10.03.2022 Ausgabe: 2/22

WEG-Recht: Sanierungskosten trägt nur die Untergemeinschaft

(BGH, Urteil vom 12.11.2021 – Az. V ZR 204/20)
 

DAS THEMA
In großen Mehrhausanlagen werden häufig Untergemeinschaften gebildet, die eigene Kompetenzen in der Gemeinschaftsordnung zugewiesen bekommen, insbesondere ihre eigenen Versammlungen abhalten, ihre eigenen Instandhaltungsrücklagen bilden und über die Sanierung der ihnen zugewiesenen Bauteile selbstständig entscheiden. Hierbei kann eine hohe Kostenlast auf verhältnismäßig wenige Eigentümer der jeweiligen Untergemeinschaft zukommen. Ob die wenigen Eigentümer der jeweiligen Untergemeinschaften diese Kostenlast
alleine stemmen müssen, oder ob sie bei der Sanierung von tragenden Bauteilen – hier einer Tiefgarage – die Beteiligung aller Miteigentümer verlangen können, hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden. Diese Verteilung der Kosten ist gerade auch vor dem Hintergrund der Entscheidung zur Sanierungspflicht von Eigentümergemeinschaften (BGH, Urteil vom 15.10.2021, Az. V 225/20) interessant.


DER FALL
Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus mehreren Häusern, die teilweise mit einer mehrstöckigen Tiefgarage unterkellert sind, wobei die Tiefgarage das Fundament der Häuser bildet. Für die verschiedenen Häuser und für die Tiefgarage wurden in der Teilungserklärung als solche bezeichnete „Sondernutzungsgemeinschaften“ gebildet. Diese sollten sich nach Maßgabe der Teilungserklärung selbstständig verwalten und Instandhaltungsrücklagen jeweils für die Sondernutzungsgemeinschaft bilden, wobei vorgesehen war, in den Häusern noch eine gesonderte Instandhaltungsrücklage für die Aufzüge zu bilden. Die Sondergemeinschaft Tiefgarage beschloss im Jahr 2019 die Sanierung der Tiefgarage mit einem Kostenvolumen von rund fünf Millionen Euro. In einem weiteren TOP wurde beschlossen, von den Stellplatzeigentümern eine Sonderumlage zur Finanzierung zu erheben. Hierbei entfielen auf jeden einzelnen Stellplatzeigentümer über 20.000 Euro, damit deutlich mehr als der Wert des Stellplatzes. Der Kläger ist Sondereigentümer (nur) eines Stellplatzes in dieser Tiefgarage. Er hat den Beschluss zur Finanzierung angefochten und hilfsweise von der WEG verlangt, seinen Tiefgaragenstellplatz zum Preis von 8.000 Euro zu übernehmen. Amtsgericht und Landgericht haben den Beschluss für nichtig erklärt, die Revision der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft zum BGH hatte jedoch Erfolg und führte zur Abweisung der Klage.

Das Berufungsgericht hatte in erster Linie argumentiert, dass die „Sondernutzungsgemeinschaften“ nicht allein über die Durchführung einer Instandhaltung und von Sanierungsmaßnahmen sowie deren Kostenverteilung beschließen könnten. Da die Tiefgarage tragende Bauteile für die gesamte Eigentümergemeinschaft enthält und das Fundament der darüber befindlichen Wohnhäuser darstellt, dürfe nicht nur ein kleiner Teil der Wohnungseigentümer über die Sanierung entscheiden. Der BGH weist zunächst darauf hin, dass der Beschluss über die Sanierung als solche hier gerade nicht angefochten sei, sondern sich die Anfechtungsklage auf die Kostenverteilung beschränke. Die Untergemeinschaften, die hier mit der ungebräuchlichen Bezeichnung „Sondernutzungsgemeinschaften“ gemeint sind, sind nach den Regelungen der Gemeinschaftsordnung weitgehend verselbstständigt. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Sinn der Gemeinschaftsordnung, wie es sich auch aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt. Die Sondernutzungsgemeinschaften können sich selbstständig verwalten, eigene Versammlungen abhalten und jeweils eigene Instandhaltungsrücklagen bilden. Daher lag es auch in ihrer Kompetenz, Beschlüsse über die Sanierung zu fassen. Es entspricht dann der nächstliegenden Bedeutung der Regelungen der Gemeinschaftsordnung, dass allein die Teileigentümer dieser Untergemeinschaft auch die Kosten für die Sanierungsmaßnahmen zu tragen haben. Dies gilt auch für Bauteile, die tragende Teile für andere Gebäude der Wohnungseigentümergemeinschaft bilden. Zulässig ist dies dann, wenn die Baukörper in der Weise getrennt sind, dass eine eindeutige Kostenzuordnung möglich ist. Hier hatte die Gemeinschaftsordnung Schleusen und Technikräume besonders geregelt. Die übrigen Teile der Tiefgarage können einer selbstständigen Untergemeinschaft auch dann zugeordnet werden, wenn sie tragende Teile für andere Bauteile bilden. Das Argument des Berufungsgerichts, wonach in diesem Fall den Untergemeinschaften keine Beschlusskompetenz zustehe, weil diese Bauteile in gemeinschaftlichem Eigentum der gesamten Eigentümergemeinschaft stünden, trägt schon deshalb nicht, weil dies ausnahmslos der Fall ist. Untergemeinschaften verwalten immer (auch) tragende Bauteile. Das zeigt auch die ständige Rechtsprechung des BGH zur sogenannten Balkonklausel, wonach die Instandhaltung von Balkonen und Dachterrassen dem Sondereigentümer der jeweils angrenzenden Wohnung zugewiesen werden kann. Dies gilt dann erst recht für Untergemeinschaften, deren weitreichende Kostentrennung in der Gemeinschaftsordnung angelegt ist.

Der Beschluss zur Kostentragung ist daher weder anfechtbar noch nichtig. Auch der Hilfsantrag des betroffenen Stellplatzeigentümers, die Gemeinschaft zu verpflichten, ihm den Stellplatz zum Verkehrswert abzukaufen, weist der BGH zurück. Eine Dereliktion (Aufgabe des Eigentums) von Wohneigentumseinheiten ist nicht möglich. Auch ist bei dringend erforderlichen Sanierungsarbeiten eine individuelle Opfergrenze nicht anzuerkennen. Die hohen Sanierungskosten treffen daher alle Eigentümer der Tiefgarage gleichermaßen.

VERWALTER STRATEGIE
Zu den wirtschaftlichen Erwägungen weist der BGH darauf hin, dass die Bildung von Untergemeinschaften eigentlich der finanziellen Entlastung der Eigentümer dienen soll, so sind beispielsweise die Miteigentümer nur eines Tiefgaragenstellplatzes nicht an teuren Dach- oder Balkonsanierungen zu beteiligen. Umgekehrt haben sie eine ebenso teure Tiefgaragensanierung allein zu tragen. Die Beteiligung von Wohnungseigentümern, die keine Stellplätze nutzen, soll hier gerade ausgeschlossen werden. Zur Auslegung von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung weist der BGH immer wieder auf ihren Wortlaut und Sinn hin, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt. Eine Auslegung mit gesundem Menschenverstand ist daher vorzugswürdig und für den Verwalter auch nächstliegend. Vor dem Hintergrund der bereits zitierten Entscheidung zur Sanierungspflicht ist eine hohe Kostenbelastung von kleinen Miteigentumsanteilen eigentlich nur vermeidbar, wenn rechtzeitig Sanierungen angegangen und nicht aufgeschoben und dadurch verteuert werden.
 

Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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