20.04.2018 Ausgabe: 3/2018

Auf der sicheren Seite?

Veränderungen an Wohngebäuden ziehen in der Regel auch die Anpassung der Brandschutzmaßnahmen nach sich.

Die Nutzung von Wohngebäuden verändert sich in der Regel über die Jahre. Eigentümer und Mieter nehmen individuelle Anpassungen vor, oft ohne hinreichende Planungsgrundlage und meist auch ohne dabei den Brandschutz zu berücksichtigen. Ein den aktuellen Gegebenheiten entsprechendes Konzept ist jedoch für die gesamte Dauer der Nutzung einer Immobilie vorzusehen und aufrechtzuerhalten. Hier gibt es keinen Bestandsschutz. Veränderungen am Gebäude oder seiner Nutzung erfordern die unverzügliche Nachrüstung notwendiger Brandschutzvorkehrungen. Das gilt für viele unterschiedliche Bereiche:

Anlagentechnik: Heizung, Lüftung und Elektrik

Im heutigen Gebäudebestand zeigt sich, dass bereits bei der Herstellung die Gebäudetechnik in Bezug auf den Brandschutz oft nicht fachgerecht ausgeführt wurde: Abschottungen von Kabeln und Leitungen durch Trennwände zwischen Brandabschnitten sind dann nicht fertiggestellt oder erst nachträglich eingebaut worden. Ein Zeichen dafür, dass die Ausführenden das Brandschutzkonzept gar nicht kannten. In der Folge sind Brandabschnitte nicht geschlossen, sondern durchgängig, sodass sich Brände unbegrenzt ausbreiten könnten. Die erforderliche Nachrüstung ist schwer umzusetzen und teuer. Typische Fälle sind:

  • Leitungsschächte in Bädern mit offenen Lüftungen
  • Offen verlegte Kabeltrassen in Treppenhäusern
  • Nicht berücksichtigte Elektroverteiler ohne geschlossenen Raum
  • Vom Heizraum bis in die Wohnung ohne Schottung verlegte Heizleitungen
  • Nachträglich im Gebäude verlegte Leitungen und Durchbüche

Die Tiefgarage

Grundsätzlich als Brandabschnitt geltende Tiefgaragen sind immer  ausreichend abzutrennen. Die jeweiligen Anforderungen bestimmen sich über die Größe der Garage und sollten bereits bei der Planung und Baugenehmigung berücksichtigt worden sein. Entsprechend können hier Veränderungen gar nicht akzeptiert werden: Dazu gehören die Abtrennung einzelner Stellplätze durch Tore, aber auch das Abstellen von Mülltonnen und die Lagerung von Geräten und Gegenständen.

Wärmedämmverbundsysteme an der Fassade

Fassadendämmungen müssen besonders hohe Anforderungen erfüllen. Mangelhafte Ausführungen können sich im Brandfall als „Stangenbenzin“ mit tödlicher Gefahr erweisen – wie der verheerende Vorfall in London zeigte. Um dies zu verhindern, sind im Wärmedämmverbundsystem (WDVS) Brandschutzriegel vorzusehen, für die seit 2016 strengere Vorschriften gelten. Hierfür sind im Wesentlichen drei Szenarien zu betrachten:

  • Beim Brand des Gebäudes können Flammen über das WDVS auf das Nachbargebäude übergreifen. Entsprechend gesetzte Brandriegel müssen diese Ausbreitung verhindern, zumindest eingrenzen.
  • Zu sogenannten Sockelbränden außerhalb des Gebäudes kommt es nicht nur leicht an Silvester, auch so manche brennende Mülltonne hat schon Fassaden in Brand gesetzt. Hier muss das Übergreifen der Flammen vom Sockel auf die Dämmung verhindert werden.
  • Bei Zimmerbränden wie überhaupt bei Feuer innerhalb des Gebäudes entwickeln sich schnell Vollbrände mit aus den Fenstern schlagenden Flammen. Ausreichende Brandabschottungen verhindern hier die Ausbreitung. Zudem sind Anleiterungen an der Fassade als zweite Rettungswege vorzusehen.

Die Ausführung eines WDVS muss daher nicht nur die Anforderungen der EnEV erfüllen, was vor Beginn der Maßnahme zu klären und in der Planung nachzuweisen ist. Bei Fertigstellung ist zudem der schriftliche Nachweis des Brandschutzes vom Planer und der ausführenden Firma an den Auftraggeber zu übergeben.

