21.10.2024 Ausgabe: 7/24

WEG-Recht: Auch der obsiegende Wohnungseigentümer hat anteilig die Kosten des Beschlussanfechtungsverfahrens zu tragen.

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(BGH, Urteil vom 19.7.2024 - Az. V ZR 139/23)

Das Thema 

Insbesondere seit dem Inkrafttreten des Wohnungseigen-tumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) zum 1. Dezember 2020 mehren sich die Stimmen der Eigentümer, die es im Fall einer Beschlussmängelklage als ungerecht empfinden, trotz ihres Obsiegens vor Gericht anteilig an den Prozesskosten der unterliegenden Partei – der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) – beteiligt zu werden. Dies erscheint nachvollziehbar, berücksichtigt man, dass es dem Grundsatz der Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht, dass die unterliegende Partei die Prozesskosten zu tragen hat. Mit dem nachstehenden Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals und wegweisend für die bislang uneinheitliche und vielfach kritisierte Instanzenrechtsprechung entschieden, dass die Kosten der Verwaltung – zu denen auch die Kosten eines Prozesses gegen die GdWE zählen – gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG), soweit keine abweichende Regelung getroffen worden ist, nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel umzulegen sind.

Der Fall

Die Kläger sind Mitglieder der beklagten GdWE. Die Gemeinschaftsordnung der beklagten GdWE sieht vor, dass die Wohnungseigentümer die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen zu tragen haben.

Dem hiesigen Rechtsstreit ging ein Anfechtungsprozess im Jahr 2021 voraus, in dem die Kläger gegenüber der GdWE obsiegten. Die Eigentümer fassten zur Finanzierung der Kosten des Vorprozesses sodann auf der Eigentümerversammlung am 27. April 2022 zu TOP 4 folgenden Beschluss: „Die Eigentümer beschließen die Finanzierung der Kosten des Rechtsstreits [...] in Höhe von 6.393,62 € durch eine Sonderumlage. Jedes Sondereigentum hat hierfür einen Betrag von 799,21 € zu zahlen. Der Betrag ist 14 Tage nach Beschlussfassung fällig. Eine Erstattung des überzahlten Betrags durch [den Rechtsanwalt] wird an die Eigentümer wieder ausgezahlt.“

Die Kläger richten sich mit ihrer Anfechtungsklage gegen den vorstehend unter zu TOP 4 gefassten Beschluss. Auf die erstinstanzliche Klageabweisung hin legten die Kläger mit Erfolg Berufung ein. Gegen dieses zweitinstanzliche, der Klage stattgebende Urteil wendet sich die beklagte GdWE mit ihrer Revision.

Mit Erfolg begehrt die beklagte GdWE die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Denn die Auslegung der Gemeinschaftsordnung ergibt nächstliegend nicht, dass ein obsiegender Anfechtungskläger im Rahmen der Kostenverteilung innerhalb der GdWE von der Beteiligung an den Prozesskosten auszunehmen ist. Dieses Ergebnis ist von dem verwendeten Begriff der „Verwaltungskosten,“ mit dem sich die Gemeinschaftsordnung lediglich auf den Gesetzeswortlaut bezieht, nicht gedeckt.

Nach dem Inkrafttreten des WEMoG zum 1. Dezember 2020 ist die GdWE als Verband der richtige Klagegegner einer Beschlussmängelklage; die Kosten des Verfahrens – sollte die GdWE unterliegen – sind daher als Kosten der Verwaltung gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 WEG zu qualifizieren. Wird keine abweichende Regelung getroffen, gilt der nach dem Gesetz vorgesehene Kostenverteilungsschlüssel: Jeder Wohnungseigentümer – und damit auch der obsiegende Anfechtungskläger – hat die Kosten nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.

Nach § 16 Abs. 2 S. 1 WEG zählen zu den Kosten der GdWE insbesondere die Kosten der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums. Mithin sind alle bei der Gemeinschaft anfallenden Kosten und damit auch die Kosten eines Prozesses, der nach dem seit dem 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen WEMoG gegen die GdWE zu führen ist, umfasst.

Die Umlage der Kosten auch auf die obsiegenden Kläger widerspricht daher nicht der Gemeinschaftsordnung. Zwar kommt den Klägern einer erfolgreichen Beschluss-mängelklage eine Art „Doppelrolle“ – einerseits als klagende Prozesspartei und andererseits als Mitglied der beklagten GdWE – zu, das Gesetz sieht jedoch eine Umlage auf alle Eigentümer unabhängig von deren Parteirolle vor. Dass auch die obsiegenden Kläger an den Prozesskosten beteiligt werden, entspricht ihrer Zugehörigkeit zum Verband, ihrer Stellung als Mitglied der GdWE.

Unerheblich ist es daher auch, ob den Klägern ein Anspruch auf eine Änderung des Verteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG zugestanden hätte. Grundsätzlich können die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG einen Beschluss fassen, der den obsiegenden Kläger von der Belastung mit den Prozesskosten im Innenverhältnis unter den Eigentümern ausnimmt. Dies bedarf jedoch einer gesonderten und ausdrücklichen Beschlussfassung. Da diese ebenso wenig wie eine Ersetzung des Schlüssels durch eine gerichtliche Entscheidung vorlag, entspricht nur die Anwendung des geltenden Kostenverteilungsschlüssels ordnungsmäßiger Verwaltung.

Der BGH konnte demnach im hiesigen Fall offenlassen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels dem einzelnen Eigentümer zukommt. Denn jedenfalls kann die rein theoretische Möglichkeit eines solchen Anspruchs nicht einredeweise im Rahmen einer Beschlussmängelklage geltend gemacht werden.

VERWALTERSTRATEGIE

Die Argumentation des BGH überzeugt: Fehlt eine anderslautende Regelung, ist der obsiegende Kläger an den Prozesskosten der unterlegenen GdWE zu beteiligen. Im Einklang mit der bis zum 30. November 2020 geltenden Rechtslage stellt der BGH klar, dass Prozesskosten, die der GdWE auferlegt wurden, auf all ihre Mitglieder umzulegen sind. Haben die Wohnungseigentümer keine anderweitigen Regelungen gefasst, sind alle Kosten der Gemeinschaft nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel umzulegen. Es ist demnach nur konsequent, dass auch die Rechtslage, wonach Anfechtungsklagen, Nichtigkeitsklagen und Beschlussersetzungsklagen gegen die GdWE als Verband zu richten sind, nichts an der Kostentragung aller Eigentümer ändert. Gegenteiliges können die Eigentümer nur durch eine vorherige Beschlussfassung erwirken. Hieran hat sich die Praxis zu orientieren. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf einen Beschluss zur Fassung eines abweichenden Kostenverteilungsschlüssels hat, hat der BGH ausdrücklich offen gelassen. Die Voraussetzungen dürften jedoch hoch anzusetzen und nur bei schwerwiegenden Gründen gegeben sein.

Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Unternehmensrecht
Kanzlei Bub Memminger & Partner, München
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