Arbeitnehmer, welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal zu erbringen hat. Allerdings darf diese Anzahl nicht sittenwidrig sein. Sofern kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde, kann diese Vereinbarung auch mündlich erfolgen (BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 AZR 331/11).
„Überstunden bis zu 10 Stunden sind vom monatlichen Gehalt umfasst.“ (bei einer 40-Stunden-Woche).
Sofern man die Überstunden nur in bezahlte Freistellung entgelten will, sollte man das im Arbeitsvertrag festhalten.

›› Vorsicht bei Anglizismen

Vorsicht bei Anglizismen: Der Niederlassungsleiter der Arbeitgeberin hatte ein Kündigungsschreiben mit seinem offiziellen Titel als „Contact Center Manager“ unterzeichnet. Die Arbeitnehmerin wies die Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurück. Die Kündigung war dadurch unwirksam. So entschied das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 28.02.2012 – 2 Sa 290/11) aufgrund der Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin. Denn der Begriff „Contact Center Manager“ ist nicht aussagekräftig, um den Schluss gemäß § 174 Absatz 1 BGB auf die Position des Niederlassungsleiters zuzulassen.

›› Die Sonderzahlung

Die Klägerin erhielt – bevor sie in Mutterschutz ging – über mehrere Jahre eine Jahressonderzahlung in Höhe von zuletzt 12.000 Euro brutto. Im Arbeitsvertrag heißt es dazu: „Die Zahlung von Gratifikationen, Tantiemen, Prämien oder sonstigen Leistungen liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte“. 2012 zahlte die Beklagte mit Ausnahme der Klägerin an alle Mitarbeiter Sonderzahlungen bis zu 18.000 Euro brutto.

Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 12.12.2013 – 5 Sa 173/13) entschied, dass der Arbeitgeber zwar grundsätzlich frei in seiner Entscheidung über eine Bonuszahlung und deren Höhe sei. Die Gewährung unterliegt aber dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Daher muss der Arbeitgeber die Bewertungskriterien für die Erfüllung der geforderten Leistungsmerkmale offen legen. Er muss darlegen, wie groß der begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazugehört. Dem Arbeitgeber sei verwehrt, Zahlungen aufgrund rein subjektiver Beurteilung und damit nach Gutdünken festzulegen.

Bereits mit Urteil vom 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 entschied das BAG, dass Stichtagsregelungen im Arbeitsvertrag in der Regel unzulässig sind. Die Auszahlung einer Jahressonderzahlung kann daher nicht an das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum 31.12. des jeweiligen Jahres oder ähnliches geknüpft werden, wenn die Zahlung zugleich auch Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung darstellt.

Mit Urteil vom 14.09.2011 – 10 AZR 526/10 entschied das BAG, dass eine Klausel in einem Arbeitsvertrag, die bestimmt, dass „sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer freiwillig und jederzeit widerruflich“ sind und auch wenn „der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft“ erwerbe, unzulässig sind. Denn ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, würde den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB).

Praxistipp:

Eine Jahressonderzahlung kann unabhängig davon, welchen Anteil sie an der Gesamtvergütung ausmacht, unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden. Durch die jüngsten Entscheidungen wurde jedoch eine „wasserdichte“ Formulierung im Arbeitsvertrag erschwert. Es sollte daher auf eine Regelung im Arbeitsvertrag verzichtet und stattdessen auf eine schriftliche Mitteilung zur Sonderzahlung gesetzt werden.
„Mit der Novemberabrechnung werden wir Ihnen eine Sonderzahlung in Höhe von EUR 1.000,– zukommen lassen. Diese Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Ansprüche aus.“
Nach Ansicht des BAG (Urteil vom 18.03.2009 – 10 AZR 289/08) ist das in Ordnung. Denn es handelt sich bei der Sonderzahlung um eine freiwillige Leistung, die jederzeit eingestellt werden kann. Die schriftliche Mitteilung enthalte einen wirksamen, insbesondere transparenten Freiwilligkeitsvorbehalt.

Weiterführender Hinweis:

Bestimmte betriebliche Gesundheitsfördermaßnahmen sind gem. § 3 Nr. 34 EStG bis 500 Euro pro Mitarbeiter und Jahr steuerfrei. Wird diese Grenze überschritten oder ist die Begünstigung einer Maßnahme umstritten, kann es zur Besteuerung der Leistungen kommen.
Gestritten wird derzeit beim BFH (VI R 28/13)N darüber, ob die Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber für die (freiwillige) Teilnahme der Arbeitnehmer an einer sog. Sensibilisierungswoche steuerfreier Arbeitslohn ist. Thema ist die Vermittlung grundlegender Erkenntnisse für einen gesunden Lebensstil im Rahmen eines ganzheitlichen Personalentwicklungsprogramms zur Sicherstellung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers. Man sollte also nicht übertreiben.

