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Nach einem mehr als ein Jahr dauernden Gesetzgebungsverfahren haben Eigentümergemeinschaften nun eine dritte Option für ihre Versammlungen – und die Installation von Stecker-Solargeräten gehört zu den privilegierten Maßnahmen.
Am 4. Juli hat der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit ein Gesetz zur Einführung virtueller Eigentümerversammlungen und zur Installation von Stecker-Solargeräten (Drs. 20/9890) beschlossen. Die AfD stimmte als einzige Fraktion dagegen. Neben Präsenz- und Hybridver-sammlungen gibt es nun eine dritte Versammlungsoption, die virtuelle Versammlung. Diese Option kann genutzt werden, wenn mindestens drei viertel der abgegebenen Stimmen in einer Wohnungseigentümerversammlung dafür stimmen. Der Beschluss gilt zunächst für drei Jahre. Die virtuelle Versammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein.
Ein Änderungsantrag der Regierungskoalition (Drs 20/12146) ergänzt den Entwurf: Eigentümer, die vor dem 1. Januar 2028 einen Beschluss zur virtuellen Versammlung fassen, müssen bis einschließlich 2028 mindestens einmal im Jahr eine Präsenzversammlung abhalten, es sei denn, es wird einstimmig beschlossen, darauf zu verzichten. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der in einer virtuellen Versammlung gefassten Beschlüsse.
Der Bundestag beschloss auch, dass Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) Anspruch auf Stromerzeugung durch Stecker-Solargeräte haben. Die Eigentümergemeinschaft entscheidet über die Art und den Ort der Installation. Eine Regelung zu Rückbauansprüchen der Vermieter ist nicht erforderlich, da davon ausgegangen wird, dass Mieter die Geräte bei Auszug mitnehmen oder eine einvernehmliche Lösung gefunden wird.
Generell ist der Beschluss des Bundestages zu begrüßen. Der vereinfachte Einbau von Stecker-Solargeräten und die gesetzliche Normierung der virtuellen Versammlung sind längst überfällig. Bereits während der Corona-Pandemie wurden sehr gute Erfahrungen mit der neuen Versammlungsform gemacht. Gleichzeitig kamen durch die Notstandsgesetzgebung vielfach keine Entscheidungen im Sinne der Wohnungseigentümer und zur Erhaltung oder energetischen Sanierung der Gebäude zu stande. Durch fehlende Beschlüsse blieben zudem etliche Förderprogramme für Wohnungseigentümer-gemeinschaften verschlossen, u. a. zu E-Ladestationen. Im Blick hat die Bundesregierung aber nicht nur zeitnahe Entscheidungen und die Möglichkeit, öfter unterjährig als Gemeinschaft zusammenzukommen, auch der zunehmende Fachkräftemangel fand im Prozess Beachtung. Zu einem modernen Berufsbild gehören heute eben auch digitale Instrumente und flexibles Arbeiten aus dem Homeoffice. Gleiches gilt für Eigentümer. Was liegt da näher, als Beschlüsse auch tagsüber virtuell zu fassen? Wie beim zeitlichen Beginn von Eigentümerversammlungen (nach 17 Uhr, wie eine VDIV-Umfrage ergab) gilt es auch hier, den Minderheitenschutz gegen die Praxis abzuwägen.
Dieser bleibt virtuell genauso erhalten wie in einer Präsenzversammlung (Vollmacht etc.). Nicht zu verkennen ist auch, dass nun deutlich mehr Eigentümer in Versammlungen präsent sein werden. Nämlich jene, die bisher fernblieben: Alleinerziehende, Schichtarbeitende, in ihrer Mobilität eingeschränkte und gehandicapte Personen, Urlauber und Vermieter. Mehr Eigentümer, mehr Zustimmung, mehr Akzeptanz. Auch die exorbitante Zunahme an „verwalterlosen Gemeinschaften“ wird abnehmen, wenn diese ausschließlich virtuell gemanagt werden.
Das von den Gegnern der virtuellen Versammlung immer wieder vorgetragene Scheinargument, hybride Versammlungen würden ausreichen, da diese preiswert umzusetzen sind und auch Eigentümer teilhaben lassen, die nicht internetaffin sind, ist irreführend. Die Praxis zeigte, dass diese Versammlungsform unkommunikativ und zu teuer ist und daher von den Gemeinschaften nicht angenommen wurde. Mehr Personal, mehr Technik, mehr Anmietung von Räumlichkeiten. Auch das hatte der Rechtsausschuss bei seiner Entscheidung zuletzt im Blick.
Kritik lediglich an zwei Punkten
Sofern man an dem nun vorliegenden Gesetz Kritik üben will, so sind dies zwei mögliche Punkte:
Die neue Regelung ist ein Kompromiss. Insbesondere die SPD tat sich schwer, diesen Schritt zu gehen, was auch öffentliche Verlautbarungen zeigen. In vielen persönlichen Gesprächen konnte der VDIV Deutschland jedoch erreichen, dass geäußerte Kritik an dem Vorhaben haltlos ist. Das erklärt auch die Länge des Verfahrens, da der Gesprächsbedarf groß war. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die virtuelle Versammlung in der Praxis schnell angenommen werden wird, wobei es jeder Wohnungseigentümergemeinschaft freigestellt ist, diesen Weg einzuschlagen – es ist ja „nur“ eine dritte Versammlungsoption.
Spätestens die Covid-19-Pandemie hat aber gezeigt, dass unsere Gesellschaft internetaffin ist. Wie anders lässt es sich sonst erklären, dass Millionen von Schülern und Eltern – ob sie es wollten oder nicht – in die Zwangs-Online-Beschulung geschickt wurden, dass Hunderttausende – auch viele ältere Menschen – wiederholt ärztliche Online-Sprechstunden aufsuchten? All das war anfangs für einige durchaus nicht einfach, aber technisch lösbar.
Angesichts des Sanierungsstaus ist es offensichtlich, dass nicht wenige Eigentümer, darunter die von den Kritikern immer wieder angeführten älteren selbstnutzenden, in den vergangenen Jahrzehnten auch Vermögen in Aktien und Wertpapiere investierten statt in ihre Immobilie. Wenn daher von einem „Demokratieverlust speziell für ältere, selbstnutzende Wohnungseigentümer“ gesprochen wird, darf nicht verschwiegen werden, dass es gerade diese Gruppe von Wohnungseigentümern ist, die die erforderlichen Investitionen in die Immobilie ablehnen und deshalb wenig überraschend auch die Vorteile, die eine virtuelle Versammlung bei der Beschleunigung energetischer Maßnahmen hätte.
Ein Vorwurf des Eigentümerverbandes wohnen im eigentum, das Gesetz erfülle nur die Wünsche der Verwaltungen sowie des VDIV Deutschland und missachte dabei die Rechte der Wohnungseigentümer, verkannte, dass im Mittelpunkt der Erhalt der Immobilie steht. Wohnungseigentümer und Verwalter schulden der Gemeinschaft gleichermaßen die ordnungsmäßige Verwaltung. Könnte man die Immobilie selbst fragen, würde sie die virtuelle Versammlung als weitere Option begrüßen.
Geschäftsführer des VDIV Deutschland