11.10.2021 Ausgabe: 6/21

Aus die Maus! Was, wenn Verwaltungen vorzeitig abberufen ­werden? Eine juristische Betrachtung.

Die Neuregelung des § 26 Abs. 3 S. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) erleichtert es Wohnungseigentümern, sich von ihrer Verwaltung zu trennen, weil das Vorliegen eines „wichtigen Grundes zur Abberufung“ als Voraussetzung nicht mehr erforderlich ist und Abweichendes nicht mehr vereinbart werden darf.

Das Risiko, eine Bestellung vorfristig zu verlieren, ist damit für Verwaltungen gestiegen, und es trifft sie vor allem dann hart, wenn die Erstbestellung erst kürzlich erfolgte, sodass der mit der Übernahme verbundene Aufwand sich noch gar nicht amortisieren konnte. Ob die Neuregelung nun tatsächlich zu mehr Fluktuation führt, bleibt abzuwarten. Sicher ist: Mit jedem Verwalterwechsel geht wichtiges, oft über Jahre erworbenes Wissen über die betreute Wohnanlage, die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und ihre Mitglieder verloren. 

Pflichten der Eigentümergemeinschaft
Soll eine WEG kurzfristig in einen Verwaltungsbestand übernommen werden, ist Folgendes zu beachten: Die WEG verpflichtet sich regelmäßig, die neue Verwaltung in den Besitz der Verwaltungsunterlagen zu bringen, um die Aufnahme der Verwaltertätigkeit überhaupt zu ermöglichen. Sie muss auch ihren Anspruch auf Herausgabe des Verwaltungsvermögens gegen die Vorverwaltung geltend machen, die dazu nach § 667 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet ist. Weil dieser Anspruch gemeinschaftsbezogen ist, steht er nach überwiegender Meinung nur der WEG, nicht der neuen Verwaltung zu. Das aber erfordert einen Beschluss zur ggf. auch gerichtlichen Geltendmachung des Herausgabeanspruchs – wozu es wegen der verbreiteten, aber irrigen Annahme, die abberufene Verwaltung habe wegen etwaiger Ansprüche gegen die WEG das Recht, die Unterlagen einzubehalten, häufig kommt.

Vergütungsanspruch und Fristen
Verwaltungen sind daher gut beraten, variable Vergütungen für besondere Leistungen zeitnah abzurechnen, um sie im Falle einer unvorhergesehenen Abberufung nicht übereilt in Rechnung stellen zu müssen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Neuregelung der Fortgeltung des Verwaltervertrages nach der Abberufung für die Dauer von bis zu sechs Monaten in § 26 Abs. 3 S. 2 WEG. Wird eine Verwaltung also vorfristig abberufen, bleibt ihr Vergütungsanspruch in der Regel darüber hinaus bestehen, selbst wenn keine Leistungen erbracht werden können, weil die Abberufung nicht mehr angegriffen werden kann. Streitbefangen wird hier sicherlich sein, für wie viele Monate die Vergütung noch berechnet werden kann und inwieweit ersparte Aufwendungen gegenzurechnen sind, § 615 BGB. Insgesamt drängt sich dabei die Frage auf, ob damit die Diskussion über das Vorliegen eines von der Verwaltung zu vertretenden Grundes für die Abberufung nicht wieder auflebt, was den erklärten Willen des Gesetzgebers, unerfreuliche Streitigkeiten zu vermeiden, konterkarieren würde.

Zumindest in einem Punkt entspannt sich die Situation: Die abberufene Verwaltung kann aus eigenem Recht nicht mehr gegen einen Abberufungsbeschluss vorgehen, da dieser jetzt jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes gefasst werden kann; Auseinandersetzungen über die Gültigkeit werden sich in aller Regel erübrigen.

Was herauszugeben ist
Die ausscheidende Verwaltung hat alles herauszugeben, was im Laufe ihrer Bestelldauer in ihren Besitz gelangt und Gegenstand des Verwaltungsvermögens der jeweiligen Gemeinschaft ist:

■ sämtliche Sachwerte (Rasentraktoren, sonstige Gerätschaften etc.)

■ eingenommene Gelder auf sämtlichen ­Konten der WEG, ggf. Sicherheitsleistungen wie ­Mietkautionen 

■ Schlüssel

■ sämtliche Verwaltungsunterlagen, wie

    ■Bau- und Planunterlagen

    ■Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung, Hausordnung 

    ■Eigentümerliste, Stammdaten

■ Buchhaltung, Kontoauszüge, Rechnungen und Belege in geordneter Form, Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne

