03.06.2014 Ausgabe: 4/2014

Beschlossen, aber auch ordnungsgemäß?

Über die Beschlusskompetenz von Wohnungseigentümergemeinschaften zur Kreditaufnahme und die Grenzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Viele Wohnungseigentümergemeinschaften stehen vor dem Problem, Instandsetzungsmaßnahmen an Kernbestandteilen des Gebäudes wie Dach, Fassade, Heizung, Tiefgarage etc. aus den laufenden Finanzmitteln kaum finanzieren zu können. Sind bei der Durchführung besonderer Instandsetzungsmaßnahmen auch noch die Vorgaben der Energieeinsparungsverordnung zu beachten, verteuern sich die Maßnahmen in der Regel enorm. Was die Gemeinschaften überdies belastet, sind die Preissteigerungen für Bauleistungen in den vergangenen Jahren. So stellt sich immer häufiger die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt ist, im Beschlusswege eine Entscheidung über eine Kreditaufnahme zu treffen. Das Wohnungseigentumsgesetz selbst sieht diese Variante der Finanzierung nicht vor.

Liquiditätsengpässe überbrücken

Damit die Gemeinschaft über die erforderlichen Mittel zur laufenden Bewirtschaftung verfügen kann, sieht das Wohnungseigentumsgesetz die Verpflichtung zu monatlichen Hausgeldvorauszahlungen vor, über die nach Abschluss des Kalender- oder Wirtschaftsjahrs abzurechnen ist. Die daraus resultierende Verpflichtung des Verwalters zur Aufstellung eines Wirtschaftsplans, zur Erstellung der Jahresabrechnung und zur jederzeitigen Rechnungslegung ergibt sich aus § 28 WEG. Reichen die geplanten Mittel für erforderliche Instandsetzungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen nicht aus, muss die Erhebung einer Sonderumlage beschlossen werden. Gemäß § 16 Abs. 2 WEG zählen zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums insbesondere die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung. Auf entsprechende Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung kann der Verwalter ermächtigt werden, zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe ein Darlehen in begrenzter Höhe aufzunehmen. Kreditnehmerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst. Nach der bisherigen Rechtsprechung genügt ein solcher Beschluss aber nur dann den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sich die Darlehenssumme im Verhältnis zur Summe der Hausgeldzahlungen aller Wohnungseigentümer in einem bestimmten Rahmen hält, der ungefähr drei Monaten entspricht. (Bayerisches Oberstes Landgericht, 30. Juni 2004,2 Z BR 058/04; OLG Hamm, 28.11. 1991,15 WE 169/91; Landgericht Köln, 20. August 2010,29 S 177/09; Kammergericht Berlin, 6. März 1985,24 W 2695/84)
Die Frage, ob auch die Kosten von Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung, ferner der Energetischen Sanierung durch Kreditaufnahme finanziert werden dürfen, ist nach wie vor umstritten und höchstrichterlich bislang nicht entschieden.

BGH bejaht Beschlusskompetenz der WEG

Klarheit über den Streitpunkt schaffte der BGH mit der Entscheidung BGH NJW Z WE 2013,27. Grundsätzlich verfüge die Wohnungseigentümerversammlung über Beschlusskompetenz, einen Kreditvertrag abzuschließen. Der BGH musste sich in der zitierten Entscheidung allerdings nur mit der Frage auseinandersetzen, ob die Beschlusskompetenz überhaupt besteht, denn der Beschluss war bereits bestandskräftig. Nicht zu klären hatte das Gericht indessen, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Finanzierungsbeschluss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung genügt. Anhaltspunkte, wann ein Kreditbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, bieten Entscheidungen einiger Instanzengerichte, die mit dem BGH die Beschlusskompetenz bejahen.

Instanzgerichte stellen auf Finanzie­r­ungszweck und -konditionen ab.

