10.03.2022 Ausgabe: 2/22

Bitte recht freundlich! - Warum es zur Zufriedenheit des Personals und zum Imagegewinn des Unternehmens beiträgt, Grenzen zu ziehen.

Stehen fest hinter ihrem Team: Angelika und Rainer Beier, Kommanditistin und Geschäftsführer der Vest Hausverwaltung KG in Recklinghausen
 

Der Kunde ist König, hieß es lange. In Zeiten des Personalmangels allerdings ist es wichtig, sich hinter und vor seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stellen und selbst Kunden Grenzen aufzuzeigen. Ein guter Vorgesetzter kümmertsich um seine Mitarbeitenden – und zeigt das auch.

Rainer Beier, Geschäftsführer der Vest Hausverwaltung KG in Recklinghausen, ist so ein Vorgesetzter. Der gelernte Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft packt selbst mit an und stellt sich hinter und vor sein Team. Aufgefallen ist dem VDIV Deutschland das Unternehmen wegen eines Banners, das bei Eigentümerversammlungen zum Einsatz kommt und auch schon in verschiedenen Netzwerken auftauchte: „Seien Sie nett zu unseren Mitarbeitern! Es ist erheblich schwerer, gutes Personal zu finden als neue Eigentümergemeinschaften.


Wenn der Chef nicht da ist, wird der Ton rauer.
Wie kam es dazu? Rainer Beier merkte, dass sich der Tonfall änderte, sobald er nicht selbst die Versammlungen leitete. Die Unzufriedenheit aufseiten der Kunden nahm kontinuierlich zu, das Anspruchsdenken auch. So stiegen die Anforderungen und der Zeitbedarf für solche Versammlungen. Inzwischen kündigt die Vest Hausverwaltung sogar aktiv Objekte – „undenkbar wäre dies vor drei bis vier Jahren gewesen“, so Beier. Doch ihm ist wichtig: „Es darf nicht Überhand nehmen und muss wirtschaftlich sein.“ Zudem haben sich die Zeiten geändert, denn: Verwalter müssen nicht mehr aktiv nach Eigentümergemeinschaften suchen – nach gutem Personal aber schon.

Was die Recklinghausener Verwaltung mit einer einfachen Botschaft vor dem Betreten des Versammlungsraumes zum Ausdruck bringt, trifft den Nerv vieler Verwalterinnen und Verwalter: Personalmangel im Unternehmen und Geringschätzung der Tätigkeit durch den Auftraggeber. Wie aber gelingt es, neue Kommunikations- und Arbeitsstrukturen zu schaffen, damit ein entsprechendes Maß an Anerkennung für alle Seiten spürbar wird?

Grundsätzlich ist es nicht damit getan, mehr auszubilden oder alte Statussymbole wie Laptop, Dienstwagen oder Pool-Fahrzeug zu überdenken. Oft hilft es auch langfristig nicht, bei eigener Wertschätzung des Personals einen attraktiven Arbeitsplatz bereitzustellen. Unsere Verwaltungen und ihre Mitarbeitenden brauchen die Anerkennung vonseiten des Kunden, des Eigentümers. Ein Weg dahin führt über eine angemessene Vergütung als Teil der Wertschätzung.


Angemessene Vergütung ist Teil der Wertschätzung.
Als ich Mitte 2018 im SPIEGEL eine Erhöhung der Grundvergütung um 40 Prozent forderte, hatte das einen medialen Aufschrei zur Folge, und so manch altgedienter Verwalter hielt das für abwegig. Dabei habe ich eine einfache Rechnung aufgemacht: Wenn der staatliche Regelsatz für die Verwaltung von Sozialwohnungen deutlich über dem Durchschnitt des für eine WEG-Verwaltung Üblichen liegt, wäre es nur angemessen, diesen „Mindestlohn“ auch einzufordern und Verwalter wie Eigentümer gleichsam wachzurütteln („Unsere Branche rechnet sich arm“). Knapp vier Jahre später liegt der Regelsatz zwar auch nur bei etwa 23 Euro (ohne Berücksichtigung von Größe und Region), dennoch hat sich etwas verändert: Verwaltungen kalkulieren ihr Honorar zunehmend am konkreten Objekt und gleichen dies mit ihrem Portfolio ab. Das führt bei fehlender Rentabilität auch dazu, dass nicht mehr jede Gemeinschaft angenommen wird und man sich gar von Bestellungen trennt. Auch bei Eigentümern scheint langsam anzukommen, dass das Honorar leistungsgerecht sein muss – denn qualifizierte Verwaltung kostet mehr.


Auch attraktive Arbeitszeiten gehören dazu.
Zunehmend werden Eigentümerversammlungen auch tagsüber angesetzt, nicht nur für kleinere Gemeinschaften. Dies jedoch sollte im Verwaltervertrag bindend festgeschriebenwerden. Schon der mündliche Hinweis, dass das Personal nicht dazu bereit ist, nach 19:00 Uhr Versammlungen abzuhalten, müsste reichen, damit dieses Vorgehen von Eigentümergemeinschaften „in Kauf“ genommen wird. In Zeiten eines sich wandelnden Arbeitsmarktes und einer von allen angestrebten Work-Life-Balance – auch im beruflichen Alltag der Verwaltungen – ist dies ein Stück Wertschätzung gegenüber der Versammlungsleitung. Und es ist ein Grund mehr, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen für reine Online-Versammlungen schaffen muss. Zurückkommend auf unser Verbandsmitglied in Recklinghausen, bleibt festzuhalten: Großartig! Nachahmung unbedingt empfohlen.
 

Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland