04.06.2024 Ausgabe: 4/24

Chance oder Gefahr für die Branche?

Was Künstliche Intelligenz für Immobilienverwaltungen bedeuten kann.

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt begann im Jahr 2006 der Eintritt ins Zeitalter Künstlicher Intelligenz (KI) durch die Entdeckung des Deep Learning. Erstmals öffnete sich für KI-Entwickler und -Forscher die Tür zu den leistungsstarken KIs mit Milliarden von Parametern. Der Geist war aus der Flasche und kehrte auch nicht mehr dorthin zurück.

Schon heute ist das „demografische Problem“ für viele Immobilienverwaltungen spürbar. Sie müssen Aufträge ablehnen, da sie nicht genügend Personal finden, um neue Objekte zu betreuen. Diesen Unternehmen eröffnet KI frisches Wachstumspotenzial.

Die Disruptionskraft bleibt begrenzt.

Wird KI aber langfristig die Verwalterinnen und Verwalter ersetzen? Klare Antwort: Nein. Solange wir mit analogen Körpern in analogen Gebäuden wohnen, bleibt die Disruptionskraft von KI begrenzt. Mechanische Defekte erfordern mechanische Lösungen. Allerdings wird effiziente Verwaltung, die KI richtig einsetzt, möglicherweise mit der Zeit jene Ver­waltungen verdrängen, die KI gar nicht oder falsch nutzen.

Der Berufszweig an sich bleibt also erhalten und für diejenigen, die rechtzeitig in diese Technologie investieren, bricht eine lukrative Zeit an. Doch wie lässt sich KI in der Immobilienver­waltung klug einsetzen, und welche Modelle sind gerade in Entwicklung?

Auf die richtige KI-Architektur kommt es an.

Als Gründer der CASTL Cyber Applied Science and Tech Labs kenne ich zahlreiche Forschungsprojekte und habe das Privileg, mit einigen der besten KI-Entwickler der Welt zu arbeiten. Wichtig ist zu verstehen, dass es zwischen herkömmlicher Programmierung und KI einen entscheidenden Unterschied gibt: Wer die richtige KI-Architektur einsetzt, kann KI dazu bringen, selbstständig zu lernen. Hier liegt jenen eine einmalige Chance zu Füßen, die diesen Unterschied verstehen.

Beim Bitcoin gibt es das geflügelte Wort: „Not your keys, not your coins.“ (Nicht deine Schlüssel, nicht deine Bitcoin.). Übertragen aufs KI-Zeitalter könnte man vielleicht sagen: „Not your intelligence, not your future.“ (Nicht deine Intelligenz, nicht deine Zukunft.).

Die KI Alphafold zur Entschlüsselung von Proteinstrukturen brauchte jahrelanges Training. Doch als sie plötzlich funk­tionierte, entschlüsselte sie in drei Monaten mehr Proteine als alle menschlichen Forschungslabore in 20 Jahren.

KI ist das, was man daraus macht.

Wichtig ist zu verstehen, welche KI-Architekturen für die lokale Nutzung als „Selbstlerner“ infrage kommen. Kleine Open-Source-Modelle werden da nicht helfen, da sie nicht die polymorphe Struktur haben, die für das „Selbstlernen“ wichtig ist. Hier haben wir nach jahre­langer Forschung bei den Cyber Applied Science and Tech Labs einen wichtigen Durchbruch erzielt, nämlich eine Modell-Architektur, die vom Unternehmen und den Mitarbeitern selbstständig lernt. Das Faszinierende daran ist, dass wir zwar eine einheitliche Architektur erschaffen, aber am Ende kein einziger Nutzer dieselbe KI haben wird.

Natürlich sind polymorphe KI-Strukturen nur dann wichtig, wenn das Modell lernen soll, komplette Auf­gaben der Immobilienverwaltung zu übernehmen. Das Unternehmen baut sich damit sozusagen seinen eigenen KI-Mitarbeiter, der selbstständig Schadens­fälle bearbeitet und alle anderen Mitarbeiter rund um die Uhr unterstützt. Für Aufgaben der reinen Textgenerierung reichen herkömmliche Transformer-Modelle, wie sie beispielsweise bei ChatGPT zum Einsatz kommen.

