05.09.2016 Ausgabe: 6/2016

Da bin ich Verbraucher!

Was gilt für das gesetzliche Widerrufsrecht beim Abschluss von Verwalterverträgen?

Als mittlerweile gesichert gilt die rechtliche Erkenntnis, dass gewerblich handelnde Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages den Mieter, sofern dieser Verbraucher ist, im Regelfall über ­dessen gesetzliches Widerrufsrecht nach den §§ 312 ff BGB belehren müssen (siehe DDIVaktuell 4/16, S. 11). In diesem Kontext ist die Praxis mit den Vorschriften über den Verbraucherwiderruf ­mittlerweile ­hinreichend vertraut. Demgegenüber ist bislang rechtlich umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob einer WEG anlässlich des Abschlusses eines ­Verwaltervertrages ein gesetzliches Verbraucherwiderrufsrecht zusteht. Es verwundert daher nicht, dass diese Problematik in der täglichen Verwalterpraxis bislang – mit Ausnahme einiger Verwaltervertragsformulare – nur wenig Beachtung gefunden hat.

Das gesetzliche Verbraucherwiderrufsrecht und die Widerrufsfrist

Das gesetzliche Widerrufsrecht steht Verbrauchern u. a. beim Abschluss von Verträgen zu, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Der Verbraucher soll so vor unüberlegten Vertragsabschlüssen und einer Überrumpelung durch den Vertragspartner geschützt werden. Über das Bestehen seines 14-tägigen Widerrufsrechts ist der Verbraucher zu belehren. Erfolgt diese gesetzlich vorgeschriebene Belehrung nicht ordnungsgemäß oder unterbleibt diese sogar gänzlich, besteht das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht nur für die reguläre Dauer von 14 Tagen ab Vertragsabschluss, sondern erlischt erst nach Ablauf eines weiteren Jahres. Das Widerrufsrecht besteht dann im Ergebnis für die Dauer von einem Jahr und 14 Tagen ab Vertragsschluss.

Das Widerrufsrecht der WEG beim Abschluss des Verwaltervertrages

Das gesetzliche Widerrufsrecht besteht nur bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmern, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Vertragsgegenstand haben (§ 312 BGB). Grundvoraussetzung ist also zunächst die Verbrauchereigenschaft des Vertragspartners des Verwalters, konkret also die Verbrauchereigenschaft der WEG. Der Bundesgerichtshof hat die Verbrauchereigenschaft der Wohnungseigentümergemeinschaft in einer vielbeachteten Entscheidung, welche einen Gaslieferungsvertrag zum Gegenstand hatte, im Jahr 2015 anerkannt (BGH, Urteil v. 25.03.2015 – VIII ZR 243/13).

Nach dieser Entscheidung ist die WEG im Interesse des Verbraucherschutzes als Verbraucher zu behandeln, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und der betreffende Vertrag weder einer gewerblichen noch beruflichen Tätigkeit dient. Diese Voraussetzungen dürften bei Abschluss des Verwaltervertrages stets erfüllt sein. ­Insbesondere dient der Abschluss von Verwalterverträgen durch die WEG weder gewerblichen noch beruflichen Zwecken, sondern allein der privaten Vermögensverwaltung der Mitglieder der WEG. Bei Abschluss von Verwalterverträgen handelt die WEG folglich als Verbraucher, so dass die erste Voraussetzung für das Bestehen eines Widerrufsrechts der WEG erfüllt ist.

Der Ort des Vertragsschlusses

Weitere Voraussetzung für das Bestehen eines Verbraucherwiderrufsrechts der WEG ist, dass der Vertragsabschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragsparteien in Räumlichkeiten stattfindet, die nicht Geschäftsräume des Verwalters sind (§§ 312b Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB). Infolgedessen ist bei der Frage, ob der WEG ein Widerrufsrecht zusteht, danach zu differenzieren, unter welchen Rahmenbedingungen der Verwaltervertrag zwischen WEG und Verwalter geschlossen wird:

Üblicherweise wird in der Eigentümerversammlung sowohl über die Bestellung des Verwalters als auch über die Annahme des Angebotes des Verwalters abgestimmt. Der Verwaltervertrag wird bei positiver Beschlussfassung und Annahme der Bestellung des Verwalters (der Akt der Bestellung nach § 26 WoEigG ist vom Abschluss des Verwaltervertrages zu unterscheiden) regelmäßig noch in der Eigentümerversammlung unterzeichnet. Findet die Eigentümerversammlung in den Besprechungs-/Geschäftsräumen des Verwalters, mit dem der Verwaltervertrag geschlossen wird, statt, so besteht nach oben genannten Voraussetzungen kein Widerrufsrecht der WEG.

