03.03.2015 Ausgabe: 2/2015

Das Mindestlohngesetz

Es bringt neue Haftungsrisiken und neue bürokratische Pflichten mit sich – aber für wen?

Seit Einführung des MiLoG am

1. Januar 2015 gilt für alle Arbeitnehmer flächendeckend der Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Arbeitszeitstunde. Das Gesetz sieht eine verschuldensunabhängige Haftung vor. Das bedeutet für Verwalter und Wohnungseigentümer erhöhte Aufmerksamkeit. Gewerbliche Verwalter sind nun nicht mehr nur grundsätzlich für ihre eigenen Angestellten verantwortlich, sondern auch für die Arbeitnehmer der von ihnen eingeschalteten Werkunternehmer oder Dienstleister. Durch sorgfältige Auswahl des Auftragnehmers und die Vereinbarung einer Freistellungsklausel lässt sich das Haftungsrisiko jedoch deutlich verringern.

Während viele Unternehmen darüber klagen, dass Praktikanten nicht mehr finanzierbar seien, ist es bei Wohnungsverwaltern vor allem der bürokratische Aufwand, der auf Kritik stößt. Das Gesetz sieht für alle Geringverdienenden (Minijobber und kurzfristig Beschäftigte) und Beschäftigten, die unter § 2a SchwArbG (u. a. Arbeitnehmer aus dem Gebäudereinigungsgewerbe) fallen, eine sog. Dokumentationspflicht vor. Was den kontrollierenden Behörden die Überprüfung der Gesetzeseinhaltung erleichtert, bedeutet für Verwalter erheblich mehr bürokratischen Aufwand. Sie müssen zwingend wöchentliche Arbeitszeitnachweise einfordern (§ 17 Abs. 2 Satz 1 MiLoG).

Mindestlohn für alle

Die gesetzlichen Vorgaben nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) verpflichten alle Arbeitgeber zur Zahlung des Mindestlohns. Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer. Darunter fallen auch Praktikanten, die länger als drei Monate in einem Unternehmen tätig sind, und geringfügig Beschäftigte (Minijobber und kurzzeitig Angestellte). Abreden, die diese Mindestlohnvorgabe unterschreiten, sind unwirksam und bußgeldbewehrt.

Wenn Wohnungseigentümer, WEG und Verwalter Arbeitnehmer beschäftigen, gelten sie als Arbeitgeber im Sinne des MiLoG und müssen diesen den Mindestlohn zahlen. Abweichende Regelungen gelten während einer Übergangsfrist bis Ende 2016 nur per Tarifvertrag. Das heißt, auch Minijobber erhalten zwingend mindestens 8,50 Euro pro Stunde. Ausgenommen sind lediglich Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten, ehrenamtlich Tätige, Jugendliche unter 18 Jahre ohne abgeschlossene Berufsausbildung oder Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum ableisten.

Der Lohn ist zum vereinbarten Termin, spätestens aber am letzten Bankarbeitstag des auf die erbrachte Arbeitsleistung folgenden Monats zu bezahlen. Vorsicht ist geboten, denn bei Nichteinhaltung der Vorschriften droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 50.000 Euro.

Haftungsfragen

Mit dem Ziel, alle Auftraggeber bei der Auswahl ihres Auftragnehmers zu noch höherer Sorgfalt und gewissenhafter Vertragsausgestaltung zu zwingen, wurde die Möglichkeit zum vertraglichen Haftungsausschluss gestrichen. Kurzfristig wurde auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (Plenarprotokoll 18/46) eine Generalunternehmerhaftung eingeführt (§ 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG). Über die Pflicht des Arbeitgebers, den Mindestlohn an seine eigenen Arbeitnehmer zu zahlen, hinaus, verweist das Gesetz nun auf § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG). Infolgedessen gilt eine zusätzliche spezielle Haftung für Unternehmer (= Auftraggeber), die einen anderen Unternehmer (Auftragnehmer) mit der Erbringung von Werk- oder Dienst­leistungen beauftragen. Anders als noch im Entwurf der Bundesregierung zum MiLoG ist es nun nicht mehr möglich, sich dieser Haftung durch den Nachweis fehlender positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von dem Verstoß seines Nachunternehmers gegen die Mindestlohnpflicht zu entziehen. Für betroffene Arbeitnehmer folgt daraus, dass sie nicht mehr erst ihren eigenen Arbeitgeber auf den gesetzlichen Mindestlohn verklagen müssen, sondern sich mit ihrem Anspruch direkt an das beauftragende Unternehmen (hier die Hausverwaltung) wenden können. Dieser Anspruch umfasst den Nettobetrag, also den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und Arbeitsförderungen (oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen ­Sicherung) auszuzahlen ist.