Fremde und eigene KI-Modelle

Es gibt mehrere große Cloud-Modelle zur Text­generierung. Neben ChatGPT ist zum Beispiel auch Claude von Antrophic ein sehr gutes Modell. Ins­besondere das neue Claude 3 ist ChatGPT in manchen Benchmark-Tests und Reasoning-Tasks überlegen. Wer KI bei der Internet-Recherche verwenden möchte, der könnte zum Beispiel perplexity.ai nutzen, um sich Suchergebnisse von einer Sprach-KI zusammenfassen zu lassen. Immobilienverwaltungen sollten jedoch darauf achten, dass sie diese KIs stets ohne personen­bezogene Daten nutzen, da die Daten auf fremden Servern in fremden KI-Modellen landen. Verwalter verfügen über sensible Daten wie Personendaten, Bankdaten, Besitzverhältnisse und mehr. Da sind fremde KIs in der Cloud datenschutzrechtlich keine komfortable Spielwiese.

Abhängigkeiten vermeiden

Noch wichtiger ist dabei die strategische Überlegung. Das KI-Zeitalter wird geprägt sein von zunehmenden Abhängigkeiten. Wenn Unternehmen mit ihren Daten und Mitarbeitern fremde KI-Modelle trainieren, die also nicht ihnen gehören, dann führt das im KI-Zeitalter schnell zur Abhängigkeit von diesen fremden Modellen.

Man sollte sich daher immer fragen, wem gehört die KI? Wem gehört die Intelligenz? Wohl kaum jemand wird bestreiten, dass es ein Vorteil ist, Herr seiner eigenen Intelligenz zu sein. Denn machen wir uns nichts vor: Im KI-Zeitalter geht es nicht mehr nur um Daten, sondern darum, wem die Intelligenz gehört, die aus diesen Daten entsteht.

Bestimmt werden auch im KI-Zeitalter viele einfach abwarten, was kommt. Dieses Verhalten haben wir in Zeiten der Netzwerk-Technologie erlernt. Wer lange genug wartet, kann später auf das Produkt setzen, das sich durchgesetzt hat. Im Bereich der Netz­werk-Technologien, deren Nutzen für den Einzelnen mit der Anzahl der Nutzer steigt, ist diese Strategie sinnvoll. KI ist allerdings keine Netzwerk-Technologie. Sie arbeitet für jeden, der sie trainiert hat, und wer sie besser trainiert hat, gewinnt das Rennen, weil er sie mit niemandem teilen muss. Wer das Potenzial von KI rechtzeitig erkennt, könnte daher darüber nachdenken, im KI-Wettrennen nicht auf fremde Pferde zu setzen, sondern sein eigenes Rennpferd zu trainieren. Das Beispiel Alphafold zeigt uns, welchen Vorsprung eine einzelne gut trainierte KI erreichen kann. Und da man auch selbstlernende, polymorphe Modelle ganz einfach mit menschlicher Sprache trainiert, braucht man kein KI-Experte zu sein, um das zu schaffen.

Fazit

Not your intelligence, not your future. KI bringt viele gesellschaftliche Herausforderungen und riesige Chancen mit sich. Immobilienverwaltungen können mit der richtigen KI-Architektur einen Automationsgrad des Faktors 10 und mehr erreichen. In jedem Fall lohnt es sich, in diese Technologie zu investieren und darüber nachzudenken, wem die Intelligenz gehören soll, die dem Unternehmen einen so wesentlichen Vorteil im Wettbewerb verschafft.

Flatz, Marnus

Autor, Keynote Speaker, Strategischer KI-Berater, Unternehmer & Founder, Cyber Applied Science and Tech Labs (CASTL)