12.10.2018 Ausgabe: 7/2018

Betriebskostenabrechnung nach tatsächlicher Wohnfläche

(BGH, Urteil vom 30.5.2018, Az. VIII ZR 220/17)

Das Thema

Die vertraglich vereinbarte Mietfläche hat Auswirkungen in sehr vielen Bereichen. Im Jahr 2004 hat sich der BGH auf die Linie festgelegt, dass zwischen der mietvertraglich vereinbarten Fläche und der tatsächlichen Wohnfläche eine Schwankungsbreite von +/− 10 Prozent bestehen darf (dies gilt ebenso im Gewerbemietrecht). Im Folgenden blieb in verschiedenen Themenfeldern streitig, zu welchen Auswirkungen diese Schwankungsbreite führt, so zum Beispiel bei einer Mietminderung, bei einer gesetzlichen Mieterhöhung ebenso wie bei der Abrechnung von Nebenkosten. Zum Thema Nebenkosten hatte der BGH zunächst (mit Urteil vom 31.10.2007, Az. VIII ZR 261/06) entschieden, dass auch diese nach der vereinbarten Wohnfläche abgerechnet werden können, wenn die tatsächliche Wohnfläche im Rahmen des aufgezeigten Korridors von +/− 10 Prozent bleibt. Hinsichtlich der gesetzlichen Mieterhöhung ist der BGH von dieser Linie bereits vor drei Jahren (mit Urteil vom 18.11.2015, Az. VIII ZR 266/14) abgerückt und hat die gesetzliche Mieterhöhung nach der tatsächlich vorhandenen Wohnfläche bemessen. Nun hatte der BGH Gelegenheit, dies auch für die Nebenkostenabrechnung zu klären. Mit der vorliegenden Entscheidung ändert der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur Abrechnung von Nebenkosten. Nebenkosten, insbesondere Heizkosten, müssen ebenfalls nach der tatsächlichen und vertraglich ausgewiesenen Fläche abgerechnet werden, und nicht nach der davon möglicherweise abweichenden vereinbarten Wohnfläche.

Der Fall

Die Parteien hatten im Mietvertrag eine Wohnfläche von 74,59 qm vereinbart. Später stellte sich heraus, dass die Wohnfläche tatsächlich 78,22 qm betrug und damit nicht mehr als 10 Prozent vom ursprünglich Vereinbarten abwich. Der Vermieter rechnete daraufhin die Heizkosten nach der tatsächlichen Quadratmeterzahl ab, und der Mieter verweigerte die Zahlung der dadurch erhöhten Nebenkosten in Höhe von 42,46 Euro, worüber letztendlich der BGH zu entscheiden hatte.

Der BGH präzisiert zunächst (erneut) seine Rechtsprechung zur Mietflächenabweichung auf +/− 10 Prozent. Dieser Korridor betrifft nur die Frage der Mietminderung. Eine wesentliche Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit und damit eine Mietminderung ist erst ab einer Abweichung von zehn Prozent zur tatsächlichen Wohnfläche anzunehmen.

Allerdings bedeutet dies nicht, dass die vertraglichen Vereinbarungen (und die zulässige Schwankungsbreite) in jedem Falle zugrunde zu legen wären, in dem die Flächengröße ein notwendiger Beurteilungsmaßstab ist. Der BGH greift hierzu zunächst auf seine Entscheidung zur gesetzlichen Mieterhöhung von 2015 zurück. Hier sollen nach dem Willen des Gesetzgebers allein objektive Maßstäbe, insbesondere der objektive Wohnwert maßgeblich sein, der sich ausschließlich nach der tatsächlichen Wohnfläche, nicht nach der vereinbarten Wohnfläche bestimmt.

Gleiches gilt auch für Betriebskosten, jedenfalls soweit diese nach gesetzlichen Vorgaben, zum Beispiel § 556a BGB und insbesondere § 7 Abs. 1 Heizkostenverordnung, nach der Wohnfläche abzurechnen sind. Objektiv entstandene Kosten, die mehrere Mieter treffen, sollen nach einem objektiven Abrechnungsmaßstab umgelegt werden. Subjektive Vorstellungen einzelner Mietvertragsparteien, die beispielsweise bei der Vereinbarung der Wohnfläche unabhängig von der tatsächlichen Wohnfläche ihren Ausdruck gefunden haben, sollen hier nicht zum Tragen kommen. Dies gilt durchaus auch vor dem Hintergrund, dass eine absolute Verteilungsgerechtigkeit durch die Betriebskostenabrechnungen möglicherweise nie erreichbar sein wird. Die Abrechnung nach tatsächlicher Fläche und damit nach einem objektiven Maßstab entspricht nach Auffassung des BGH auch dem vielfachen Verweis in der Heizkostenverordnung auf die „Regeln der Technik“.

Verwalter­strategie

Die Entscheidung stellt klar, dass die üblichen Beschaffenheitsvereinbarungen im Mietvertrag hinsichtlich der Wohnfläche nicht mehr Grundlage für die Heiz- und Betriebskostenabrechnung sein können, wenn eine davon abweichende tatsächliche Wohnfläche festgestellt ist. In diesem Fall muss die tatsächliche Wohnfläche herangezogen werden, unabhängig davon, welche Partei hierdurch begünstigt wird. Unklar bleibt allerdings nach dieser Entscheidung, ob es weiterhin zulässig ist, im Mietvertrag ausdrücklich eine bestimmte, der Heiz- und Betriebskostenabrechnung zugrunde zu legende Fläche zu vereinbaren, die (möglicherweise) von der tatsächlich vermieteten Fläche abweicht. Dies mag sicherlich zwischen den Vertragsparteien zulässig sein, benachteiligt aber möglicherweise andere Mieter und entspricht möglicherweise auch nicht dem objektiven Zweck der zwingenden Heizkostenverordnung. Hierüber hat der BGH keine Entscheidung getroffen; solche Vereinbarungen werden aber in Zukunft mit großer Vorsicht und gleichmäßig gegenüber allen ­Mitmietern einer Wirtschaftseinheit zu handhaben sein.

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Janze, Kristin

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

KRISTIN JANZE
Die Rechtsanwältin ist bei Arnecke Sibeth Dabelstein, München, schwerpunktmäßig auf den Gebieten des privaten Baurechts und des WEG-Rechts tätig.
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