16.04.2025 Ausgabe: vdivDIGITAL 2025/1

Der ERP-Markt im Wandel

Symbolbild Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft
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Was passiert, wenn Anbieter wegfallen? Was bedeutet das für Verwalter? Und wie können sich Verantwortliche auf die möglicherweise turbulenten Zeiten einstellen?

ERP-Systeme sind in der Immobilienverwaltung mehr als nur Software – sie sind das Rückgrat sämtlicher Prozesse, von der Mietenbuchhaltung über das Forderungsmanagement bis hin zu CRM-Funktionen und automatisierten Workflows. Zudem bieten sie Schnittstellen für digitale Mieterkommunikation, Dokumentenmanagement und externe Dienstleister.

Fällt das zentrale System aus oder funktioniert nicht reibungslos, kann das gesamte Unternehmen ins Stocken geraten. Insbesondere bei großen Verwaltungen mit tausenden Einheiten kann das teure Folgekosten und Imageeinbußen mit sich bringen. In Zeiten zunehmender Digitalisierung wächst daher die Abhängigkeit von stabilen ERP-Plattformen, was deren Bedeutung kontinuierlich steigert.

Die aktuelle Marktsituation

Die jüngsten Entwicklungen beunruhigen daher viele Unternehmen in unserer Branche: Ein großer Softwareanbieter hat ERP-Hersteller aufgekauft, Produkte eingestellt und so die Markt-Konsolidierung vorangetrieben. Kunden befürchten nicht nur, dass sie im Zuge derartiger Prozesse auf alternative Systeme migrieren müssen, was hohe Mehrkosten durch neue, im Zuge einer Akquisition steigende Lizenzgebühren mit sich bringt, sowie aufwändige Migrations- und Implementierungsprojekte. Zudem besteht die Befürchtung einer Kettenreaktion: Weitere Akquisitionen könnten den Wettbewerb verringern und Preisdruck auf die verbleibenden Lösungen ausüben. Neue Alternativen sind zwar vorhanden, oft jedoch noch unausgereift oder sie haben zumindest kein belastbares Finanzierungskonzept.

Auch ein weiteres Szenario schürt Befürchtungen: Hinter vielen ERP-Anbietern stehen Investoren, die nicht nur auf Stabilität, sondern auch auf Wachstum setzen. Steigt ein großer Kapitalgeber ein, kann dies kurzfristig die Entwicklungs-und Innovationskraft erhöhen. Geht damit ein vermehrter Druck einher, die Profitabilität zu steigern, führt dies in der Praxis häufig zu erhöhten Lizenz- und Wartungskosten oder zu strengeren Vertragskonditionen für die Bestandskunden.

Die Risiken bei Anbieterwechsel und Produktabkündigungen

Für viele Unternehmen bedeutet die aktuelle Entwicklung daher, dass sie nun ihre Digitalisierungsstrategie genau prüfen müssen. Denn ein im Zuge einer Konsolidierung oder Produktabkündigung notwendig gewordener Wechsel auf ein anderes ERP-System ist aufgrund der komplexen Integration in betriebliche Prozesse äußerst aufwendig. Allein die Datenmigration – der Transfer von Stammdaten, Mietverträgen, Dokumenten und Zahlungsströmen – kann Monate in Anspruch nehmen. Hinzu kommen kostenintensive Schulungen, Prozessanpassungen und Schnittstellenänderungen sowie Beratungsleistungen. So müssen sich Unternehmen, die stark auf einen bestimmten Anbieter setzen, sich nach einer Produktabkündigung teils existenzielle Fragen stellen. „Wie lange wird mein System noch unterstützt?,“ „Welche Alternativen gibt es?,“ „Welche Kosten kommen auf mich zu?“ und „Wie gelingt eine reibungslose Migration parallel zum laufenden Betrieb?“

Um derartige Szenarien frühzeitig zu kalkulieren und Notlösungen zu vermeiden, braucht es daher eine langfristige Planung und ein durchdachtes Kosten-Nutzen-Konzept. Darüber hinaus ist in der Immobilienbranche, wo Ausfallzeiten und Fehler in Abrechnungen angesichts der hohen Verantwortung gegenüber Mietern, Eigentümern und Kunden schnell zu Krisen führen können, ein Risikomanagement unerlässlich, das auch den Ausfall des ERP-Systems berücksichtigt.

