07.09.2022 Ausgabe: vdivDIGITAL 2022/2

Das Recht auf Glasfaser - Adieu Kupferkabel! Willkommen Glasfaser!

In Politik und Medien ist oft von „Zeitenwende“ und „Epochenwechsel“ die Rede – das gilt auch für die Medienversorgung von Immobilien. Der Gesetzgeber schuf mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) die Grundlagen, um den Koax-Kabelanschluss und die Telefonleitungen aus Kupfer durch Glasfaser abzulösen. Die Bundesregierung hat sich festgelegt: Der kupferfreie Glasfaseranschluss bis in die Wohnung hinein (FTTH, Fibre-to-the-Home) soll Standard für die digitale Grundversorgung in Deutschland werden – und nichts anderes. Dafür sprechen wichtige Gründe: Die Datenübertragung über Lichtimpulse bietet eine physikalisch nahezu unbegrenzte Kapazität, die auch in Generationen nicht eingeholt werden kann. Glasfasernetze müssen im Haus nicht verstärkt werden und benötigen kaum Strom – sieben Mal weniger als Koax-Fernsehkabel. Der wichtigste Grund ist jedoch der Verbraucherschutz: Glasfasernetze können anbieteroffen betrieben werden. Auch die Abrechnung des Fernsehanschlusses über die Nebenkostenumlage ist ab 30. Juni 2024 gesetzlich untersagt, um Verbraucher aus der Zwangsbindung an langfristige Verträge zu befreien und so den Umstieg zu anderen Infrastrukturen zu erleichtern. 

Mit einer starken Internetverbindung und einem internetfähigen Fernseher kann man ohne einen zusätzlichen Fernsehanschluss TV-Apps, Streamingdienste wie Netflix, Disney+, WOW (ehemals Sky Ticket) oder Plattformen wie Magenta TV der Telekom nutzen.

Seit sich der Gesetzgeber auf FTTH-Glasfaser festgelegt hat, ist ein regelrechter Investitionsboom ausgebrochen. Die Tele-kom allein investiert beispielsweise 30 Milliarden Euro, um bis 2030 Wohn- und Geschäftsgebäude mit Glasfaseranschlüssen zu modernisieren. Dafür kooperiert sie auch mit Stadtnetzbetreibern sowie anderen regionalen Partnern und öffnet ihre Glasfasernetze für Wettbewer­ber wie 1&1, Vodafone & Co. Das bedeutet: Verbraucher, die Kabelnetzbetreiber-Dienste – etwa von Vodafone – nutzen möchten, benötigen dafür keinen Kabelanschluss mehr: Die Telekom-Glasfaser ist offen für alle und alles.

Der Umstieg von Kabel auf Glasfaser kommt in ganz Deutschland gewaltig ins Rollen; Verwalter sollten sich deshalb jetzt vorbereiten: Schon morgen kann der Glasfaseranbieter um Mitwirkung beim Anschluss der Liegen­schaften bitten. Um Erlaubnis muss er nicht fragen: Nach § 134 TKG darf der Grundstückseigentümer den Anschluss des Gebäudes an ein Glasfasernetz nicht verbieten. Wichtig dabei: Ein vorhandener Kabelanschluss ist weder technisch noch rechtlich als gleichwertiger Ersatz zu betrachten, auch wenn er mit Begriffen wie „Kabel-Glasfaser“ oder „Giga-Netz“ angepriesen wird. Der Verwalter hat in der Regel ein Zeitfenster von wenigen Wochen, um Planungsunterlagen für den Glasfaser-Hausanschluss („Herstellungsauftrag Netze“) auszufüllen und zu unterschreiben. Dabei sollte er es nicht belassen, sondern die Beratungsangebote des Netzanbieters nutzen: Im Rahmen einer so genannten „Auskundung“ kann die Erschließung des Gebäudes und der Installationsort des Glasfaser-Abschlusspunktes vor Ort abgestimmt werden. Dies gehört in fast allen Verwal­terverträgen zu den Standards des Leistungsverzeichnis­ses. Ein WEG-Beschluss ist für den Hausanschluss nicht erforderlich: Der Hausanschluss ist bei der Telekom und anderen Anbietern während der Ausbauphase kostenlos, damit geht der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG also keine beschlusspflichtige „erhebliche Verpflichtung“ ein. Sollte der Verwalter jedoch den Anschluss verpassen, ist Ärger vorprogrammiert: Ein nachträglicher Anschluss ist aufwendig und teuer.


Kostenlose Glasfaser für alle – Sonderhonorar für den Verwalter
Dennoch sollten Verwalter frühzeitig Eigentümer und Verwaltungsbeirat in den Glasfaseranschluss einbeziehen: Denn ist das Gebäude erst am neuen Netz, hat der Betreiber nach § 145 TKG das Recht, sein Netz in der Wohnung des Endnutzers abzuschließen. Wohnungseigentümer können den Anschluss ihrer Wohnung nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 WEG von den anderen Wohnungseigentümern verlangen und Netzbetreiber können den Ausbau aufgrund von § 145 Abs. 1 TKG gegen Wohnungseigentümer durchsetzen. Das Amtsgericht Plön (Az 75 C 11/19 vom 3.4.2020) urteilte: Der Glasfaseranschluss eines Bewohners bedarf nicht der Zustimmung aller Eigentümer. Bestellt ein Nutzer einen Dienst, verlegt der Netzbetreiber eine Glasfaserleitung bis in seine Wohnung. Das ist für den Nutzer und den Gebäudeeigentümer kostenlos, aber nervig: Niemand hat gerne ständig „Strippenzieher“ im Haus. Verwalter bevorzugen deshalb meist den FTTH-Vollausbau, durch den alle Bewohner auf einen Schlag einen Glasfaseranschluss bekommen — bei freiwilliger Nutzung und freier Anbieterwahl, versteht sich. Dies ist in der Regel in wenigen Tagen erledigt, die Leitungen können unauffällig verlegt werden. Einen WEG-Beschluss über den FTTH-Vollausbau herbeizuführen, erspart dem Verwalter nicht nur Arbeit: Der VDIV-Mustervertrag sieht für die Betreuung der Maßnahme ein Sonderhonorar vor. Verwalter, die mehr als 50 WE verwalten, haben gute Chancen, einen kostenlosen Vollausbau auszuhandeln.

Susbauer, Stefan

ist freier Autor und Berater im Bereich Medien und Kommunikation mit Spezialisierung im Themenfeld Kabel-und Glasfasernetze.