10.03.2022 Ausgabe: 2/22

Das neue WEG - Folge 10: Die Entstehungsphase der Wohnungseigentümerschaft

Nach altem Recht war im Gesetz nicht näher geregelt, wann in den praxisrelevanten Fällen der Teilung durch den Bauträger die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entstand. Ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt war, dass der sogenannte werdende Wohnungseigentümer in bestimmtem Umfang in die wohnungseigentumsrechtlichen Befugnisse des Veräußerers einrückte. Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) 2020 hat sich beider Fragen angenommen.

Entstehung
Nach § 9a Abs. 1 S. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) entsteht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher, und zwar auch im Fall des § 8 WEG. Die Anlegung der Wohnungsgrundbücher ist erfolgt, wenn jedes des nach dem Vertrag (§ 3 WEG) oder der Teilungserklärung (§ 8 WEG) einzuräumende Sondereigentum im Grundbuch eine besondere Stelle (Grundbuchblatt) erhalten hat. In diesem Moment entsteht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, § 3 Abs. 1 S. 1 Grundbuchordnung.

Wird Wohnungseigentum, wie in der Praxis verbreitet, durch Teilungserklärung nach § 8 WEG begründet, führt die Anlegung der Wohnungsgrundbücher also – anders als früher – zur Entstehung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Einziges Mitglied ist bis zur ersten Eigentumsumschreibung der aufteilende Eigentümer, was zu der Bezeichnung Ein-Personen-Gemeinschaft führt.


Recht der Ein-Personen- Gemeinschaft
Das WEG regelt das Recht der Ein-Personen-Gemeinschaft nicht besonders. Daraus darf nicht etwa gefolgert werden, dass die Vorschriften, die ihrem Wortlaut nach eine Mehrzahl von Wohnungseigentümern voraussetzen (z. B. § 19 Abs. 1 WEG), in diesem Stadium der Gemeinschaft nicht anwendbar sind. Ein solches Ergebnis ist nur zutreffend, wenn die in Rede stehende Vorschrift spezifische Probleme lösen soll, die sich aus der Mehrzahl der Wohnungseigentümer ergeben. In allen anderen Fällen sind die Regeln zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch in der Ein-Personen-Gemeinschaft anwendbar; enthalten sie das Merkmal „die Wohnungseigentümer“, so ist dies als „der Wohnungseigentümer“ zu lesen.

Praktisch relevant ist dies vor allem für das Beschlussrecht: Auch in der Ein-Personen-Gemeinschaft können Beschlüsse gefasst werden. Das in §§ 23 ff. WEG geregelte Verfahren der Beschlussfassung ist allerdings auf die Meinungsbildung einer Gruppe von Wohnungseigentümern zugeschnitten. Auf die Ein-Personen-Gemeinschaft ist es daher nicht anwendbar; der Alleinwohnungseigentümer kann vielmehr jederzeit ad hoc Beschlüsse fassen. Konstitutiver Akt des Ein-Mann-Beschlusses ist nicht seine Verkündung oder gar Protokollierung, sondern der nach außen erkennbare Entschluss des Alleinwohnungseigentümers, dass eine bestimmte Rechtsfolge eintreten soll. Der gefasste Ein-Mann-Beschluss unterliegt allerdings der Protokollierungspflicht nach § 24 Abs. 6 S. 1 WEG. Wirksamkeitsvoraussetzung ist dies, wie ausgeführt, für den Beschluss indes nicht.


Werdender Wohnungseigentümer
Insbesondere bei Bauträger-Modellen wohnen die Erwerber aufgrund der Vorschriften der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) häufig schon längere Zeit in „ihren“ Wohnungen, bevor sie mit Zahlung der letzten Rate als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen werden. Hier ist fraglich, ab wann und in welchem Umfang die Erwerber, also die zukünftigen Wohnungseigentümer, an der Verwaltung der Anlage mitwirken dürfen. Dieses Problem ist schon vor der WEG-Reform 2020 unter dem Schlagwort „werdender Wohnungseigentümer“ diskutiert worden. Es ist jetzt in § 8 Abs. 3 WEG gesetzlich geregelt. Unter den dort genannten Voraussetzungen ist ein Erwerber im Innenverhältnis wie ein Wohnungseigentümer zu behandeln. Das führt dazu, dass er etwa zu Versammlungen zu laden ist und anstelle des Bauträgers dort abstimmen, aber auch Beschlüsse anfechten kann.

§ 8 Abs. 3 WEG setzt voraus, dass
■ der Erwerber einen Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum gegen den teilenden Eigentümer hat,

■ der durch Vormerkung im Grundbuch gesichert ist, und

■ dass dem Erwerber der Besitz an den zum Sondereigentum gehörenden Räumen übergeben wurde.