Findet bei einem anstehenden Verwalterwechsel die Eigentümerversammlung in den Räumlichkeiten des bisherigen Verwalters statt und wird in der Versammlung sogleich der Vertrag mit dem neuen Verwalter geschlossen, so handelt es sich um einen außerhalb der Geschäftsräume (des neuen Verwalters) geschlossenen Vertrag im Sinne der §§ 312b Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB. In dieser Fallkonstellation besteht nach dem Gesetzeswortlaut ein Widerrufsrecht der WEG, über dessen Bestehen und Ausübungsmodalitäten dann auch belehrt ­werden muss.

Gerade bei größeren Eigentümergemeinschaften ist es aus Platz- oder Praktikabilitätsgründen oft nicht möglich, die Eigentümerversammlung in den eigenen Besprechungs-/Geschäftsräumen abzuhalten. In aller Regel wird dann auf Räumlichkeiten in Gaststätten, Vereinslokalen oder in sonstigen öffentlichen Lokalitäten zurückgegriffen. Kommt der Verwaltervertrag anlässlich einer Eigentümerversammlung in einer solchen öffentlichen Lokalität zustande, so erfolgt der Vertragsabschluss ebenfalls nicht in den Räumen des Verwalters, sondern außerhalb der Geschäfträume im Sinne der §§ 312b Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB. Auch in diesen Fällen besteht nach dem Gesetzeswortlaut ein gesetzliches Widerrufsrecht der WEG. Die WEG ist folglich über das Bestehen und die Modalitäten der Ausübung des Widerrufsrechts zu belehren.

Konsequenzen und Fazit

Ausgehend vom Gesetzeswortlaut kann der WEG in bestimmten Konstellationen ein gesetzliches Widerrufsrecht zustehen. Der juristische Diskurs, ob die Zuerkennung eines solchen Widerrufsrechts, welches ja eigentlich nur vor einer Überrumpelung bei Vertragsschluss schützen soll, in Ansehung der Regelungen des § 24 WoEigG überhaupt sachgerecht ist, ist in vollem Gange. In der Praxis wird die reguläre 14-tägige Widerrufsfrist wohl nicht zum Tragen kommen, da zunächst erneut eine Versammlung einzuberufen wäre. Die 14-tägige Widerrufsfrist dürfte dann regelmäßig abgelaufen sein. Praxisrelevant sind hingegen die Fälle, in denen nicht ordnungsgemäß über ein bestehendes Widerrufsrecht belehrt wurde oder wird. Das Widerrufsrecht kann dann für die Dauer von einem Jahr und 14 Tagen ab Vertragsschluss ausgeübt werden. Geschieht dies binnen der (verlängerten) Frist, ist das gesamte Vertragsverhältnis einschließlich erhaltener Zahlungen rückabzuwickeln. Besondere Probleme bereitet in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 357 Abs. 8 BGB, wonach von der WEG Wertersatz an den Verwalter für dessen bereits erbrachte Tätigkeiten nur unter den dort genannten Voraussetzungen zu leisten wäre. Im schlimmsten Fall könnte ein Widerruf also dazu führen, dass der Verwalter für seine bereits erbrachten Leistungen nicht einmal eine Aufwandsentschädigung erhält. Bis zur Klärung der Problematik durch die Rechtsprechung sollte bei Sachverhalten, die dem Wortlaut des Gesetzes nach ein Widerrufsrecht der WEG begründen können, eine ordnungsgemäße (!) Widerrufsbelehrung erteilt werden. Mitunter wird von Beratern die gegenteilige Empfehlung dahingehend ausgesprochen, in einschlägigen Fallkonstellationen bei Vertragsabschluss gerade keine Widerrufsbelehrung zu erteilen, um nicht „schlafende Hunde zu wecken“. Angesichts der doch erheblichen potenziellen Konsequenzen einer fehlenden Widerrufsbelehrung – Rückabwicklung des Vertrages auch noch nach über einem Jahr – sollte dieser sicherlich wohlgemeinte Ratschlag ­zumindest in Zweifel gezogen werden.

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Frank, Dr. Alexander

Der Rechtsanwalt ist in der LKC Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in München-Bogenhausen tätig. www.lkc.de