›› Der Teufel Alkohol

Ein Hofarbeiter musste angelieferten Schrott sortieren, reinigen und entsorgen. Dabei kamen verschiedene Fahrzeuge zum Einsatz, wie Gabelstapler, Lader und Bagger mit einem Gewicht von bis zu 35 Tonnen und einer Ausgreifweite von bis zu 20 Metern. Es gilt absolutes Alkoholverbot.

Der Hofarbeiter wurde mehrfach betrunken angetroffen, worauf er abgemahnt und eine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde. Nachdem er sich zur Alkoholsucht bekannte und eine Therapie begann, nahm der Arbeitgeber die Kündigung zurück. Die Therapie wurde abgebrochen. Und erneut wurde mehrfach die Trunkenheit festgestellt, die sogar zu Betriebsunfällen mit Sachschäden führten. Er verlor seinen Führerschein. Bei einer internen Kontrolle konnte der Hofarbeiter nur einen tschechischen Führerschein vorweisen. Die Arbeitgeberin kündigte.

Die Kündigung ist wirksam. Das BAG (Urteil vom 20.03.2014 ­– 2 AZR 565/12) entschied, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholerkrankung nicht dauerhaft gewährleiste, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen. Für diese negative Prognose ist erheblich, ob der Arbeitnehmer bereit ist, eine Entziehungskur oder Therapie durchzuführen. Lehnt er dies ab, kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird.

Beträchtliche Fehlzeiten sind nicht entscheidend. Denn der Arbeitnehmer gefährde stark sich und andere und biete mangels Fähigkeit zur Alkoholabstinenz keine Gewähr dafür, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften ausnahmslos zu beachten.

›› Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot

Der Arbeitsvertrag enthielt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung sowie eine salvatorische Ersetzungsklausel. Nach Beendigung verlangte der Kläger eine Karenzentschädigung mit der Begründung, dass sich der Arbeitgeber aufgrund der salvatorischen Ersetzungsklausel im Arbeitsvertrag nicht auf die Nichtigkeit der nachvertraglichen Wettbewerbsverbotsklausel berufen könne.

Grundsätzlich sind nachvertragliche

Wettbewerbsverbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, nichtig (vgl. BAG, 28.06.2006 – 10 AZR 407/05). Salvatorische Klauseln sind in der Regel unwirksam. Dies gilt aber nicht, wenn der Arbeitnehmer den Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht und dieser sich als Verwender der salvatorischen Klausel auf die Unwirksamkeit beruft. So entschied das LAG Hamm mit Urteil vom 18.2.2014 – 14 Sa 806/13.

Diese Entscheidung ist jedoch nicht rechtskräftig. Es wurde Revision unter Aktenzeichen 10 AZR 181/14 eingelegt.

Hinweis:

Sofern im Arbeitsvertrag die Regelung getroffen wurde: „Auf die Entschädigung muss sich der Mitarbeiter des Weiteren andere Bezüge nach Maßgabe des § 74c HGB anrechnen lassen“ ist nach Ansicht des LAG Köln, Urteil vom 30.01.2014 – 13 Sa 744/13 nicht der Bezug von Arbeitslosengeld umfasst, da dies nicht in § 74c HGB geregelt ist.

››    Erlaubte Konkurrenztätigkeit?

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2011. Am 9.11.2011 wurde er als Geschäftsführer einer GmbH ins Handelsregister eintragen. Diese GmbH ist auf dem gleichen Gebiet tätig wie sein derzeitiger Arbeitgeber – die Beklagte. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos.
Das LAG Hessen (Urteil vom 10.06.2013 – 21 Sa 850/12) entschied, dass während des Arbeitsverhältnisses jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil des Arbeitgebers untersagt ist. Es sei denn, sie ist im Arbeitsvertrag erlaubt. Zwar sei weder die Aufnahme von Vertragsverhandlungen noch der Erwerb eines Geschäftsanteils eine unzulässige Konkurrenztätigkeit. Aber: Hier hat der Kläger mehr als nur vorbereitet. Er hätte während des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten gerade besonders darauf achten müssen, die Grenze von der zulässigen Vorbereitungshandlung zur unzulässigen Konkurrenztätigkeit nicht zu überschreiten. Eine Abmahnung sei aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung nicht erforderlich gewesen.

Foto: © sebra / Shutterstock.com


VDIV Aktuell Autor - Ivailo Ziegenhagen
Ziegenhagen, Ivailo

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, 
Fachanwalt für Steuerrecht, 
Partner Betz Rakete Dombek Rechtsanwälte & Notare