Damit Dämmungen aus Polystyrol als schwerentflammbar einzustufen sind, muss immer entsprechend geplant werden: Brandriegel sind zu integrieren, die weder Rauchentwicklung zeigen noch brennend abtropfen. Ausreichender Brandschutz bezieht hier den Aufbau der gesamten Wand mit ein, einschließlich der Kombination von Dämmstoff, Kleber und Außenputz sowie der Geome­trie des Hauses.

Emporen und Galerien in Wohnungen

Ausbauten von Speichern und Dachgeschossen erweitern immer häufiger die bewohnbaren Flächen. So entstehen Wohnungen mit Emporen und Galerien, die nicht als Brandabschnitt behandelt werden, solange gewährleistet ist, dass auch im hinteren Bereich einer Galerie eine Rauchentwicklung sofort wahrgenommen werden kann und beide Rettungswege der Wohnung auch von der Galerie aus zu erreichen sind. Galerieflächen sind daher auf maximal ein Drittel bis die Hälfte der jeweiligen Gesamtfläche einer Wohnung begrenzt. Wird eine Galerie vom Bewohner erweitert, sind für sie zusätzliche Rettungswege erforderlich, weil mit der Größe auch die Gefährdung steigt. Zudem müssen die Brandschutzversicherung und die Baugenehmigung angepasst werden.

Zugänge zu Kellern

Kellertüren sind Brandabschnitte zum Treppenhaus. Sie sind immer geschlossen zu halten – auch wenn es Bewohnern komfortabler erscheint, sie mit einem Türstopper offen zu fixieren, weil es das Rein und Raus mit Fahrrad oder Kinderwagen erleichtert.

Zugänge zu Speichern

Das Treppenhaus ist der erste Rettungsweg und muss daher vom Speicher ausreichend getrennt sein. Eine einfach Holzplatte, wie sie beispielsweise bei einschiebbaren Leitern als Zugang zum Speicher üblich ist, reicht hierfür nicht. Häufig muss nachgerüstet werden.

Dachausbauten und -aufstockungen

Werden ungenutzte Speicher zu Wohnzwecken ausgebaut, wird die Decke des neu hinzugewonnen Raumes zur obersten Geschossdecke des Hauses. Dies kann zur Einstufung in eine höhere Gebäudeklasse führen, für die ggf. strengere Brandschutzregelungen gelten. In der Folge sind entsprechende Rettungswege nachzuweisen: Das Treppenhaus und der Einstieg in den Speicher sind nachzurüsten, der Rauchabzug im höheren Treppenhaus muss funktionieren und die Anleiterung der Feuerwehr ist zu ermöglichen. Hier ist immer im Vorfeld zu klären, welche Maßnahmen zur Anpassung des Brandschutzes ein Ausbau des Speichers oder auch die Erweiterung einer Wohnung um eine Dachterrasse nach sich ziehen. Eigentümergemeinschaften müssen sich dessen bewusst sein, dass dies immer mit Eingriffen ins Gemeinschaftseigentum einhergeht, von einer individuellen Veränderung lediglich im Sondereigentum kann keine Rede sein.

Praxistipp

Eigentümergemeinschaften gilt Brandschutz häufig nur als Kostenfaktor. Die Vorgaben der Bauordnungen dienen jedoch durchaus dem Schutz von Leib und Leben – zudem von Kapital. Es ist insofern anzuraten, Eigentümer bei geplanten Veränderungen an der Gebäudesubstanz über die Konsequenzen für den Brandschutz gründlich aufzuklären. Zudem sollte man sich ein umfassendes Bild von den aktuellen Gegebenheiten machen: im Rahmen einer Feuerbeschau vor Ort und durch Nachfrage bei der Brandschutzversicherung, ob Risiken angemessen gedeckt sind.

Foto: © SerPhoto / Shutterstock.com


Huss, Andrea

Die Architektin ist Sachverständige für die Energieeinsparverordnung. Ihr Ingenieur-Büro Archi. Net Ingenieur Service hat sich auf die wirtschaftliche Sanierung von Gebäudehülle und Haustechnik für Wohnen, Gewerbe und öffentliche Bauten spezialisiert.
www.archi-net.info