21.07.2021 Ausgabe: 4/21

Das neue WEG - FOLGE 4:  Erhaltung, Erstherstellung und modernisierende Instandsetzung

Im letzten Heft ging es an dieser Stelle um das Recht der baulichen Veränderungen, das durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) grundlegend verändert wurde. Die neuen Vorschriften wirken sich auch auf die Themen Erstherstellung und modernisierende Instandsetzung aus. Wenig Neues gibt es dagegen bei den Erhaltungsmaßnahmen.

I. Erhaltung
Ist das Gemeinschaftseigentum beschädigt oder abgenutzt und soll es in den Zustand versetzt werden, den es früher schon einmal hatte, spricht man rechtlich von einer Erhaltungsmaße. Der Begriff der Erhaltung ist der Oberbegriff für Instandhaltung und Instandsetzung. Entscheidend ist, dass durch die Baumaßnahme lediglich ein früher bereits bestehender Zustand hergestellt wird.

Beispiel
Die bestehende Gasheizung ist defekt. Die Reparatur der defekten Anlage oder der Einbau einer neuen wären reine Erhaltungsmaßnahmen, da lediglich der Zustand hergestellt wird, der früher schon bestand.

Durch die WEG-Reform hat sich an den Vorschriften, die für die Erhaltung gelten, wenig geändert. Nach wie vor ist über Erhaltungsmaßnahmen gemäß WEG durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden (§ 19 Abs. 1). Wie früher haben die Wohnungseigentümer auch einen Anspruch darauf, dass erforderliche Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, denn die Erhaltung gehört zur ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 18 Abs. 2, § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Ein Wohnungseigentümer könnte deshalb eine Erhaltungsmaßnahme auch im Wege einer Beschlussersetzungsklage durchsetzen.

Die Kosten von Erhaltungsmaßnahmen haben grundsätzlich alle Wohnungseigentümer nach dem Anteil ihrer Miteigentumsanteile (MEA) zu tragen, soweit nichts anderes vereinbart wurde (§ 16 Abs. 2 S. 1 WEG). Vereinfacht wurde durch die WEG-Reform aber die Möglichkeit, über einen abweichenden Verteilerschlüssel zu beschließen. Die Einschränkung des alten Rechts auf den Einzelfall (vgl. § 16 Abs. 4 WEG a. F.) wurde aufgehoben. Nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG kann deshalb auch abstrakt für die Zukunft über die Kostenverteilung beschlossen werden.

Formulierungsvorschlag
„Die Wohnungseigentümer beschließen, den Verteilerschlüssel für *** [Kostenart Erhaltungsmaßnahmen] gemäß Wirtschaftsplan beginnend ab dem ersten Wirtschaftsjahr, das dieser Beschlussfassung folgt, zu ändern. Diese Kosten werden nicht mehr auf alle Eigentümer wie bisher nach *** [MEA] verteilt, sondern auf alle Eigentümer nach *** [Fläche]. Hierbei sind diejenigen Flächen heranzuziehen, die *** [der Gutachter in seinem Gutachten vom *** ermittelt hat/Alternativ: wie sie sich aus Anlage *** ergibt].“

II. Erstherstellung
Hat das gemeinschaftliche Eigentum den nach der Teilungserklärung vorgesehenen Soll-Zustand zu keinem Zeitpunkt erreicht (z. B. weil der Bauträger geschlampt hat), so bezeichnet man die Beseitigung dieses Mankos durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Erstherstellung. Die sich hierbei ergebenden Probleme sind gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Die WEG-Reform hat die Problematik der Erstherstellung zwar nicht ausdrücklich geregelt, zwingt aber doch dazu, alte Sichtweisen zu überdenken.

Zum alten Recht ging die herrschende Meinung davon aus, dass jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Anspruch auf erstmalige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums hat. Nur in Ausnahmefällen, bei unzumutbaren Belastungen, konnte davon abgesehen werden.

Vor dem Hintergrund der neuen Vorschriften für bauliche Veränderungen (vgl. § 20 WEG) lässt sich das nicht mehr aufrechterhalten. Zwar hat auch nach neuem Recht jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass das gemeinschaftliche Eigentum erstmalig hergestellt wird. Zu beachten ist aber, dass nun mit einfacher Stimmenmehrheit bauliche Veränderungen beschlossen werden können. Das schließt die Entfernung von Bauteilen ein. Weil die Nicht-Herstellung eines Bauteils seiner Entfernung gleichsteht, kann kein unbedingter Erstherstellungsanspruch mehr bestehen.

Beispiel
Die Teilungserklärung sieht den Bau eines überdachten Fahrradstell­platzes vor.

Variante 1: Die Überdachung wird vom Bauträger nicht errichtet. Die Wohnungseigentümer beschließen mehrheitlich, die Überdachung nicht zu errichten.

Variante 2: Die Überdachung wurde vom Bauträger errichtet. Die Wohnungseigentümer beschließen mehrheitlich, die Überdachung zu entfernen.