Die Generalunternehmerhaftung soll insbesondere die Umgehung der Mindestlohnvorgabe in Auftragsketten verhindern. Auftraggeber in diesem Sinne können nur Unternehmer sein, die sich zur Erfüllung ihrer eigenen vertraglich übernommenen Dienstleistungs- oder Werkvertragspflichten eines Dritten bedienen. Nicht gewerbliche Verwalter, private Wohnungseigentümer oder eine WEG, die sich nicht nur aus Unternehmern zusammensetzt, sind damit nicht von der Auftraggeberhaftung betroffen.

Unter welchen Voraussetzungen der Verwalter/die WEG der Auftraggeberhaftung unterliegt, ist je nach Fallgruppe unterschiedlich zu beurteilen:

Verwalter

Sofern der Verwalter eigenes Personal beschäftigt (z. B. eine Reinigungskraft eines Reinigungsunternehmens für seine Büroräume), gilt unstreitig, dass der Verwalter zur Einhaltung des Mindestlohns verpflichtet ist. Hält er die Vorgaben nicht ein, so begeht er eine nach § 21 Abs. I Nr. 9, Abs. II MiLoG mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro sanktionierte Ordnungswidrigkeit.

Sofern der WEG-Verwalter zur Erfüllung seiner eigenen, sich originär aus dem Verwaltervertrag ergebenden Pflichten (z. B. Betriebskostenabrechnung) einer anderen Person bedient, gilt dasselbe.
Setzt der Verwalter einen WEG-Beschluss um und beauftragt dafür ein Unternehmen, ist noch nicht eindeutig geklärt, ob ihn die Auftraggeberhaftung treffen kann (z. B. beauftragt er ein Gärtnerunternehmen mit der Pflege des Gemeinschaftsgartens, dessen Gärtner lediglich 6,50 Euro/h erhält).

Für den gewerblich tätigen Verwalter gilt nach Auffassung des DDIV, dass er sich in dieser Fallkonstellation nicht eines Dritten zur Erfüllung eigener vertraglich übernommener Pflichten bedient. Schließlich ist die Pflicht des Verwalters lediglich darin zu sehen, den Auftrag zu erteilen (nicht aber, um am Beispiel zu bleiben, sich um die Pflege des Gemeinschaftsgartens selbst zu kümmern). Das führt dazu, dass der Verwalter nicht als Auftraggeber im Sinne des § 13 MiLoG anzusehen und damit auch nicht verantwortlich nach §§ 13 MiLoG, 14 AEntG ist, wenn der Arbeitnehmer des Beauftragten (im Beispiel der Gärtner) nicht den Mindestlohn bezahlt.

Da es noch keine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Auslegung gibt, empfiehlt der DDIV die Vereinbarung einer sog. Freistellungsklausel zur Reduzierung des Haftungsrisikos. Aus der Freistellungsklausel können Verwalter ggf. gegen ihre Auftragnehmer vorgehen und den Betrag (Nettobetrag, s.o.) ersetzt verlangen, den sie wiederum an den Auftragsausführenden zahlen mussten.

