20.01.2015 Ausgabe: 1/2015

Contracting

Wie funktioniert das eigentlich, welche Modelle gibt es, und wann ist das für Wohnungseigentümergemeinschaften interessant?

Dipl.-Ing. Stefan Scherz ist Vorsitzendes des VfW-Beirates Technik-Innovation-Management und externer Berater des Verbands. Er war selbst langjährig als Contractor aktiv und hat in dieser Zeit auch viele Projekte in Wohnungseigentümergemeinschaften realisiert.

Herr Scherz, welche Besonderheiten sind bei Contracting-Projekten mit Eigentümergemeinschaften zu beachten?
Ein entsprechender Beschluss für die Umsetzung eines Contracting-Projektes muss in der Eigentümerversammlung als wichtigstem Organ in einer Eigentümergemeinschaft gefasst werden. Dies gestaltet sich häufig schwieriger als nötig, weil die Ausgangslagen der einzelnen Entscheider oft sehr unterschiedlich sind. So werden nicht immer nur rein fachliche Beweggründe für eine Entscheidung zugrunde gelegt, sondern es sind oft auch emotionale Gründe, die ggf. den notwendigen Diskussionskurs noch absolvieren ­müssen.

Wo sehen Sie die größten Vorteile einer Contracting-Lösung für Eigentümergemeinschaften?
Es sind mindestens drei große Vorteile zu sehen: Erstens muss die WEG sich um die Heizungsanlage nicht mehr kümmern, weil sie weiß, dass dafür ein fachkundiger und professionell arbeitender Dienstleister bereit steht, der auch an Sonn- oder Feiertagen die Heizung, sollte sie einmal ausfallen, wieder verlässlich und schnell in Gang bringt. Zweitens liefert der Contractor die Wärme in der Regel kostengünstiger als dies die WEG in Eigenregie könnte. Und drittens wird die Instandhaltungsrücklage für andere Investitionsentscheidungen geschont.

Was sind die Hemmnisse bei einer möglichen Contracting-Lösung?
Oft können die WEGs durch den immensen Diskussionsbedarf nicht entscheiden oder die Zeiträume werden extrem lang, bis tatsächlich etwas passiert.

Was ist bei der Abrechnung des Contracting-Vertrages zu beachten?
Für die WEG ändert sich nicht viel: Der Contractor liefert die Wärme an die gesamte WEG, und ein Messdienstleister spaltet gemäß Heizkostenverordnung die Rechnung in die individuellen Anteile jedes Miteigentümers auf.

Welche konkreten Maßnahmen werden i.d.R. durch den Contractor durchgeführt?
Der Contractor übernimmt alle relevanten Maßnahmen für die reibungslose und effiziente Energieversorgung. Diese kann je nach Contracting-Modell neben der Installation einer hocheffizienten Neuanlage auch Zusatzleistungen oder Ergänzungen (z. B. Wärmeversorgung mit Mieterstrom) mit enthalten. In einem Zeitraum von meist zehn Jahren werden dann Betriebsführungsaufgaben vom Contractor übernommen, der auf diese Weise die Verfügbarkeit der Anlage und den Endwert der Anlage am Ende der Vertragslaufzeit hoch hält.

Welche Praxishilfen gibt es für Contracting-Interessierte derzeit? Welche sind geplant?
Der VfW hält eine Ausschreibungshilfe auf seiner Internetseite bereit. In der wird ausführlich erläutert, wie ein Contracting-Unternehmen nicht nur gesucht, sondern auch gefunden werden kann. Zudem wurde in einer Kooperation zwischen dem VfW und Verbänden aus der Wohnungswirtschaft ein Leitfaden zur gewerblichen Wärmelieferung entwickelt, der zum Jahreswechsel erschienen ist.

Foto: © vanias / Shutterstock.com


Scherz, Stefan

Dipl.-Ing. Stefan Scherz, freier Berater des VfW