22.04.2022 Ausgabe: 3/22

Den Grundstein legen - Richtig und vorausschauend abgefasst, können Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung viel vereinfachen.

Nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) durch das Wohnungsei-gentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) stellt sich die Frage, welche Änderungsnotwendigkei­ten oder -möglichkeiten sich für die Abfassung einer Teilungserklä­rung nebst Gemeinschaftsordnung ergeben. Dies soll hier erläutert werden – beginnend mit dem sachenrechtlichen Teil.
 

Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen
Durch das WEMoG haben sich die Grundsätze für die Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen verändert. Die Dif­ferenzierung zwischen Stellplät­zen im Gebäude und im Freien ist aufgegeben worden. § 3 Abs. 1 S. 2 WEG fingiert jetzt für alle Arten von Stellplätzen die Raumeigen­schaft und dadurch ihre Sonderei-gentumsfähigkeit. Dies bedeutet, alle Arten von Stellplätzen kön­nen nun (alleiniger) Gegenstand von Sondereigentum sein, d. h. an ihnen kann selbstständiges Teilei­gentum begründet werden. Sondereigentumsfähig sind somit Stellplätze im Freien, in Tiefgara­gen oder Carports. Ebenso ist die Sondereigentumsfähigkeit eines einzelnen Stellplatzes eines Dop­pel- oder Mehrfachparkers zu bejahen (BT-Drs. 19/18791, 39).
 

Neuregelung für Freiflächen
Nach bisherigem Recht konnte Sondereigentum an außerhalb des Gebäudes liegenden Grundstücks­flächen nicht begründet werden, weil es an einem für die Begrün­dung von Sondereigentum not­wendigen Raum fehlt. An Flächen wie Terrassen oder Gartenflächen wurden bislang als Ersatzlösung Sondernutzungsrechte begründet. § 3 Abs. 2 WEG eröffnet nun die Möglichkeit, auch an Freiflächen Sondereigentum zu begründen. Der Gesetzgeber möchte mit die­ser Neuerung das aus seiner Sicht streitanfällige Rechtsinstitut des Sondernutzungsrechtes zurück­drängen und durch das weitge­hend geklärte Rechtsinstitut des (Sonder-)Eigentums ersetzen (BT-Drs. 19/18791, 39). Aus dem kon­sequenterweise zur Anwendung kommenden § 905 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt sich, dass sich das Recht des Eigentü­mers auch auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkör­per unter der Oberfläche erstreckt (vergl. Müller ZWE 2020, 445 ff.). Bauliche Anlagen und Gebäude auf diesem Sondereigentum zäh­len wegen der §§ 5 Abs. 1 S. 2 WEG und 94 BGB kraft Gesetzes zu diesem Eigentum, sofern es sich um wesentliche Bestandteile handelt.

Daraus ergibt sich:
Durch diese neuen Möglichkeiten von Sondereigentum eröffnet sich für den aufteilenden Eigentümer die Wahl, an solchen Stellplätzen oder Freiflächen wie bisher Sondernutzungsrechte zu begründen oder sich für Sondereigentum zu entschei­den. Während für die Begründung von Sondereigentum an Stellplät­zen eine Menge spricht, ist bei der Begründung von Sondereigentum an Freiflächen aufgrund der hiermit verbundenen ungelösten Probleme eher Zurückhaltung geboten.
 

Das gilt für die Gemeinschaftsordnung
Zu beachten ist, dass das WEMoG teilweise neue Begrifflichkei-ten verwendet, die bei der Abfas­sung von Teilungserklärungen nebst Gemeinschaftsordnung zu beachten sind. So bezeichnet das WEMoG nun Instandhaltung und Instandsetzung einheit­lich als Erhaltung (§ 13 Abs. 2 WEG), folgerichtig die ehemalige Instandhaltungsrücklage als Erhal­tungsrücklage (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG), ohne dass inhaltliche Ände­rungen damit verbunden wären.

§ 16 Abs. 2 WEG enthält eine umfassende gesetzliche Öffnungs­klausel für die Änderung des Kos­tenverteilungsschlüssels, die für die Praxis eine flexible Möglich­keit zur Anpassung eröffnet und dementsprechend in der Gemein­schaftsordnung nicht abbedungen werden sollte.
 