Formulierungsvorschlag für eine Freistellungsklausel:
„Der Auftragnehmer verpflichtet sich, alle Schäden auszugleichen, die der Auftraggeber aufgrund der Inanspruchnahme aus der Auftraggeberhaftung erleidet.“

Die Eigentümergemeinschaft

Die WEG ist in der Regel Verbraucher im Sinne des § 13 BGB (außer sie setzt sich allein aus Unternehmern i. S. v. § 14 BGB zusammen). Daher scheidet in der Regel die Haftung der WEG nach § 13 MiLoG aus. Stellt die WEG direkt jemanden ein, ist sie natürlich unabhängig von der fehlenden Generalunternehmerhaftung zur Zahlung des Mindestlohns verpflichtet

Schließt ein Verwalter für die WEG einen Arbeitsvertrag ab, der den Mindestlohn nicht einhält, bzw. führt der Verwalter ein solches Vertragsverhältnis fort, so ist die WEG zur Nachzahlung verpflichtet. Verträge sollten daher umgehend an die gesetzlichen Vorgaben angepasst werden. Denn:

Der Verwalter wird bei der Durchführung von Verträgen als Organ nach § 31 BGB für die Eigentümergemeinschaft tätig. Die WEG muss sich das Verhalten des Verwalters zurechnen lassen. Für ein Verschulden des Verwalters bei der Auswahl oder bei Abschluss des Vertrages mit dem Unternehmer hat die WEG hingegen nicht nach § 278 BGB einzustehen (OLG Düsseldorf ZMR 1999, 423, Knop/Bonifacio in Timme, WEG Kommentar, 2. Auflage 2014, § 28 Rn. 441).

Die Aufzeichnungspflicht

Durch die Einführung einer branchenunabhängigen Aufzeichnungspflicht wird der Pflichtenkreis für alle Arbeitgeber erweitert. Hat der Arbeitgeber geringfügig Beschäftigte (nach § 8 SGB IV, z. B. Minijobber) und/oder Beschäftigte aus den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen/Wirtschaftszweigen unter Vertrag, muss er entsprechend Anfang, Ende und Dauer die wöchentliche Arbeitszeit aufzeichnen. Diese Pflicht trifft sowohl Verwalter von Wohneigentum als auch WEG, wenn diese Arbeitgeber sind. Ausgenommen sind nur Beschäftigte im Privathaushalt.

Die Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten müssen maximal bis zu zwei Jahre aufbewahrt werden, mindestens aber für die Dauer des Vertragsverhältnisses. Sind diese Daten bereits aufgrund anderer gesetzlicher Regelungen aufgezeichnet, reicht dies aus und es ist keine weitere Aufzeichnung erforderlich. Sofern z. B. bereits Wochenpläne zu Einsatzzeiten und -orten bestehen, die Beginn und Ende der Arbeitszeit dokumentieren, kann die Aufzeichnung nach dem MiLoG auf dieser Grundlage erfolgen.

Es gibt keine Vorgaben zur Form der Aufzeichnung. Auch handschriftliche Notizen oder elektronisch übermittelte Daten erfüllen die gesetzlichen Vorgaben. Die „Stundenzettel“ müssen nicht unterschrieben werden. Der Verwalter bzw. die WEG kann die Aufzeichnungspflicht dem Arbeitnehmer übertragen. Zu beachten ist, dass die WEG/die Verwalter alleinige Verantwortliche für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Aufzeichnung sind. Diese müssen bis zum siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Tag vorliegen. Nur auf Verlangen der Prüfbehörde ist das Bereithalten am Ort der Beschäftigung erforderlich, § 17 Abs. 2 Satz 2 MiLoG.

Wer die Aufzeichnungen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder diese nicht zwei Jahre lang aufbewahrt, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 7 und 8 MiLoG), die mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden kann.

Verwalter können die für sie am wenigsten aufwändige Form der Aufzeichnung wählen. Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitszeiten regelmäßig in einer (vorformulierten) Tabelle eintragen und am Ende der Woche dem Arbeitgeber übermitteln oder sich diese per Mail zusenden lassen. Alternativ stellt der DDIV seinen Mitgliedern auch ein kostenfreies Formular zur Verfügung.

Foto: © Africa Studio / Shutterstock.com


Vdiv, Redaktion

VDIVaktuell