20.04.2018 Ausgabe: 3/2018

Das neue Bauvertragsrecht

Die gesetzlichen Änderungen bieten detailliert betrachtet Anlass für Ergänzungen und Erläuterungen.

Zu den Änderungen im neuen Bauvertragsrecht haben wir in DDIVaktuell 8/17 bereits Stellung genommen. Nachfolgend soll es ergänzend und vertiefend um die wesentlichen Neuerungen gehen, die Verwalter betreffen. Bedauerlicherweise liegen dazu noch keine Gerichtsentscheidungen vor – sie werden im Laufe des Jahres sicherlich folgen, auch an dieser Stelle.

Das neue Baurecht und die VOB/B

Schon in den vergangenen Jahren hat die VOB/B an Relevanz verloren, weil sie aufgrund der Rechtsprechung des BGH im Verhältnis zum Verbraucher nicht mehr uneingeschränkt anwendbar war. Die VOB/B ist nichts anderes als eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), die zu ihrer Wirksamkeit zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart werden muss. Verträgen mit privaten Bauherrn sollte der Text der VOB/B zwingend beigefügt werden. Fehlt er, gilt die VOB/B als nicht vereinbart.
Bereits darauf hingewiesen wurde, dass die Vereinbarung der VOB/B in einem Bauvertrag zwischen einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und einem Unternehmen recht problematisch und nach neuem Baurecht nicht zu empfehlen ist: Weil die WEG bekanntlich als Verbraucher einzustufen ist, lässt sich die VOB/B kaum wirksam vereinbaren. Im für Verbraucherverträge ausschlaggebenden BGB finden sich folgende Untertitel:

Titel 9 – Werkvertrag und ähnliche Verträge

  • Untertitel 1 – Werkvertrag §§ 631 – 650 o) BGB
    • Kapitel 1 – Allgemeine Vorschriften §§ 631 – 650 BGB
    • Kapitel 2 – Bauvertrag §§ 650 a) – 650 h) BGB
    • Kapitel 3 – Verbraucherbauvertrag §§ 650 i) – 650 n) BGB
    • Kapitel 4 – Unabdingbarkeit § 650 o) BGB
  • Untertitel 2 – Architekten- und Ingenieurvertrag §§ 650 p) – 650 t) BGB
  • Untertitel 3 – Bauträgervertrag §§ 650 o) – 650 v) BGB
  • Untertitel 4 – Reisevertrag §§ 650 w) ff. BGB

Kapitel 1 umfasst die allgemeinen Vorschriften, die für alle Werkverträge, d. h. den Bauvertrag und den Verbraucherbauvertrag, gelten.

Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten sind vom Verbraucherschutz ausgenommen

Vorab ist auf § 312 g) Abs. 2 Nr. 11 BGB hinzuweisen, dessen Wortlaut den großen Bereich der Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten vom Verbraucherschutz ausnimmt: „Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferten Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden.“ Hierunter fallen alle erdenklichen Reparaturen und Instandsetzungsarbeiten, z. B. zur Heizungswartung und -entstörung, bei Wasserrohrbrüchen und -verstopfungen, an Elektrik, Lüftungsanlagen, Hausgeräten etc., aber auch an Türschlössern, beim Fensteraustausch nach Beschädigung oder an Dächern in Folge von Sturmschäden.

Hier sollte beachtet werden, dass die Arbeiten sich auf die eigentlichen Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten beschränken. Gehen sie darüber hinaus, wird das neue Bauvertragsrecht nach § 650 a) BGB Anwendung finden.

Der Begriff des Bauvertrages

In § 650 a) Abs. 1 BGB wird wie folgt definiert: Ein Bauvertrag ist ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder zum Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. § 650 a) Abs. 2 BGB regelt, wann ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks als Bauvertrag anzusehen ist. Dies ist dann der Fall, wenn er für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung ist. Unter Instandhaltung sind Arbeiten zu verstehen, die zur Erhaltung des sogenannten Soll-Zustandes des Bauwerks dienen. Arbeiten also, die für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind, etwa Pflege-, Wartungs- und Inspektionsleistungen zur Erhaltung des Bauwerks und/oder seiner Funktionsfähigkeit, dürften darunter fallen, u. U. auch Verträge zur Inspektion oder zur Pflege und Wartung von tragenden oder sonst für den Bestand des Bauwerks wichtigen Teilen.