Bauliche Veränderungen ermöglichen
Umfassend neu konzipiert wurde das Recht der baulichen Verände­rungen, um die bisherige Verstei­nerung alter Anlagen zu beseitigen. Auch in diesem Bereich gilt eine umfassende einfache Mehrheits­macht, die mit einer dazugehörigen Kostentragungspflicht korreliert. Sofern im Einzelfall bereits bei der Begründung von Wohnungseigen­tum spätere bauliche Veränderun­gen vorhersehbar sein sollten, kann die Gemeinschaftsordnung eine passende Lösung ohne die Notwen­digkeit einer späteren Beschlussfas­sung hierfür vorsehen.

Dies gilt auch für bauliche Verände­rungen des Sondereigentums. § 13 Abs. 2 WEG enthält jetzt eine aus­drückliche Regelung für bauliche Maßnahmen am Sondereigentum, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandset­zung (Erhaltung) hinausgehen. Hierfür benötigt der betreffende Wohnungseigentümer eine Gestat­tung gemäß § 20 Abs. 1 WEG durch Beschluss der Wohnungseigentü­mer, jedoch nur dann, wenn kei­nem der anderen Miteigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Soll einem Wohnungseigentümer beispielsweise die Errichtung eines Gartenhauses auf seiner im Son­dereigentum stehenden Gartenfrei­fläche oder der Bau einer Garage oder eines Carports auf seinem Stellplatz ermöglicht werden, kann die Erlaubnis zu einer solchen bau­lichen Veränderung bereits in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen werden.

Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung
Regelungen zur Aufstellung des Wirtschaftsplanes und zur Jahres­abrechnung müssen in jedem Fall neu formuliert werden, weil § 28 WEG neu ausgerichtet wurde. Auch wenn die Erstellung eines Wirt­schaftsplanes und einer Jahresab­rechnung durch die Verwaltung nach wie vor erforderlich ist, wer­den diese nicht mehr durch einen Beschluss der Wohnungseigentü­mer aufgestellt, sondern nur als Vorbereitungsmaßnahme durch den Verwalter als reale Handlung. Die Beschlussfassung der Woh­nungseigentümer bezieht sich nur noch auf die Vorschüsse zur Kostentragung und zur Erhaltungs­rücklage bzw. zur Einforderung von Nachschüssen oder zur Anpassung der beschlossenen Vorschüsse.

Eigentümerversammlung und Beschlussfassung
Das WEMoG hat die Möglichkeit geschaffen, durch eine Beschluss­fassung der Wohnungseigentü­mer die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung zu ermöglichen. Vieles spricht dafür, dies nicht von einer ent­sprechenden Beschlussfassung abhängig sein zu lassen, son­dern die Online-Teilnahme durch eine Vereinbarung generell zu ermöglichen. Dasselbe gilt für Beschlussfassungen außerhalb von Versammlungen. Gesetz­lich sind sie nur nach einer ent­sprechenden Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung möglich. Sinnvollerweise sollte aber generell eine Beschlussfas­sung außerhalb von Versamm­lungen durch Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung möglich gemacht werden.

Da das WEMoG die Notwendigkeit der Eintragung von Beschlüssen, die aufgrund von Öffnungsklau­seln getroffen wurden, anordnet, damit aber auch die gesetzliche Zulässigkeit dieses Gestaltungs­mittels fixiert, sollte im Sinne einer flexiblen Handhabung eine solche Öffnungsklausel in keiner Gemein­schaftsordnung fehlen.

Selbstverständlich sind diese Über­legungen nicht abschließend. Sie verdeutlichen aber, dass sich mit der grundlegenden Reform des WEG neue Gestaltungsoptionen bieten, über die bei der Abfassung einer Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung wenigs­tens nachgedacht werden sollte.


Handlungsempfehlung des VDIV
Der VDIV Deutschland hat gemeinsam mit Notar Prof. Dr. Stefan Hügel eine zeitgemäße Musterteilungserklärung erarbeitet. Sie berücksichtigt die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen und die langjährige Rechtsprechung. Verbandsmitglieder können sie kostenfrei über ihren Landes­verband beziehen und im Intranet des VDIV Deutschland abrufen: www.vdiv.de

Hügel, Prof. Dr. Stefan

Froeb & Hügel Notare, Weimar