13.03.2020 Ausgabe: 1/20

Der Aufzugwärter wird digital - Die Fernüberwachung ersetzt die tägliche, oft vernachlässigte Funktionskontrolle von Aufzügen vor Ort.

Die hannoversche Delta Fondsverwaltungsgesellschaft verantwortet den sicheren Betrieb von knapp 130 Aufzügen. „Natürlich können auch die Hausmeister und Facility-Management-Dienstleister die tägliche Funktionskontrolle der Aufzüge übernehmen“, sagt Jörg Tepelmann, der den Bereich Hausverwaltung des Immobilienunternehmens leitet. „Aber wenn das nicht ordnungsgemäß erfolgt und etwas passiert, muss dafür im Zweifelsfall unser Unternehmen im Rahmen der Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten geradestehen. Daher haben wir uns für eine Fernüberwachung entschieden.“ Die meisten Anlagen laufen in den rund 3 800 Miet- und Eigentumswohnungen, die Delta betreut, einige erschließen Gewerbeimmobilien (Büros, Praxen, Läden, Hallen) mit circa 170 000 qm Mietfläche, die das Unternehmen ebenfalls betreut. Sechs der Aufzüge wurden im Oktober 2019 an das Notrufsystem und die Cloud des Aufzugherstellers KONE angeschlossen, weitere 17 Anlagen folgen.

Digitale Datenanalyse
Die Vernetzung der Aufzüge ermöglicht eine prädiktive, also vorausschauende Wartung durch kontinuierliche Analyse der Anlagendaten, darüber hinaus aber auch – und das ist neu und bislang einzigartig in der Branche – die Funktionskontrolle, die auch „Inaugenscheinnahme“ genannt wird, für Anlagen praktisch aller Hersteller.

Festgelegt ist die Prüfroutine in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), die die rechtliche Grundlage für den Aufzugbetrieb in der Bundesrepublik bildet. Demnach sollten Seil- und Hydraulikanlagen täglich einer einfachen Kontrolle nach dem Prinzip Hören, Sehen, Fühlen unterzogen werden. Dabei sichten beauftragte Personen unter anderem das Notrufsystem des Aufzugs, die Kabinenbeleuchtung und den bündigen Halt der Kabine auf den Etagen, um Stolpergefahren zu erkennen.

Für Betreiber ist dies mit einigem organisatorischen Aufwand verbunden: Sie müssen zuverlässige Personen auswählen, die vom TÜV oder anderen Prüforganisationen eingewiesen werden. Erst danach können die beauftragten Personen die Aufzüge nach den Vorgaben der Technischen Regeln zur Betriebssicherheit (TRBS) 3121 kontrollieren. Mit allen Sinnen prüfen sie, ob irgendetwas dem sicheren Betrieb der Anlage entgegensteht.

Ungewöhnliche Vorkommnisse übermitteln sie unverzüglich an das zuständige Wartungsunternehmen. Das schließt eine lückenlose Dokumentation der Kontrollgänge ein. Alternativ können Betreiber ihr Wartungsunternehmen zusätzlich zur regulären Wartung mit der Funktionskontrolle beauftragen.

Wie man Betreiberpflichten  einfach erfüllt
Mit dem digitalen Aufzugwärter entfällt dieser Aufwand, vorausgesetzt lediglich, eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung  (GBU). Sie bescheinigt, dass die Anlage auf dem Stand der Technik ist. Die Sensoren in den Aufzügen liefern so umfangreiche Daten, dass die Anforderungen der TRBS 3121 erfüllt werden und Betreiber rechtlich auf der sicheren Seite sind. Einzige Ausnahme: Aufzüge, die nur über Schachttüren, nicht über Kabinentüren verfügen, sollten weiterhin durch tägliche Kontrollfahrten überprüft werden, um Schäden an den Schachtwänden auszuschließen. Das betrifft aber bundesweit nur noch sehr wenige Aufzüge, vorwiegend in Industrieanlagen.

Der „Aufzugwärter“
Die Person, die die Funktionskontrolle vornimmt, wird von der BetrSichV nicht bezeichnet. Sie nimmt dabei auch Aufgaben war, die der Servicetechniker im Rahmen der Regelwartung erledigt, zum Beispiel die Kontrolle des Schachtzugangs. Der Begriff „Aufzugwärter“ ist längst aus den Regelwerken verschwunden und damit überholt. In der Fachterminologie der Branche allerdings gibt es ihn noch – nun in digitaler Form.

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Züchner, Oliver

Fachjournalist, Hannover