Zuletzt lehnte das LG Bielefeld mit der Entscheidung vom 15. Juni 2011-23 T 442/10, MietRB 2011,387 die Zulässigkeit einer Darlehensaufnahme ab. Die Entscheidung orientiert sich streng dogmatisch an § 28 WEG, wonach die Mittel für die Bewirtschaftung des Gemeinschaftseigentums ausschließlich von den Wohnungseigentümern aufzubringen seien. Das LG Bielefeld erachtete einen dagegen verstoßenden Beschluss indessen nicht als nichtig, sondern lediglich als anfechtbar. Dieser Auffassung folgte das Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 19. Juli 2011-11 S75/10, MietRB 3/12,80 f.: Ein Beschluss über die Darlehensaufnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht nichtig. Ein Anspruch auf nachträgliche Haftungsfreistellung aus der bestandskräftig beschlossen und durchgeführten Kreditaufnahme bestehe nicht. Für die Entscheidung über eine Kreditaufnahme bedarf es nicht einer einstimmigen, sondern einer mit einfacher Mehrheit zu treffenden Entscheidung gemäß § 21 Abs. 3. Mit der zitierten Entscheidung verabschiedet sich das LG Karlsruhe von der bisher streng konservativen Haltung in der Rechtsprechung. Es stellt das Gesamtinteresse aller Wohnungseigentümer in den Vordergrund seiner Betrachtung. Die bei dem sehr niedrig zu verzinsenden KfW-Darlehen anfallenden Zinsen sollen sich beim Kläger in der Regel durch eine zinsbringende Anlage des (eingesparten) Eigenkapitals kompensieren lassen. Hinzu komme, dass die Möglichkeit der Gemeinschaft, einen günstigen Kredit zu erhalten, abhängig sei von der Zahl der beteiligten Eigentümer, auf die sich die Haftung verteile.
Unlängst hatte sich das LG Düsseldorf (Z WE 1-2/2014) mit der Frage der ordnungsgemäßen Verwaltung eines Beschlusses zu befassen. Die Versammlung hatte beschlossen, eine Instandsetzungsmaßnahme über die Rücklage sowie eine Sonderumlage zu finanzieren. Den Wohnungseigentümern sollte es freistehen, die Sonderumlage zu leisten. Der Differenzbetrag sollte durch die Aufnahme eines Kredits aufgebracht werden. Der Kredit beläuft sich über 180.000 Euro bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Das Gericht stellte darauf ab, ob es sich bei der Instandsetzungsmaßnahme um eine dringend unmittelbar auszuführende handelt, weil ein Zuwarten zur Intensivierung der Schäden und Verteuerung der dann notwendigen Maßnahmen führen würde. In diesem Fall erweise sich die Kreditierung als ordnungsgemäß. Ferner stellte das Gericht klar, dass der Wohnungseigentümerversammlung ein eigenes Ermessen zukommt, wie sie eine Instandsetzungsmaßnahme finanziert. Zu berücksichtigen seien die Kreditkonditionen, die Belastung der einzelnen Wohnungseigentümer und andere Finanzierungsmöglichkeiten. Auch seien die Wohnungseigentümer, die die Sonderumlage leisten, was schließlich zur Reduzierung der Darlehenssumme führt, nicht dadurch zu benachteiligen, dass sie gemäß § 10 Abs. 8 WEG gegenüber dem Kreditinstitut haften. Abschließend erachtete das Gericht auch die Laufzeit des Vertrages als angemessen. Das LG Düsseldorf stellt für die Praxis brauchbare Prüfkriterien auf, die bei der Entscheidung über die Kreditaufnahme beachtet werden sollten. Insgesamt muss den Wohnungseigentumsverwaltern weiterhin geraten werden, die Kreditaufnahme erst nach Bestandskraft des Beschlusses umzusetzen bzw. in die Beschlussfassung aufzunehmen, dass der Kredit gegebenenfalls erst nach Rechtskraft eines eventuellen Anfechtungsverfahren umgesetzt werden soll. Denn das letzte Wort in Sachen ordnungsgemäßer Verwaltung hat der BGH bislang nicht gesprochen.

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Volpp, Stephan

Der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Justiziar des VDIV Baden-Württemberg. Volpp ist Dozent bei der Akademie der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Baden-Württemberg und Mitglied des Prüfungsausschuss ­Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei der Rechtsanwaltskammer Stuttgart.