■ Versammlungsniederschriften, ­Beschlusssammlung 

■ sämtliche Verträge über ­Dauerschuldverhältnisse

■ Versicherungspolicen 

■ Arbeitsverträge und Lohnsteuerunterlagen 

■ Bedienungsanleitungen und sonstige ­technischen Beschreibungen 

■ Wartungsbücher für technische Anlagen und Einrichtungen 

■ Schließ- und Schlüsselpläne 

■ Akten über sämtliche Rechtsstreite 

■ Korrespondenz mit Dritten 

■ Korrespondenz mit Wohnungseigentümern 

■ Verwaltervollmacht, soweit erteilt 

Die neue Verwaltung trifft die Pflicht zur Abholung bei der Vorverwaltung, die lediglich einen geeigneten und zumutbaren Termin dafür ermöglichen muss, da es sich nach herrschender Meinung um eine sogenannte Hol-, nicht um eine Bringschuld handelt. Gut beraten sind Vorverwaltungen, genau zu dokumentieren, welche Unterlagen in welchem Umfang der neuen Verwaltung übergeben wurden. Verweigert die abberufene Verwaltung die ordnungsgemäße Herausgabe, kann die WEG in Form der Stufenklage dagegen vorgehen. Sie zielt da­rauf ab, Auskunft über den Bestand des WEG-Vermögens einschließlich der vorhandenen Verwaltungsunterlagen zu erhalten und die Herausgabe des Vermögens sowie der Verwaltungsunterlagen zu erreichen sowie die Zahlung von Schadensersatz, z. B. für die Ersatzbeschaffung vorenthaltener oder nicht mehr auffindbarer Unterlagen und nicht vorhandener, aber nachgewiesener Vermögenswerte (zumeist fehlender Erhaltungsrücklage). Verlangt werden kann auch, dass die ausgeschiedene Verwaltung die Richtigkeit ihrer Angaben eidesstattlich zu versichern hat. Hierbei ist darauf zu achten, dass auch die „faktische“ Verwaltung, die also Verwaltungstätigkeiten ohne organschaftliche Bestellung erbracht hat, insoweit in Anspruch genommen werden kann, auch und sogar dann, wenn sie dafür keine Vergütung erhalten hat. Das Hauptproblem besteht nämlich häufig darin, die fehlenden Unterlagen und sonstiges Verwaltungsvermögen so dezidiert zu bezeichnen, dass das Urteil hinreichend bestimmt, schlüssig und damit auch vollstreckungsfähig wird. 

Besondere Maßnahmen
Im Falle besonderer Eilbedürftigkeit käme ausnahmsweise auch eine einstweilige Verfügung, z. B. auf Vorlage unbedingt notwendiger Unterlagen, infrage, im Original befristet, als Abschrift unbefristet. Das gilt im Zweifel auch für Dateien, die als Teil der Verwaltungsunterlagen von der ausgeschiedenen Verwaltung erstellt, aber nicht herausgegeben wurden.

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat gegen die Vorverwaltung einen Anspruch auf Herausgabe dieser Dateien, der sich aus dem vormals bestehenden Verwaltervertrag ergibt: Eine Verwaltung ist bei Beendigung des Verwaltervertrags regelmäßig verpflichtet, alle sich auf das Wohnungseigentum beziehenden Unterlagen herauszugeben. Dieser Anspruch ergibt sich gleichermaßen aus § 667 BGB: Ein Beauftragter ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben. Hierzu zählen nach allgemeiner Ansicht auch die Unterlagen, die ein WEG-Verwalter im Zuge seiner Tätigkeit angelegt bzw. erhalten hat, Bayrisches Oberlandesgericht v. 23.3.2001, 2Z BR 6/01, NZM 2001 S. 469. Die Herausgabepflicht bezieht sich nicht nur auf die im Zuge der Verwaltertätigkeit in Papierform erhaltenen und angelegten Unterlagen, sondern auch auf in der EDV angelegte Dateien. Denn nach der Rechtsprechung ist jeder Vorteil, den ein Beauftragter aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft erlangt bzw. erhalten hat, i. S. v. § 667 BGB als aus der Geschäftsbesorgung „erlangt“ anzusehen. Insofern zählen zu den nach § 667 BGB erhaltenen Unterlagen auch die von einem Beauftragten über die Geschäftsbesorgung selbst angelegten Akten, sonstige Unterlagen und auch Dateien.

Dass ein Verfügungsgrund, also eine besondere Eilbedürftigkeit, vorliegt, hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer darzulegen und glaubhaft zu machen. Zu denken ist hier an die dringliche Notwendigkeit der Erstellung und Vorlage einer Jahresabrechnung, die Aufstellung des Wirtschaftsplans für kommende Jahre, der für die Erhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Eigentümergemeinschaft von grundlegender Bedeutung ist, oder die Verfolgung von Ansprüchen gegen außenstehende Dritte, beispielsweise von Mängelansprüchen gegen den Bauträger.

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Schwarz, Marco J.

Der Rechtsanwalt Marco J. Schwarz ist Justitiar des VDIV Bayern und in der Kanzlei Schwarz, Thönebe & Kollegen in München tätig.