11.03.2021 Ausgabe: 1/21

Der fast allmächtige WEG-Verwalter! Die neuen Regeln zur rechtsfähigen Gemeinschaft und der Stellung des Verwalters

Mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) am 1. Dezember 2020 haben sich für WEG-Verwaltungen erhebliche Änderungen ergeben, die sich nicht auf inhaltliche Fragen beschränken, sondern insbesondere auch die Stellung des Verwalters und seine Befugnisse betreffen. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich ausschließlich mit der Rechtsstellung des Verwalters. Seinen Aufgabenbereich wird eine der kommenden Ausgaben dieses Magazins beleuchten.

Zum Vergleich: die alte Rechtslage
Gemäß § 20 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz alte Fassung (WEG a. F.) oblag die Verwaltung den Wohnungseigentümern und dem Verwalter. Der Verwalter war weisungsgebundener Sachwalter des gemeinschaftlichen Vermögens und insbesondere Vollzugsorgan. Die Befugnisse und Aufgaben des Verwalters waren in § 27 WEG a. F. geregelt. Gemäß § 27 Abs. 4 WEG a. F. konnten die der Verwaltung nach § 27 Abs. 1 – 3 WEG a. F. obliegenden Aufgaben und Befugnisse weder durch Vereinbarung noch durch Beschluss eingeschränkt werden.

Im Außenverhältnis bestand nur eine stark eingeschränkte gesetzliche Vertretungsbefugnis. In den meisten Fällen bedurfte die Verwaltung für jede nach außen gerichtete Handlung einer gesonderten Ermächtigung durch Vereinbarung oder Beschluss. Im Hinblick auf den Schutz des Rechtsverkehrs war dies misslich, da Vertragspartner Existenz und Wirksamkeit einer solchen Ermächtigung kaum feststellen konnten. Daneben bestand auch für die Verwaltung Unsicherheit, da bei ungenügender oder fehlender Beschlussfassung eine eigene Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht infrage kam.

Die Rechtslage nach WEMoG
Die seit 1. Dezember 2020 gültige Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) schafft in vielerlei Fragen Klarheit, löst jedoch nicht alle Probleme.

Mit Inkrafttreten des WEMoG wird die Verwaltung zum Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Gemäß § 18 Abs. 1 WEG obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht mehr den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich, sondern der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst. Die Verwaltung nimmt nicht mehr in eigener Person Verwaltungsaufgaben war (vergleiche § 20 Abs. 1 WEG a. F.), sondern wird als gesetzlicher Vertreter für die Gemeinschaft tätig. Eine Vertretung  der einzelnen Eigentümer ist nicht mehr vorgesehen. Insbesondere ist der Verwalter auch nicht mehr Zustellungsvertreter für diese (vergleiche § 45 Abs. 1 WEG a. F.). Da die rechtsfähige Gemeinschaft anstelle der einzelnen Wohnungseigentümer am Rechtsverkehr teilnimmt, ist eine Vertretung auch nicht mehr erforderlich.

Nahezu allumfassende ­Vertretungsmacht
Der Umfang der Vertretungsmacht wird durch den neuen § 9b Abs. 1 S. 1 WEG definiert. Danach ist die Verwaltung gegenüber Dritten uneingeschränkt befugt, die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Sie kann mit Wirkung für und gegen die Gemeinschaft vertragliche Bindungen eingehen, so z. B. Versorgungs- und Versicherungsverträge abschließen, einen Hauswart einstellen und Handwerksunternehmen beauftragen. Sie kann Verträge kündigen, ohne dass es zur Wirksamkeit der Kündigung einer gesonderten Beschlussfassung bedarf. In Erweiterung der bisher bereits bestehenden Vertretungsbefugnis in Passivprozessen kann die Verwaltung nunmehr auch ohne gesonderten Beschluss Klageverfahren aktiv anstrengen, z. B. Wohngeldverfahren einleiten. Diese Befugnisse bestehen unabhängig vom wirtschaftlichen Volumen. Lediglich bei der Aufnahme von Krediten und dem Erwerb von Grundstücken bedarf es eines Beschlusses der Wohnungseigentümer.