Sogenannte Schönheitsreparaturen dürften bei wörtlicher Auslegung nicht von der Regelung des neuen Bauvertragsrechts umfasst sein. Dies ist allerdings nicht abschließend entschieden; hier wird die Rechtsprechung abzuwarten sein.

Instandhaltungsmaßnahmen setzen im Unterschied zu Maßnahmen der Instandsetzung keine Beeinträchtigung des sogenannten Soll-Zustandes voraus. Stattdessen dienen sie der Vorbeugung von Schäden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn es für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist. Festzuhalten ist, dass § 650 a) Abs. 2 BGB Instandhaltungsmaßnahmen von Außenanlagen nicht umfasst. Die bauvertraglichen Vorschriften finden auf sie somit keine Anwendung.

Änderung des Vertrages nach § 650 b BGB

Grundsätzlich gilt im BGB das sogenannte Konsensprinzip, wonach keine Partei berechtigt ist, einen Vertrag einseitig zu ändern. Die Neuregelung des § 650 b) BGB gibt nunmehr dem Besteller die Möglichkeit, von diesem Prinzip abzuweichen und Änderungen des Vertrages entweder mittels einer Einigung über die Änderung oder durch eine sogenannte Anordnung der Änderung durchzusetzen. Die Regelung zum Änderungsrecht des Bestellers erfasst die Erfüllungsphase, d. h. die Zeitspanne bis zur Abnahme. Mit ihr endet die Erfüllungsphase, und der Vertrag geht in die sogenannte Nacherfüllungsphase über. Das vorliegende Anordnungsrecht betrifft ausschließlich den Zeitraum während der Ausführung des Baus.

Des Weiteren unterscheidet § 650 b) BGB dahingehend, ob eine Änderung des vereinbarten Werkerfolges oder eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolges notwendig ist, vorliegt. Auswirkungen hat dies auf die Frage nach der Ausführungspflicht. Der Unternehmer muss Änderungen, die für die Erreichung des Werkerfolges nicht erforderlich sind, nur ausführen, wenn ihm dies zumutbar ist. Ob ein Unternehmer zur Ausführung einer Änderung verpflichtet ist, hängt also von der Art der begehrten Änderung ab. Zudem wird in Bezug auf die Vergütungsfähigkeit eines Mehraufwandes danach unterschieden, ob der Besteller oder der Unternehmer die Planungsverantwortung trägt.

Die Problematik besteht darin, dass der Unternehmer bei einem solchen Änderungsverlangen binnen 30 Tagen ein Nachtragsangebot mit entsprechenden Mehr- oder Minderkosten zu erstellen hat. Während dieser Zeit kann er möglicherweise seine Leute vom Bau abziehen, ohne dass der Besteller dies verhindern kann. In Verbindung mit einer solchen Anordnung kommt es unweigerlich zu zeitlichen Verzögerungen – mit entsprechenden Auswirkungen auf ggf. vereinbarte Konventionalstrafen, weil vertraglich festgeschriebene Termine damit nicht mehr eingehalten werden müssen.

Gegen die Einführung der für den Bauablauf praxisrelevanten gesetzlichen Regelung bestanden erhebliche Bedenken: Die für die Einigung zugrunde gelegte Frist von 30 Tagen, die den Bauablauf mit enormen Nachteilen für alle Beteiligten verzögern kann, ist nicht nachvollziehbar.