Zeitliche Grenzen stellt die Vorschrift nicht auf. § 8 Abs. 3 greift deshalb auch dann, wenn der aufteilende Eigentümer erst nach vielen Jahren eine zunächst zurückbehaltene Wohnung doch noch an einen „Nachzügler“ verkauft.


Befugnis zur Ausübung von Rechten der Wohnungseigentümer
§ 9a Abs. 2 WEG tritt an die Stelle des früheren § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a. F. und ordnet an, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestimmte Rechte, die materiell-rechtlich den Wohnungseigentümern zugeordnet sind, im eigenen Namen ausübt und entsprechende Pflichten wahrnimmt. Auch wenn sich beide Vorschriften äußerlich ähneln, liegt § 9a Abs. 2 WEG ein neues, klareres Konzept zugrunde. Das Gesetz kennt keine sogenannte geborene Ausübungs- bzw. Wahrnehmungskompetenz mehr: Rechte und Pflichten können also nicht mehr durch Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugewiesen werden. Die Ausübung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nur noch für solche Rechte vorgesehen, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben oder die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Soweit der Kreis dieser Rechte reicht, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wie deren Inhaberin zu behandeln und verdrängt die Wohnungseigentümer. Ein praxisrelevantes Beispiel ist der Anspruch auf Rückbau einer baulichen Veränderung.


Vertretung
Der Verwalter vertritt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundsätzlich umfassend gerichtlich und außergerichtlich. Eine Ausnahme besteht lediglich für den Abschluss von Grundstückskaufund Darlehensverträgen. Die Vertretungsmacht des Verwalters ist nach § 9b Abs. 1 S. 3 WEG durch Vereinbarung oder Beschluss nicht beschränkbar. Der Verwalter ist damit umfassendes Vertretungsorgan der Wohnungseigentümergemeinschaft und diesbezüglich im Prinzip etwa einem GmbH-Geschäftsführer vergleichbar. Anders als § 27 Abs. 2 WEG a. F. sieht das neue WEG keine Vertretung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter mehr vor.

§ 9b Abs. 2 WEG sieht vor, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder einen dazu ermächtigten Wohnungseigentümer vertreten wird. Diese Regelung sichert die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in den Fällen, in denen der Verwalter aus Rechtsgründen – nämlich nach dem Grundsatz, dass ein Vertreter nicht auch auf der anderen Seite der Rechtsbeziehung stehen darf – an ihrer Vertretung gehindert ist. Ein praxisrelevantes Beispiel ist der Abschluss des Verwaltervertrags. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, so wird sie durch alle Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten (§ 9b Abs. 1 S. 2 WEG). Ein Rechtsgeschäft kann demnach nur dann wirksam für die Gemeinschaft vorgenommen werden, wenn alle Wohnungseigentümer als Vertreter daran mitwirken. Die Vertretungsmacht ist sachlich unbeschränkt und auch nicht durch Vereinbarung oder Beschluss beschränkbar (§ 9b Abs. 1 S. 3 WEG). Das WEG sieht keine Beschlusskompetenz zur Einräumung von Vertretungsmacht mehr vor. § 27 Abs. 3 S. 3 WEG a. F. wurde ersatzlos aufgehoben. Für die Praxis bedeutet dies: Sind sich die Wohnungseigentümer bei der Vertretung der Gemeinschaft nicht einig, muss ein Verwalter bestellt werden.
 

§ 8 Teilung durch den Eigentümer
(3) Wer einen Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum gegen den teilenden Eigentümer hat, der durch Vormerkung im Grundbuch gesichert ist, gilt gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und den anderen Wohnungseigentümern anstelle des teilenden Eigentümers als Wohnungseigentümer, sobald ihm der Besitz an den zum Sondereigentum gehörenden Räumen übergeben wurde.


§ 9a Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsteht mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher; dies gilt auch im Fall des § 8. Sie führt die Bezeichnung „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ oder „Wohnungseigentümergemeinschaft” gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks.
 


ZUM NACHLESEN
Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter und Dr. Felix Wobst sind Autoren des Werks „WEG-Reform 2020 – Das Wohnungseigentumsrecht nach dem WEMoG“, das für 49,80 Euro erhältlich ist. Es enthält ausführliche Erläuterungen nebst Formulierungsvorschlägen zum neuen Recht.


Otto Schmidt Verlag 2020, Broschur, 572 Seiten, ISBN 978-3504450496
 

Wobst, Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, Dr. Felix

Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter
Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

Dr. Felix Wobst
Notar, Gerolzhofen