01.03.2017 Ausgabe: 2/2017

Der Angehörigen-Mietvertrag in Zwangsverwaltung und Insolvenz

(BGH, Urteil vom 21.9.2016, Az.: VIII ZR 188/15 und BGH, Beschluss vom 21.9.2016, Az.: VIII ZR 277/15)

DAS THEMA

Mit sogenannten „Angehörigen-Mietverträgen“ versuchen Schuldner in Zwangsverwaltung und Insolvenz immer wieder, ihre Immobilie vor der drohenden Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung zu retten. Indem sie Mietverträge mit nahen Angehörigen abschließen, die keinerlei Rendite abwerfen, höhlen sie die Zwangsverwaltung aus, und bei potenziellen Erwerbern schwindet jegliches Interesse am Objekt. In solchen Mietverträgen werden in der Regel sehr günstige Konditionen für den Mieter vereinbart, z. B. sehr langer Kündigungsverzicht, lebenslanges Wohnrecht, ungewöhnlich niedrige Mieten, mitunter als bereits geleistete Vorauszahlung, oder ungewöhnlich niedrige Nebenkosten. Zu allem Überfluss wird häufig behauptet, diese Mietverträge wurden nur mündlich abgeschlossen, Originale werden gar nicht, sondern lediglich Kopien vorgelegt, die dann auch häufig mit dem bereits verstorbenen Voreigentümer abgeschlossen worden sein sollen. Der BGH versucht in zwei hier zitierten Entscheidungen, dem einen Riegel vorzuschieben.

DER FALL

Im ersten Fall (Az.: VIII ZR 188/15) weist der BGH die Sache zwar an das Berufungsgericht zurück, gibt jedoch ausführliche Hinweise für das dortige Verfahren. Er hält zunächst ausdrücklich fest, dass Mieter, die sich auf einen solchen Mietvertrag und die darin angeblich vereinbarten günstigen Konditionen berufen, den Vertrag auch nachzuweisen haben. Als nicht erbracht gilt dieser Nachweis, wenn es widersprüchliche Darstellungen des Vertragsinhalts gibt. Beruft sich ein naher Verwandter des Eigentümers und Schuldners auf einen solch vorteilhaften Mietvertrag, drängt sich in der Regel der Verdacht des kollusiven Verhaltens auf, also des unerlaubten Zusammenwirkens zum Nachteil Dritter, in diesem Fall der Gläubiger. Dann muss insbesondere geprüft werden, ob der – meist nur in Kopie – vorgelegte Mietvertrag tatsächlich zum angegebenen Datum, vor der Beschlagnahme des Grundstücks, geschlossen wurde. Im entschiedenen Fall hatten der Sohn des früheren Eigentümers und seine Ehefrau die Kopie eines Mietvertrags vorgelegt, den sie Anfang des Jahres 2006 mit dem später verstorbenen Vater geschlossen haben wollen. Die besonders niedrige Miete und der Kündigungsausschluss für die Dauer von zehn Jahren wird im Vertragstext mit dem Hinweis auf Eigenleistungen begründet, die Anfang der 1990er-Jahre erbracht worden sein sollen. Schriftsätzlich hatten die Beklagten jedoch vorgetragen, es handele sich um einen Baukostenzuschuss, der mit der Differenz zur monatlichen marktüblichen Miete habe verrechnet werden sollen. Der BGH weist darauf hin, dass selbst ein zu verrechnender Betrag von 40.000 Euro Eigenleistung seit Anfang der 1990er-Jahre bis zum Abschluss des Mietvertrags längst aufgebraucht gewesen wäre. Angesichts dieser Umstände drängt sich nach den wörtlichen Äußerungen des BGH die Frage auf, ob der (angebliche) Mietvertrag mit dem (inzwischen verstorbenen) Eigentümer tatsächlich zu diesem frühen Zeitpunkt geschlossen wurde, oder ob er allein der Benachteiligung von Gläubigern dient und nach § 138 BGB sittenwidrig ist.
In der zweiten zitierten Entscheidung versucht der BGH, den Nichtzulassungsbeschwerden in solchen Sachen, also dem Erzwingen einer dritten Instanz, einen (Kosten-) Riegel vorzuschieben: Nach der sehr versteckten Vorschrift des § 26 Nr. 8 EGZPO kann Nichtzulassungsbeschwerde nur eingelegt werden, wenn der Beschwerdewert 20.000 Euro übersteigt. Bei Mietsachen berechnet sich dieser Wert nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der vereinbarten Nettomiete. Der BGH führt aus, dass ein solcher Angehörigen-Mietvertrag jedenfalls nur zu dem darin angeblich vereinbarten besonders niedrigen Mietzins angesetzt werden kann, und gerade nicht zum objektiven Mietwert. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war im angeblichen Mietvertrag gegen einmalige Zahlung von 157.000 Euro ein lebenslanges Wohnrecht vereinbart worden, woraus sich für den beklagten 40-jährigen Mieter selbst bei Zugrundelegung einer relativ geringen Lebenserwartung von nur 75 Jahren rechnerisch eine Monatsmiete von nur 375 Euro ergab. Damit wurde die Wertgrenze nicht erreicht. Der BGH nimmt auch diese reine Kostenentscheidung nochmals zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass solche Umstände ein kollusives Verhalten zumindest nahelegen und insbesondere zu prüfen ist, ob der Mietvertrag tatsächlich zum angegebenen Zeitpunkt (vor Beschlagnahme) zustande kam. Möglicherweise wäre der (angebliche) Mietvertrag sittenwidrig und nichtig, sodass der Zwangsverwalter eine Räumung und damit eine erfolgreiche Zwangsversteigerung anstreben könnte.

Verwalter­strategie

Beide Entscheidungen des BGH können durchaus dazu beitragen, die Erfolgsquote von Zwangsverwaltungen familiengenutzter Häuser oder Eigentumswohnungen zu erhöhen. Bei Zwangsverwaltung einer vermieteten Eigentumswohnung hätte die vorrangig zu behandelnde Wohnungseigentümergemeinschaft daher mehr Chancen auf Realisierung ihrer Forderungen.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.