21.01.2022 Ausgabe: 1/22

Das neue WEG - Folge 9:  Die Wohnungseigentümergemeinschaft im Außenverhältnis

Das historische Konzept des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) aus dem Jahr 1951 beruhte auf der Miteigentümergemeinschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die nicht rechtsfähig ist. Im Jahr 2005 erkannte der Bundesgerichts- hof (BGH) allerdings die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an. Diese Tatsache ist in der WEG-Novelle 2007 nur unzureichend in das Gesetz umgesetzt worden: Ihre Ausübungsbefugnis für Rechte der Wohnungseigentümer (§ 10 Abs. 6 S. 3 WEG a. F.) warf eine Fülle von Detailfragen auf, und ihre Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr litt an der beschränkten Vertretungsmacht des Verwalters (vgl. § 27 Abs. 3 WEG a. F.). Die Entstehungsphase war gänzlich ungeregelt. Diese Regelungslücken hat das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) 2020 in § 9a und § 9b WEG geschlossen.

Entstehung
Nach § 9a Abs. 1 S. 2 WEG entsteht die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher; ab diesem Zeitpunkt sind die Vorschriften des WEG anwendbar. Damit ist – anders als früher – die Ein-Personen-Gemeinschaft gesetzlich anerkannt.


Rechtsfähigkeit
§ 9a Abs. 1 S. 1 WEG ersetzt inhaltlich §10 Abs. 6 S. 1 WEG a. F. Anders als diese Norm spricht das neue Recht aber nicht mehr davon, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nur „im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums“ Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann. Der Diskussion, ob mit dieser Formulierung eine Beschränkung der Rechtsfähigkeit einhergeht, ist damit die Grundlage entzogen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist voll rechtsfähig.

Befugnis zur Ausübung von Rech- ten der Wohnungseigentümer
§ 9a Abs. 2 WEG tritt an die Stelle des früheren § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a. F. und ordnet an, dass die Gemeinschaft der Wohnungs- eigentümer bestimmte Rechte im eigenen Namen ausübt, die materiell-rechtlich den Wohnungseigentümern zugeordnet sind, und entsprechende Pflichten wahrnimmt. Auch wenn sich beide Vorschriften äußerlich ähneln, liegt § 9a Abs. 2 WEG ein neues, klareres Konzept zugrunde. Das Gesetz kennt keine sogenannte geborene Ausübungs- bzw. Wahrnehmungskompetenz mehr: Rechte und Pflichten können also nicht mehr durch Beschluss der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugewiesen werden. Die Ausübung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nur noch für solche Rechte vorgesehen, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben oder die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Soweit der Kreis dieser Rechte reicht, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wie deren Inhaberin zu behandeln und verdrängt die Wohnungseigentümer. Ein praxisrelevantes Beispiel ist der Anspruch auf Rückbau einer baulichen Veränderung.


Vertretung
Der Verwalter vertritt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundsätzlich umfassend gerichtlich und außergerichtlich. Eine Ausnahme besteht lediglich für den Abschluss von Grundstückskauf- und Darlehensverträgen. Die Vertretungsmacht des Verwalters ist nach § 9b Abs. 1 S. 3 WEG durch Vereinbarung oder Beschluss nicht beschränkbar. Der Verwalter ist damit umfassendes Vertretungsorgan der Wohnungseigentümergemeinschaft und diesbezüglich im Prinzip etwa einem GmbH-Geschäftsführer vergleichbar. Anders als § 27 Abs. 2 WEG a. F. sieht das neue WEG keine Vertretung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter mehr vor. § 9b Abs. 2 WEG sieht vor, dass die Gemein- schaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder einen dazu ermächtigten Wohnungseigentümer vertreten wird. Diese Regelung sichert die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in den Fällen, in denen der Verwalter aus Rechtsgründen – nämlich nach dem Grundsatz, dass ein Vertreter nicht auch auf der anderen Seite der Rechtsbeziehung ste- hen darf – an ihrer Vertretung gehindert ist. Ein praxisrelevantes Beispiel ist der Abschluss des Verwaltervertrags.


Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, so wird sie durch alle Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten (§ 9b Abs. 1 S. 2 WEG). Ein Rechtsgeschäft kann demnach nur dann wirksam für die Gemeinschaft vorgenommen werden, wenn alle Wohnungseigentümer als Vertreter daran mitwirken. Die Vertretungsmacht ist sachlich unbeschränkt
und auch nicht durch Vereinbarung oder Beschluss beschränkbar (§ 9b Abs. 1 S. 3 WEG). Das WEG sieht keine Beschlusskompetenz zur Einräumung von Vertretungsmacht mehr vor. § 27 Abs. 3 S. 3 WEG a. F. wurde ersatzlos aufgehoben. Für die Praxis bedeutet dies: Sind sich die Wohnungsei- gentümer bei der Vertretung der Gemeinschaft nicht einig, muss ein Verwalter bestellt werden.

§ 9a Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsteht mit Anlegung der Wohnungsgrund bücher; dies gilt auch im Fall des § 8. Sie führt die Bezeichnung „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ oder „Wohnungseigentümergemeinschaft” gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks.

(2) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.


§ 9b Vertretung
(1) Die Gemeinschaft der Woh- nungseigentümer wird durch den Verwalter gerichtlich und außer gerichtlich vertreten, beim Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrags aber nur aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, wird sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam.

(2) Dem Verwalter gegenüber vertritt der Vorsitzende des Ver- waltungsbeirats oder ein durch Beschluss dazu ermächtigter Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

ZUM NACHLESEN

Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter und Dr. Felix Wobst sind Autoren des Werks „WEG-Reform 2020 – Das Wohnungseigentumsrecht nach dem WEMoG“, das für 49,80 Euro erhältlich ist. Es enthält ausführliche Erläuterungen nebst Formulierungsvorschlägen zum neuen Recht.


Otto Schmidt Verlag 2020, Broschur, 572 Seiten,
ISBN 978-3504450496

Wobst, Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, Dr. Felix

Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter
Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

Dr. Felix Wobst
Notar, Gerolzhofen