Eine interne Beschränkung der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber gemäß § 9b Abs. 1 S. 3 WEG unwirksam. Ein Dritter kann sich nicht darauf berufen, dass die Gemeinschaft hinsichtlich des konkreten Vorgehens keinen Beschluss gefasst oder die Verwaltung ihre internen Befugnisse übertreten hätte.

Diese Vorschrift bezweckt den Schutz des Rechtsverkehrs. Kein Vertragspartner muss sich bei Abschluss eines Vertrages mehr der Unsicherheit ausgesetzt sehen, dass der Verwalter ohne hinreichende Vollmacht gehandelt hat und er gegebenenfalls seine Honorarforderung nicht gegen die i. d. R. finanzstarke Wohnungseigentümergemeinschaft durchsetzen kann. Und auch der Einwand in Klageverfahren, dass der Verwaltung keine Klageermächtigung durch den Verband erteilt worden wäre, ist obsolet.

Aus Sicht der Verwaltung ist es lediglich noch erforderlich deutlich zu machen, dass in Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft gehandelt wurde. Regelmäßig wird hierfür ein Vertretungszusatz genügen (vergleiche OLG Saarbrücken, Urteil vom 31.10.2006, Az. 4 U 612/05).

Das Innenverhältnis und der Aufgabenbereich
§ 9 Abs. 1 WEG regelt die Befugnisse/Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis. Zu unterscheiden hiervon ist das Innenverhältnis. Die Aufgaben und Befugnisse insoweit werden in § 27 WEG geregelt. Der neue § 27 Abs. 1 WEG verzichtet vollständig auf den bisherigen Katalog, weist aber nun eine Besonderheit auf: Im Gegensatz zu § 27 Abs. 4 WEG a. F. sieht der neue § 27 Abs. 2 WEG vor, dass Rechte und Pflichten des Verwalters durch Beschluss eingeschränkt oder erweitert werden können.

Folgen und ­Handlungsempfehlungen
Bemerkenswert ist insoweit, dass der nahezu uneingeschränkten Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis eine sehr kleinteilige Anweisung im Innenverhältnis nach Maßgabe von Beschlüssen im Sinne von § 27 Abs. 2 WEG gegenüberstehen kann. Hieraus resultiert, dass die Verwaltung die Wohnungseigentümergemeinschaft im Außenverhältnis unter Umständen weitergehend verpflichtet, als dies nach den internen Regelungen zulässig war. Dies führt zu einer gewissen Schadensgeneigtheit. Nach bisherigem Recht konnte der Verwalter im Wesentlichen nur vertragliche Bindungen auf der Basis von Beschlussfassungen eingehen, sodass eine Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft wegen  „ungewollter Verträge“ eher selten infrage kam. Eine allzu großzügige Handhabung der Vertretungsbefugnis nach neuem Recht kann dazu führen, dass der Verwaltung hinterher vorgeworfen wird, die eingegangenen Bindungen seien von einer internen Weisung nicht gedeckt. Zwar muss die Verwaltung nicht befürchten, vom Vertragspartner auf Erfüllung in Anspruch genommen zu werden. Soweit der Wohnungseigentümergemeinschaft aus der Übertretung einer internen Weisung aber ein Schaden erwächst, kann dies zu Regressen führen. Unbeschadet der nahezu allumfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis ist daher – zumindest wenn Maßnahmen von nicht unerheblicher Bedeutung durchgeführt werden sollen – zu empfehlen, sich eine Weisung im Beschlusswege einzuholen.

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Linke, Olaf

Der Rechtsanwalt ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Berliner Kanzlei Wanderer und Partner.
www.wir-wanderer.de