11.03.2020 Ausgabe: 1/20

Berliner Mietendeckel: Verstoß gegen das Grundgesetz?

Experten erwarten auch bei Nachbesserung ein S­cheitern vorm Verfassungsgericht.
Ende November vergangenen Jahres hat der rot-rot-grüne Senat den Gesetzentwurf zum umstrittenen Mietendeckel beschlossen – trotz unklarer Rechtslage. Bereits im Sommer wiesen die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in einer Ausarbeitung darauf hin, dass eine solche Regelung juristisch fragwürdig sei. Das Bundesinnenministerium ist sogar der Meinung, dass der Mietendeckel in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz verstößt.

In einem aktuellen Gutachten des Ministeriums heißt es, dass mit dem Gesetz zwar der Verdrängung weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen entgegengewirkt werden soll, was im öffentlichen Interesse sei. Allerdings sei das Land Berlin „kompetenzrechtlich gehindert“, Gesetze zur Mietenbegrenzung zu erlassen. Da der Bund mit der Regelung des Mietpreisrechts auf dem freien Wohnungsmarkt von seiner Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz (GG) abschließend Gebrauch gemacht habe, sei die Mietpreisbegrenzung bereits durch den Bund „umfassend und abschließend“ geregelt worden.

Eingriff in Eigentumsfreiheit der Wohnungseigentümer
Das Ministerium bemängelt zudem, dass der Mietendeckel in die vom Grundgesetz geschützte Eigentumsfreiheit der Wohnungseigentümer und ihre Vertragsfreiheit eingreift. Es sei zweifelhaft, ob gesetzlich geschützte Interessen der Eigentümer derart in den Hintergrund gestellt werden dürfen. Hinzukomme, dass sich der Mietenstopp auf alle Vermieter auswirke, sodass auch solche Anbieter erfasst würden, die bislang geringe Mieten verlangt hätten.

Erhebliche Bedenken wurden auch im Dezember bei der Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus geäußert. Alle sechs geladenen Juristen sahen zumindest Nachbesserungsbedarf, die Hälfte von ihnen zeigt sich überzeugt, dass das Gesetz spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern wird. Kritisch beurteilt wurde u. a. das rückwirkende Einfrieren der Mieten auf dem Niveau vom 18. Juni 2019, dem Tag, an dem der Senat den Mietendeckel beschlossen hatte. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses sei dieses Vorgehen aus rechtsstaatlichen Gründen nicht unbedenklich.

CDU kündigt juristische Schritte an
Ende November wurde auf dem Bundesparteitag der Union beschlossen, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Normenkon­trollklage vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen soll. Laut Dr. Jan-Marco Luczak, Mietrechtsexperte und stellvertretender rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hilft der Mietendeckel „den Menschen nicht, er schadet ihnen. Er verhindert dringend benötigten Neubau und verschärft so das Problem steigender Mieten.” Auch ein Antrag auf einstweilige Anordnung, den Vollzug des Mietendeckels auszusetzen, wird in Erwägung gezogen.

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln warnte jüngst, dass das Gesetz die Nachfrage nach dem ohnehin knappen Wohnraum in Berlin weiter erhöhen werde. Auch Auswirkungen auf den Neubau werden befürchtet, da bei Investoren die Unsicherheit groß ist, ob die Ausnahmen für den Neubau langfristig gelten. Zudem würden Sanierungen erschwert, weil diese nicht mehr über Mieterhöhungen finanziert werden könnten – was auch negative Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft hätte.

Die für eine Normenkontrollklage benötigte Unterstützung von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten ist laut Luczak reine Formsache. Auch die FDP steht dem Mietendeckel kritisch gegenüber. Die beiden Fraktionen, die gemeinsam das notwendige Quorum für die Normenkontrollklage erreichen, stehen hierzu miteinander im Austausch.

Übrigens: Bereits im November vergangenen Jahres riet Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) allen Mietern, im Falle von Mietsenkungen die eingesparten Beträge zur Seite zu legen, und plant hierzu eine Aufklärungskampagne vor Einführung des neuen Gesetzes. Derzeit geht der Senat davon aus, dass es im 1. Quartal 2020 in Kraft treten kann.

Foto: © Grand Warszawski / Shutterstock.com


Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland