19.07.2018 Ausgabe: 5/2018

Barrierefrei & sicher: Zu- und Aufgänge

Aufzüge in der Modernisierung und Nachrüstung

Die Planung von barrierefreien Quartieren nebst entsprechenden Zugängen steht bei Immobilien seit Jahren im Fokus, nicht zuletzt der gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet. Der demografische Wandel vollzieht sich nachweislich und wird in den nächsten Jahrzehnten zu einem weiteren Umdenken führen müssen, auch vor dem Hintergrund, dass ein selbstbestimmtes Leben im Alter für Menschen immer wichtiger wird und die Gesellschaft aktuell noch keine passenden Antworten auf die Versorgungslücke im Pflegebereich hat. Außerdem gelten diese Ansprüche selbstverständlich auch für Menschen mit Handicap.

Mit Blick auf Zu- und Aufgänge muss im ersten Schritt der Eingangsbereich einer Immobilie frei von Stufen zu passieren sein, was erstaunlicherweise bei Weitem keine Selbstverständlichkeit ist, und selbst wenn keine Stufen zu überwinden sind, gibt es nicht selten Schwellen, die sich als Pro­blem für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator herausstellen. Bei dem dargestellten Problem handelt es sich jedoch nur um ein Blitzlicht oder die Spitze des Eisbergs, denn es gibt Personen mit unterschiedlichsten Handicaps, die jeweils individuelle Lösungen erfordern. Damit wird klar, wie komplex ein auf den ersten Blick eher ­einfaches Thema ist.

Bei der Planung von Aufzügen gilt es, zunächst die bereits angesprochene Pro­blematik in Erfahrung zu bringen. Im nächsten Schritt ist die bestimmungsgemäße Nutzung der Immobilie nebst dem Kreis der Nutzer zu definieren, schließlich werden damit Personenkreise bereits in der Planungsphase ausgeschlossen, was wiederum direkten Einfluss auf die weitere Auslegung des Aufzugs hat. Weiterhin müssen alle Geschosse angebunden werden, die für das tägliche Leben erreicht werden müssen, soll das Gebäude barrierefrei zugänglich sein. In Bezug auf die technische und normative Auslegung des Aufzugs muss in Abgleich mit Personenkreis und voraussichtlicher Nutzung der Typ mit Antriebsart und Geschwindigkeit gewählt werden. Das bedeutet, dass die Entscheidung entweder auf einen Aufzug gemäß Aufzugsrichtlinie 2014/33/EU mit Geschwindigkeiten oberhalb 0,15 m/s fällt, die häufigsten Antriebsarten sind hier Hydraulik oder Seil, oder ein Aufzug gemäß Maschinenrichtlinie 2006/42/EG mit unterschiedlichsten Antriebsarten zum Einsatz kommt. Diese Differenzierung hat in der Praxis erheblichen Einfluss auf diverse Merkmale, wie zum Beispiel Ausstattung, Komfort, Geschwindigkeit (wie bereits erwähnt) und ­Kosten (auch im Unterhalt), um nur einige zu nennen. Hilfestellungen gibt es hier von normativer Seite vorrangig durch die EN 81-Reihe, wobei deren jeweilige Harmonisierung unter den benannten EU-Richtlinien zu beachten ist. Bei der Verwendung einer harmonisierten Norm wird die Vermutung ausgelöst, dass die Anforderungen der korrespondierenden EU-Richtlinie erfüllt werden, was für Markt­zulassungen unerlässlich ist.

Mit Blick auf die Themenschwerpunkte Aufzugsrichtlinie 2014/33/EU in Verbindung mit Barrierefreiheit sind im direkten Bezug die Papiere EN 81-70 „Besondere Anwendungen für Personen- und Lastenaufzüge, Zugänglichkeit von Aufzügen für Personen, einschließlich für Personen mit Behinderungen“ zu benennen, hier findet man konkrete Anforderungen an technische Ausstattungsmerkmale. Das Papier steht momentan als Entwurf zur Verfügung und wird zeitnah als finale Version veröffentlicht. Eine weitere Hilfe stellt die technische Spezifikation CEN/TS 81-76 „Personenaufzüge für die Evakuierung von Personen mit Behinderungen“ zur Verfügung. Explizit für Modernisierungen darf hier die EN 81-82 „Regeln für die Erhöhung der Zugänglichkeit von bestehenden Aufzügen für Personen einschließlich Personen mit Behinderungen“ nicht ­unerwähnt bleiben.

Schon beinahe selbstverständlich gibt es für den Themenschwerpunkt Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in Verbindung mit Barrierefreiheit auch näher zu benennende Normen, hier seien die EN 81-40 „Treppenschrägaufzüge und Plattformaufzüge mit geneigter Fahrbahn für Personen mit Behinderungen“ und EN 81-41 „Vertikale Plattformaufzüge für Personen mit eingeschränkter Beweglichkeit“ erwähnt. Auch diese Papiere stehen aktuell als Entwürfe zur Verfügung und werden im Sommer beziehungsweise Herbst 2018 als finales Papier erwartet. Weiterhin arbeitet das CEN/TC 10, also das zuständige ­Technische Komitee für die EN 81-Reihe an einer weiteren Norm zum Thema, der EN 81 – 42 „Vertikale Hebezeuge mit geschlossenem Lastträger für Personen und Personen mit Behinderung“, eine Vorhersage für das Erscheinen ist noch schwierig.

Beim Blick über den Tellerrand könnte hier auch noch die VDI 6008-Richtlinienreihe „Barrierefreie Lebensräume“ von Interesse sein, beschäftigt sie sich doch im Grundsatz mit den Anforderungen an barrierefreies Bauen, allerdings stehen hier noch nicht alle Blätter zur Verfügung, das Blatt 4 „Möglichkeiten der Aufzugs- und Hebetechnik“ steht bereits zur Überarbeitung an.
Soviel zur Theorie, in der Praxis müssen unterschiedlichste äußere Rahmenbedingungen beachtet werden, wozu häufig auch die zur Verfügung stehenden Platzverhältnisse bei der Nachrüstung von Aufzügen zählen. Außerdem gilt es, der geografischen Ausrichtung nebst technischer Ausrüstung in diesem Bezug Beachtung zu schenken. In einem Glasaufzug, der nach Süden zeigt, kann es selbst in Nordeuropa im Hochsommer zu erheblichen Temperaturen kommen, den Unglücksfall des Eingeschlossenseins noch nicht einmal fokussiert.

Bei der Barrierefreiheit von Zu- und Aufgängen mit Aufzügen können die zu beachtenden Rahmenbedingungen denkbar komplex sein, insbesondere im Zuge der Modernisierung und Nachrüstung von Immobilien im öffentlichen Bereich und Wohnungsbau. Hier werden immer wieder aufgrund des zur Verfügung stehenden Bestands Grenzen gesetzt, die, wenn überhaupt möglich, nur mit erheblichen Kosten überwunden werden können. Zur Auflösung solcher Pro­blematiken bedarf es in der Regel erfahrener Fachplaner und Hersteller, die in Kooperation mit den beteiligten Gewerken und nicht zuletzt dem Eigner der Immobilie sinnvolle Lösungen erarbeiten.

Foto: © LuckyViewfinder / Shutterstock.com


König, Dipl.-ing. Jan

Der Technische Referent im Verband für Aufzugstechnik, VFA-Interlift e. V., ist Mitglied in allen Normungsgremien des Verbands und in VDI-Ausschüssen tätig. International arbeitet er in Brüssel beim Europäischen Aufzugsverband ELA mit.
www.vfa-interlift.de