05.03.2021 Ausgabe: 1/21

Das neue WEG -  Folge 1: Das ändert die Reform am Finanzwesen.

Von Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter,  Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, und Dr. Felix Wobst, Notarassessor

Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) macht auch vor dem Finanzwesen der Gemeinschaft nicht Halt. § 28 Wohnungseigentumsgesetz (WEG), der Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung regelt, wurde neu gefasst. Er lautet seit 1. Dezember 2020 wie folgt:

§ 28 Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, ­Vermögensbericht
(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält.

(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hi­naus die Einnahmen und Ausgaben enthält.

(3) Die Wohnungseigentümer können beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.

(4) Der Verwalter hat nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.

Trennung zwischen Zahlenwerken und Beschluss
Die wichtigste Neuerung liegt darin, dass die Zahlenwerke, also der Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung, künftig rechtlich zu trennen sind von den Beschlüssen, die gefasst werden. Denn es wird nicht mehr „über den Wirtschaftsplan“ oder „über die Jahresabrechnung“ beschlossen, sondern nur noch über die zu zahlenden Vorschüsse (§ 28 Abs. 1 S. 1 WEG) und die zu zahlenden Nachschüsse bzw. – im Fall der Überdeckung – über die Anpassung der Vorschüsse (§ 28 Abs. 2 S. 1 WEG).

Beispiel
Zur Veranschaulichung: Eine Gemeinschaft besteht aus den Wohnungseigentümern A (Miteigentumsanteil: 20/100), B (Miteigentumsanteil: 30/100) und C (Miteigentumsanteil: 50/100). Es fallen voraussichtlich nur Ausgaben für die Brandversicherung (800 Euro) und die Abfallbeseitigung (1.000 Euro) an. Der Erhaltungsrücklage sollen 3.000 Euro zugeführt werden; weitere Rücklagen wurden nicht beschlossen. Die Kostentragung richtet sich nach Miteigentumsanteilen.

Von den Ausgaben haben folglich A 360 Euro, B 540 Euro und C 900 Euro zu tragen und von der Zuführung zur Erhaltungsrücklage A 600 Euro, B 900 Euro und C 1.500 Euro.

Musterbeschluss
Der schulmäßige Wortlaut des Beschlusses nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEG würde lauten: „Es werden folgende monatlich jeweils im Voraus fällige Vorschüsse beschlossen:



Der Beschluss gilt ab Januar 2021. Er gilt solange, bis ein neuer Beschluss über Vorschüsse gefasst wird.“

Beschlossen wird also nur noch über die „nackten“ Zahlen, nämlich die Beträge, die die Wohnungseigentümer zur Kostentragung bzw. zu Rücklagen zu leisten haben. Alle anderen Inhalte, die nach § 28 Abs. 1 S. 2 WEG lediglich „darüber hi­naus“ im Wirtschaftsplan enthalten sind, sind nicht Beschlussgegenstand. Das gilt für die Ansätze im Gesamtwirtschaftsplan und die angewandten Verteilerschlüssel. Kurz: Beschlussgegenstand ist nur das Ergebnis in Euro, die Werte und Rechenoperationen aber, auf denen dieses Ergebnis beruht, sind es nicht.

Nach Ablauf des Jahres 2021 stellt sich heraus, dass die Ausgaben bei insgesamt 2.000 Euro lagen, weil die Eingangstür für 200 Euro repariert werden musste. Die Zuführung zur Erhaltungsrücklage soll unverändert bei 3.000 Euro liegen.

Musterbeschluss
Der schulmäßige Wortlaut des Beschlusses nach § 28 Abs. 2 S. 1 WEG würde lauten: „Es werden folgende Nachschüsse für das Jahr 2021 beschlossen:

 

Die Nachschüsse sind innerhalb von zwei Wochen fällig.“

Beschlossen werden also wiederum nur die Nachschüsse, aber nicht „die Jahresabrechnung“.