Beide Beschlüsse haben dieselbe tatsächliche Auswirkung, nämlich dass ein überdachter Fahrradstellplatz nicht (mehr) zum Soll-Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums gehört. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied, ob die Wohnungseigentümer die erstmalige Herstellung ablehnen oder aber einen Beschluss fassen, das bereits errichtete Gemeinschaftseigentum baulich so zu verändern, dass es dem Zustand vor erstmaliger Herstellung entspricht.

Das neue Recht weitet damit die Entscheidungsbefugnisse der Mehrheit, wie mit dem bisher nicht hergestellten gemeinschaftlichen Eigentum verfahren werden soll, im Vergleich zum bisherigen Recht aus. Das Interesse der Minderheit, das gemeinschaftliche Eigentum erstmalig herzustellen, bleibt gleichwohl gewahrt. Insbesondere wenn die Errichtung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist, damit ein Wohnungseigentümer sein Sondereigentum überhaupt gebrauchen kann, besteht ein Erstherstellungsanspruch, weil dem Wohnungseigentümer durch die Nicht-Herstellung ein Sonderopfer im Sinne des § 20 Abs. 4 WEG aufgebürdet würde.

III. Modernisierende Instandsetzung
Erhaltungsmaßnahmen werden häufig dazu genutzt, das zu erhaltende Bauteil zu verbessern. Die Erhaltungsmaßnahme wird also mit einer baulichen Veränderung verbunden.

Beispiel
Die bestehende Gasheizung ist defekt. Anstelle einer neuen Gasheizung wird beschlossen, das Gebäude an ein Fernwärmenetz anzuschließen.

Die Rechtsprechung hat dafür die Figur der sog. modernisierenden Instandsetzung geschaffen, die der Gesetzgeber mit der WEG-Novelle 2007 in § 22 Abs. 3 WEG a. F. anerkannt hat. Die Besonderheit dieser Figur lag darin, dass die in einer modernisierenden Instandsetzung eigentlich enthaltene bauliche Veränderung mit einfacher Stimmenmehrheit auf Kosten aller Wohnungseigentümer beschlossen werden durfte, wenn sich die Mehrkosten gegenüber der bloßen Erhaltung in einem angemessenen Zeitraum amortisieren. Auf das erhöhte Quorum des § 22 Abs. 2 WEG a. F. kam es nicht an. Die sog. modernisierende Instandsetzung war also ein Kniff der Rechtsprechung, um die strengen Anforderungen für bauliche Veränderungen zu umgehen.

Die WEG-Reform hat die sog. modernisierende Instandsetzung als eigenständige Kategorie aufgegeben. Denn nunmehr können alle baulichen Veränderungen – also auch solche anlässlich einer Erhaltungsmaßnahme – mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden (§ 20 Abs. 1 WEG). Wenn sich deren Kosten in einem angemessenen Zeitraum amortisieren, sind sie von allen Wohnungseigentümern zu tragen (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG). Das, was früher nur für sog. modernisierende Instandsetzungen galt, gilt jetzt also für alle baulichen Veränderungen. Die Fälle der sog. modernisierenden Instandhaltung fügen sich damit nahtlos in das System der §§ 20 und 21 WEG ein, ohne dass es dafür einer eigenen Kategorie bedürfte.

Fortsetzung des Beispiels
Amortisieren sich die Mehrkosten des Fernwärmeanschlusses gegenüber einer neuen Gasheizung im Sinne des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG, sind sie von allen Wohnungseigentümern zu tragen.

Die WEG-Reform löst damit eine Ungereimtheit des früheren Rechts auf. Denn es war nicht recht verständlich, warum bauliche Veränderungen, deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes amortisieren, unterschiedlich behandelt werden sollen, je nachdem ob sie anlässlich einer Erhaltungsmaßnahme beschlossen wurden (dann: modernisierende Instandsetzung mit einfacher Stimmenmehrheit) oder losgelöst von einer solchen (dann: § 22 Abs. 2 WEG a. F.).

Beispiel
Ist die bestehende Gasheizung nicht defekt, konnte nach altem Recht kein Fernwärmeanschluss auf Kosten aller Wohnungseigentümer beschlossen werden, auch wenn sich die Kosten amortisiert haben. Denn Voraussetzung für eine sog. modernisierende Instandsetzung war immer ein Defekt. Nach neuem Recht kann dagegen auch die noch intakte Gasheizung ausgetauscht werden.

ZUM NACHLESEN
Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter und Dr. Felix Wobst sind Autoren des Werks „WEG-Reform 2020 – Das Wohnungseigentumsrecht nach dem WEMoG“, das für 49,80 Euro erhältlich ist. Es enthält ausführliche Erläuterungen nebst Formulierungsvorschlägen zum neuen Recht.

Otto Schmidt Verlag 2020, Broschur, 572 Seiten, ISBN 978-3504450496

 

 

 

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Wobst, Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, Dr. Felix

Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter
Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

Dr. Felix Wobst
Notar, Gerolzhofen