Dem Besteller ist insofern zu raten, vor einer Änderung unter Berufung auf § 650 b) BGB das Gespräch mit dem Bauunternehmer zu suchen. Die Schriftform sollte erst gewählt werden, wenn keine andere Möglichkeit besteht. Anordnungen gelten nur dann, wenn sie in Textform gegenüber dem Besteller geltend gemacht wurden (§ 650 b Abs. 2 S. 1 BGB). Entspricht sie der vorgeschriebenen Form nicht, ist sie gem. § 125 BGB nichtig. Wird also nach mündlicher Anordnung gebaut und der Besteller beruft sich auf Formnichtigkeit, müssen die Parteien zu den ursprünglich vereinbarten Leistungen zurückkehren. Eine Rückabwicklung erfolgt dann lediglich nach Bereicherungsrecht, nicht nach möglicherweise vertraglichem Vergütungsanspruch. Insofern kann der Unternehmer lediglich Wertersatz verlangen, wenn eine erbrachte Mehrleistung wegen ihrer Beschaffenheit nicht herausgegeben werden kann (vgl. § 818 Abs. 2 BGB).

Weiteres Konfliktpotenzial bergen die Definition der Zumutbarkeit, die Frage nach der Planung als Grundlage für die Angebotserstellung und die Anforderungen, die an das Angebot über Mehr- oder Mindervergütung gem. § 650 b) Abs. 1 S. 2 BGB zu stellen sind.

Die Pflicht zur Angebotserstellung

Die Vorlage eines Angebots ist gem. § 650 b) Abs. 1 S. 2 BGB eine Verpflichtung des Unternehmers. Kommt er ihr nicht nach, obwohl ihm die Planung als Grundlage dafür vorgelegt wurde, sofern sie vom Besteller vorzunehmen war, stehen diesem die Rechte und Ansprüche aus dem allgemeinen Teil des Schuldrechts sowie ggf. das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund zu. Der Besteller kann dann die Änderung gem. § 650 b) Abs. 2 BGB auch anordnen. Diese Anordnung ist als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nach § 125 b BGB schriftlich zu erteilen und führt zur Änderung des Vertrags. Folgt ihr der Unternehmer nicht, kann der Besteller den Vertrag nach erfolgter fruchtloser Fristsetzung fristlos kündigen. Ohne ersichtlichen Grund des Unternehmers, der Anordnung nicht zu folgen, erwachsen dem Besteller Schadenersatzansprüche.

Vergütungsanpassung bei ­Anordnung

§ 650 c) Abs. 1 S. 1 BGB regelt, welche Vergütung einem Unternehmer für eine angeordnete Änderung zusteht. Ermittelt wird der vermehrte oder verminderte Aufwand nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn. Wahlweise kann der Unternehmer zur Berechnung der Vergütung für den Nachtrag auf die Ansätze einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Kalkulation zurückgreifen – oder die Vergütung nach den tatsächlich erforderlichen Kosten berechnen und geltend machen. Erforderlichkeit, Angemessenheit und Üblichkeit der so ermittelten Kosten können durchaus streitig sein. Auch deshalb ist es Bestellern anzuraten, im Vorwege eine preisliche Einigung zu erzielen.
Die Fälligkeit der geschuldeten Mehrvergütung wird gem. § 650 c) Abs. 3 S. 2 BGB erst nach Abnahme des Werkes eintreten, sofern zwischenzeitlich keine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergangen ist. Die kann ein Unternehmer über eine einstweilige Verfügung gem. § 650 d) BGB herbeiführen.

Es scheint derzeit durchaus erforderlich, weitere Aspekte des neuen Bauvertragsrechts detailliert auszuführen, insbesondere die Abnahme von Werkleistungen verlangt danach. Fortsetzung folgt …

Foto: © Sensay / Shutterstock.com


Mattern, Wolfgang

Wolfgang Mattern ist Rechts­anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt im Immobilienrecht sowie Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Fachanwalt für Steuerrecht. Er ist Mitbegründer und seit über 20 Jahren geschäftsführender Vorstand des VDIV Schleswig-Holstein, ­Hamburg, Mecklenburg-­Vorpommern, mit Kanzleien in Kiel und Hamburg.