Folgen für die Anfechtbarkeit
Die gesetzlichen Änderungen haben enorme Auswirkungen auf die Anfechtbarkeit von Beschlüssen. Denn in der Vergangenheit konnte der Beschluss „über den Wirtschaftsplan“ bzw. „über die Jahresabrechnung“ grundsätzlich immer erfolgreich gerichtlich angegriffen werden, wenn das Zahlenwerk irgendeinen Fehler enthielt. Fehlte zum Beispiel ein Kontostand in der Jahresabrechnung, wurde der Beschluss auf Anfechtungsklage hin aufgehoben. Das war insbesondere dann ärgerlich, wenn die Nachschüsse, die die Wohnungseigentümer zahlen sollten, korrekt waren. Damit ist nach der Reform Schluss: Ein Beschluss kann künftig nur noch erfolgreich angefochten werden, wenn er an einem sog. zahlungspflichtrelevanten Mangel leidet, wenn der klagende Wohnungseigentümer also geltend macht, dass der Betrag, den er zahlen muss, zu hoch ist. Denn Beschlussgegenstand sind nur noch diese Beträge. Eine erfolgreiche Anfechtung scheidet dagegen aus, wenn lediglich die formalen Anforderungen an die Darstellung nicht eingehalten wurden. Es war nämlich gerade das Ziel des Gesetzgebers, die Streitigkeiten über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung zu reduzieren.

Bedeutung der Zahlenwerke
Die Pflicht des Verwalters, korrekte Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen aufzustellen, wird durch die Reform aber natürlich nicht beseitigt (vgl. § 28 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 WEG). Weiterhin hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf. Diesen Anspruch kann er auch gerichtlich geltend machen, nur eben nicht mehr durch Anfechtung des Beschlusses, sondern im Wege einer Leistungsklage gegen die Gemeinschaft auf Korrektur des Zahlenwerks.

Bei Inhalt und Aufbau der Zahlenwerke hat sich wenig geändert: Der Wirtschaftsplan muss wie bisher einen Gesamtwirtschaftsplan und die Einzelwirtschaftspläne enthalten. Etwas entschlackt wurde die Jahresabrechnung. Das Gesetz verlangt nicht mehr zwingend, dass die Konten- und Rücklagenstände aufzunehmen sind, denn sie sind Teil des Vermögensberichts. Freilich bleibt es jedem Verwalter unbenommen – auch zur Selbstkontrolle –, die entsprechenden Daten weiter anzugeben.

Der Vermögensbericht
Den Wohnungseigentümern ist künftig einmal jährlich ein Vermögensbericht zur Verfügung zu stellen. Der Vermögensbericht muss den Stand der Rücklagen und des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthalten (§ 28 Abs. 4 WEG). Eine bestimmte Form sieht das Gesetz dafür nicht vor, es genügt deshalb notfalls auch eine Excel-Liste. Empfehlenswert ist es, den Vermögensbericht zusammen mit der Jahresabrechnung zu übersenden.

Angegeben werden muss stets der Stand der Bankkonten und der Erhaltungsrücklage sowie etwaiger Sonderrücklagen, und zwar jeweils der Ist-Stand. Außenstände auf die Rücklage sind nicht einzubeziehen. Wurden Mittel entnommen, z. B. zur Liquiditätssicherung, sind sie abzuziehen.

Neben diesen „Geldpositionen“ sind auch alle Vermögensgegenstände, die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugeordnet sind, anzugeben, insbesondere Grundstücke und bewegliche Sachen, die ihr gehören (z. B. Rasenmäher), und Forderungen (z. B. offene Hausgeldforderungen). Anzugeben sind zudem alle Verbindlichkeiten (z. B. noch nicht getilgte Kredite).

Eine Ausnahme besteht jedoch für unwesentliche Vermögensgegenstände. Sie müssen nicht aufgeführt werden. Unwesentlich ist ein Gegenstand, wenn er für die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft unerheblich ist. Sinnvoll dürfte es sein, dafür an die steuerrechtliche Grenze für sog. geringwertige Wirtschaftsgüter von derzeit 800 Euro nach § 6 Abs. 2 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuknüpfen, wobei für Kleinstgemeinschaften (bis acht Einheiten) der halbe Wert (400 Euro) und bei sehr großen Gemeinschaften (über 100 Einheiten) der doppelte Wert (1.600 Euro) anzusetzen ist.

In keinem Fall erforderlich ist eine Bewertung der Vermögensgegenstände. Deshalb genügt es, Geldforderungen und -verbindlichkeiten mit ihrem Nennbetrag anzugeben (z. B. „Darlehen der Sparkasse Berlin, Stand: 1.517,00 Euro“) und sonstige Rechte und Sachen zu benennen (z. B. „Aufsitzrasenmäher John Deere X354“), ggf. unter Angabe der Menge (z. B. „Heizöl 12.300 Liter“).


Foto: © Grand Warszawski / Shutterstock.com

 

Wobst, Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, Dr. Felix

Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter
Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

Dr. Felix Wobst
Notar, Gerolzhofen