Mögliche Strategien für Verwalter

  • Diversifikation der Softwarelandschaft
    Obwohl es häufig sinnvoll ist, die Kernprozesse des Unternehmens in einem einheitlichen ERP-System zu bündeln, kann es in unsicheren Zeiten ratsam sein, sich breiter aufzustellen. Speziallösungen, die sich per Schnittstelle anbinden lassen, können ein Stück Unabhängigkeit gewährleisten, z. B. für die Bereiche Dokumentenmanagement, Zahlungsverkehr, Kommunikation mit Eigentümer und Mietern, Handwerkerbeauftragungen. Diese separaten Lösungen können zumindest für eine Übergangszeit auch allein funktionsfähig bleiben.
  • Überprüfung der Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen
    Viele Softwarelizenzen sind an mehrjährige SaaS-oder Wartungs- und Supportverträge geknüpft. Es empfiehlt sich, diese Verträge zu überprüfen, mit dem Anbieter frühzeitig zu sprechen und gegebenenfalls individuelle Vereinbarungen zu treffen. Rechtzeitig Klarheit über eventuelle Produktabkün-digungen oder Preiserhöhungen ist essenziell, um realistisch planen zu können.
  • Frühzeitige Marktbeobachtung und Systemauswahl
    Neue Anbieter versprechen oft innovative, cloud-basierte Lösungen, doch diese sind nicht immer ausgereift oder finanziell stabil. Eine gründliche Marktanalyse und die Beratung unabhängiger Experten schützen vor Fehlinvestitionen. Pilotprojekte und kontinuierliche Marktbeobachtung helfen, die Abhängigkeit von einem einzigen ERP-Anbieter zu reduzieren.
  • Investition in digitale Kompetenz und interne Ressourcen
    Ein ERP-System entfaltet sein Potenzial nur, wenn die internen Prozesse gut durchdacht und die Mitarbeiter geschult sind. Unternehmen sollten daher in ihre Digitalisierungskompetenz investieren, um mehr Know-how intern aufzubauen. Je besser das Verständnis für die eigenen Anforderungen, desto souveräner kann man in Krisen agieren und sich auf eine schnelle Migration vorbereiten.

Chancen für die Branche

Bei aller Unsicherheit bieten Marktbewegungen auch Chancen. Konsolidierungen können zu effizienteren und technologisch fortschrittlicheren Softwarelösungen führen, während neue, innovative Anbieter den etablierten Systemen Konkurrenz machen. Wer sich jetzt intensiv mit der Digitalisierungsstrategie auseinandersetzt, könnte von preiswerteren Cloud-Systemen, KI-gestützten Analysen und automatisierten Prozessen profitieren. Der Austausch mit verschiedenen Softwareherstellern, Anwendergruppen und Branchenverbänden liefert wertvolle Einblicke und hilft, Fehlentscheidungen zu vermeiden. Als Reaktion auf die Verunsicherung plant zudem ein ERP-Anbieter, auf Initiative der Wohnungswirtschaft, ein Beteiligungsmodell, welches sicherstellen soll, dass das Unternehmen nicht an Investoren veräußert werden kann.

Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg

Die aktuelle Situation im ERP-Markt für die Immobilienwirtschaft zeigt, dass starre Konzepte und starke Abhängigkeiten Verwalter gefährden können. Flexibilität und Veränderungsbereitschaft sind entscheidend. Die Zukunft gehört jenen Verwaltern, die ihre Prozesse kontinuierlich hinterfragen, offen für Neues sind und sich in puncto Digitalisierung breit aufstellen.

Softwareprodukte und Anbieter kommen und gehen, doch das Ziel bleibt: eine effiziente Immobilienverwaltung und optimale Kundenbetreuung. Technologie ist nur ein Werkzeug, das von den Menschen in der Branche richtig eingesetzt werden muss, um den Wandel als Chance zu nutzen.

Die Konsolidierung im ERP-Markt bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Dass große Anbieter ihre Produktpalette zunehmend bereinigen und neue Player noch nicht voll etabliert sind, erhöht den Druck auf Verwalter, sich intensiv mit ihrer Digitalisierungsstrategie zu befassen. Steigende Lizenzkosten, komplexe Migrationen und die Gefahr der Anbieterabhängigkeit erfordern ein professionelles Risikomanagement. Gleichzeitig eröffnen sich durch gezielte Investitionen, Marktbeobachtungen und strategische Partnerschaften zahlreiche Möglichkeiten für langfristigen Erfolg.

Letztendlich wird sich zeigen, welche Anbieter ihre Kunden mit zuverlässigen Lösungen und fairen Konditionen überzeugen können – und welche Unternehmen die Zeichen der Zeit erkennen, um sich in einem sich wandelnden Markt langfristig zu behaupten.

VDIV Aktuell Autor - Sebastian Niesen
Niesen, Sebastian

Geschäftsführer 
Niesen Immobilien GmbH