03.09.2020 Ausgabe: 5/20

Der „Berliner Mietendeckel“ - Die Auswirkungen auf die Verwalterbranche. Ein Erfahrungsbericht.

Von Sylvia Pruß, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Immobilienverwalter Berlin-Brandenburg

Die Grundidee der Mietpreisbremse, Wohnungsknappheit in Groß- bzw. Universitätsstädten zugunsten von Menschen mit geringerem und mittlerem Einkommen sowie Studenten zu regulieren, erscheint nur auf den ersten Blick sinnvoll. Da Vermieter auch weiterhin in der Vergabe ihrer Wohnungen frei sind, erhält bei mehreren Mietinteressenten im Regelfall der solventeste Mieter den Zuschlag. Bonität ist und bleibt ein wesentliches Kriterium für die Wohnungsvergabe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie das Mietausfallrisiko verringert und die Modernisierungsmöglichkeiten erhöht. Der Gesetzgeber in Berlin ignorierte das, und die amtierende Regierung erließ das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen – den „Berliner Mietendeckel“.

Die Informationspflicht der Eigentümer
Das Gesetz verpflichtete alle Eigentümer dazu, sämtlichen Mietern mit bestehenden Mietverträgen bis zum 22. April 2020 unaufgefordert alle Informationen für die Einordnung der jeweiligen Wohnung in die richtige Mietpreiskategorie zur Verfügung zu stellen. Trotz dieser Verpflichtung hatten die meisten lediglich den Begriff Mietendeckel gehört, aber keinerlei Vorstellung, wie er sich auf die eigene Miete auswirken würde. Verwaltungen mussten also im Vorfeld sehr viel Aufklärungsarbeit leisten, immer vor dem Hintergrund, dass das Gesetz verfassungswidrig sein und somit keinen Bestand haben könnte. Eine Erkenntnis, die aber bei der täglichen Arbeit nicht half, weshalb viele Verwaltungen bereits vor Erstellung der Schreiben an die Mieter viel Zeit investieren mussten, um den Mietendeckel allein inhaltlich zu erfassen.

Zusätzlich zur Bewältigung der Auswirkungen von Corona stellte dies einen erheblichen Aufwand für die Branche dar, zumal sich jede Verwaltung mithilfe der Weiterbildungsangebote des Verbandes über das Gesetz informieren musste. Sämtliche Seminare waren in kurzer Zeit vollständig ausgebucht, sodass der Verband weitere Veranstaltungen hierzu durchgeführt hat, um der Nachfrage gerecht zu werden. Tatsächlich hat das in dieser Form noch nie dagewesene Gesetz die gesamte Berliner Immobilienbranche schlichtweg auf den Kopf gestellt.

Haftungsrisiko und Aufwand für Verwalter
Festzustellen ist allerdings, dass die Mieterreaktionen nach dem Versand des Informationsschreibens sehr gering ausfielen. Das Haftungsrisiko für Verwaltungen senkt diese Tatsache freilich nicht. Selbst wenn Mieter nicht reagieren, ist die beauftragte Verwaltung verpflichtet, die korrekte und zulässige Miete einzunehmen und die zu viel gezahlten Mieten zurückzuzahlen – natürlich stets in Abstimmung mit den Eigentümern, die das oft nicht mittragen wollen. In der Regel sind Eigentümer erst dazu bereit, zu viel verlangte Mieten zurückzuzahlen, wenn ihnen vor Augen geführt wird, mit welch hohen Bußgeldern die Missachtung des Gesetzes bewehrt ist. Die Verwalterbranche steht also vor einem enormen Aufwand mit hohem Haftungsrisiko. Dies hat seinen Preis und muss von den Eigentümern mit einem zusätzlichen Honorar vergütet werden. Die von mir befragten Verwaltungen berichten hier von Pauschalvergütungen bis hin zur Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand.

Der Mietendeckel bei Neuvermietung
Ein weiteres gravierendes Problem stellen Neuvermietungen unter dem Mietendeckel dar: Lag die Miete davor meist über den nun geltenden Mietobergrenzen, müssen Eigentümer sich jetzt an die neue Mietentabelle halten, die wesentliche Aspekte wie die Lage einer Immobilie nicht berücksichtigt. Hier gilt es nun, entsprechende Passagen in den Mietvertrag zu integrieren, für den Fall, dass das Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird. Sonst nämlich entsteht für Verwaltungen das Risiko, für entgangene Mieteinnahmen haften zu müssen.

Deutlich steigende Nachfrage
Die wegen des Mietendeckels derzeit niedrigen Mietpreise treiben die Nachfrage für Neuvermietungen exorbitant in die Höhe, deutlich höher als sie bei attraktiven Lagen ohnehin schon war. Ich hatte kürzlich in unserem Unternehmen eine Mietwohnung in Berlin-Prenzlauer Berg im Angebot, die es innerhalb von 24 Minuten auf 271 Anfragen über Immobilienscout brachte. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand muss nicht näher beschrieben werden. Dieses Beispiel zeigt aber eindrücklich, wie wenig zielführend dieses Gesetz im Hinblick auf die Schaffung von Wohnraum im Allgemeinen oder auch auf günstigen Wohnraum für einkommensschwache Mieter ist. Wie oben schon ausgeführt, entscheiden sich Vermieter nach wie vor für die solventesten Bewerber, sodass das Gegenteil von dem erreicht wird, was eigentlich beabsichtigt war: Einkommensstarke Mieter zahlen nun weniger als vorher und weniger solvente gehen leer aus. Auch das Ziel der Politik, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wird komplett verfehlt. Der Mietendeckel wird Investitionen in den Wohnungsneubau nicht fördern. Ein solches Instrument ist in Zeiten allgemeiner Wohnungsknappheit in gesuchten städtischen Regionen kein Erfolgsmodell.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Berliner Mietendeckel ein hohes Maß an rechtlichen wie auch sozialen Problemen mit sich bringt. Es wird für die Immobilienverwaltung verstärkt darauf ankommen, betroffene Wohnungseigentümer aufzuklären und etwaige Risiken bei Nichtbefolgung der gesetzlichen Grundlagen darzustellen. Andernfalls werden Haftungs- und Rückforderungsrisiken sowie gerichtliche Auseinandersetzungen zunehmen.

Die Mietentabelle nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (Berliner Mietendeckel). Zur Berücksichtigung der Wohnlage sind nach § 5 Abs. 1 Abzüge oder Zuschläge vorzunehmen. Nach §§ 6 Abs. 2, 3 und 7 Abs. 1 sind je nach Gebäudeart, Ausstattung und nach Modernisierung weitere Zuschläge auf die ausgewiesenen Tabellenwerte statthaft.

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Pruss, Sylvia

Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Immobilienverwalter Berlin-Brandenburg