02.12.2022 Ausgabe: 8/22

Der hydraulische Abgleich

Seit 1. Oktober ist er für bestimmte Gebäude Pflicht. Was aber steckt dahinter und wie wirkt er sich aus?

In einem Heizungsrohrnetz wählt das Heizungswasser immer den Weg des geringsten Widerstands. Der Strömungswiderstand steigt Rohrleitung. In nicht hydraulisch abgeglichenen Heizungssystemen führt dies meist zu einer Überversorgung der Räume, die sich nah am Wärmeerzeuger befinden. Weit vom Wärmeerzeuger entfernt liegende Räume, wie z. B. Dachgeschosswohnun- gen, bleiben hingegen unterversorgt.

Wann der Energieverbrauch unnötig steigt
Um diesem Phänomen abzuhelfen, wird in nicht hydraulisch abgeglichenen Heizungssystemen häufig die Vorlauftemperatur des Heizungswassers oder die Pumpenleistung erhöht. Die Konsequenz: Die Räume werden ineffizient beheizt, es wird zu viel Hilfsenergie für die Pumpen in Form von Brennstoff und Strom verbraucht, und durch den höheren Volumenstrom können sogar störende Fließgeräusche im Heizungsnetz entstehen. Ein nicht hydraulisch abgeglichenes Heizungssystem führt folglich zu höheren Energiekosten und zu einer ungleichen Wärmeverteilung im Gebäude. Dabei gilt die Fausformel: Eine um ein Grad höhere Vorlauftemperatur benötigt ungefähr sechs Prozent mehr Brennstoff.

Räume gleichmäßig erwärmen
Ein hydraulischer Abgleich ermöglicht eine gezielte Temperaturregelung und damit die gleichmäßige Erwärmung aller Räume. Die Maßnahme ist immer dann sinnvoll, wenn Heizkörper in einigen Räumen nicht richtig warm werden, obwohl das Thermostatventil voll geöffnet ist. Bei Strömungsgeräuschen oder Heizkörpern, die auch auf niedrigster Stufe sehr heiß werden, ist ein hydraulischer Abgleich ebenfalls empfehlenswert. Er ist auf jeden Fall durchzuführen, sobald ein Gebäude saniert oder bauliche Veränderungen vorgenommen wurden.

Was die Verordnung besagt
Am 23. September 2022 ist die „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSimiMaV) in Kraft getreten. Sie verpflichtet Eigentümer bestimmter Wohn- und Nichtwohngebäude mit Gaszentralheizungsanlage seit 1. Oktober 2022 dazu, einen hydraulischen Abgleich durchführen zu lassen. In Nichtwohngebäuden ab 1.000 Quadratmeter beheizter Fläche oder in Wohngebäuden mit mindestens zehn Wohneinheiten ist er bis 30. September 2023 umzusetzen, in Wohngebäuden mit mindestens sechs Wohneinheiten bis zum 15. September 2024. Eine wie auch vom VDIV Deutschland geforderte Aufschiebung der Frist wäre durchaus zu begrüßen, da die derzeit vorgesehene von den Fachplanern nicht zu bewerkstelligen sein wird.

Was ist zu tun?
Für die Durchführung des hydraulischen Abgleichs ist im ersten Schritt eine Bestandsaufnahme des Gebäu- des und des Heizungsrohrnetzes erforderlich. Fachkräfte ermitteln dazu anhand der Raumflächen, der Außenwand- und Dachflächen, der Fenstergrößen sowie deren energetischer Qualität die Heizlast für jeden Raum innerhalb eines Gebäudes. Die Heizlast beinhaltet neben den Verlusten über die Außenbauteile des Gebäudes auch die Lüftungswärmeverluste über Undichtigkeiten oder eine ggf. vorhandene Lüftungsanlage. Auf dieser Basis wird überprüft, ob die Heizkörper in den einzelnen Räumen richtig dimensioniert sind. Anschließend wird die erforderliche Wassermenge, die durch jeden Heizkörper fließen muss, um den jeweiligen Raum auf die gewünschte Temperatur zu heizen, berechnet und in diesem Zuge auch die Einstellwerte an den Heizkörperventilen. Zudem wird die Dimensionierung der Heizungspumpe überprüft und ein eventueller Austausch gegen eine elektronisch geregelte Umwälzpumpe erwogen.

Der Heizungsinstallateur stellt daraufhin die Leistung der Pumpe und den Heizwasserdurchfluss der Thermostatventile neu ein. Für den hydraulischen Abgleich sind voreinstellbare Thermostatventile erforderlich. Thermostatventile, die nicht älter als zehn bis fünfzehn Jahre sind, sind i. d. R. bereits voreinstellbar und ermöglichen einen hydraulischen Abgleich. Sind solche Thermostatventile, beispielsweise in älteren Bestandsanlagen, nicht verbaut, sind sie gegen neue voreinstellbare Ventileinsätze auszutauschen. Für ausgedehnte Heizungsrohrnetze in größeren Gebäuden sind für den hydraulischen Abgleich zusätzlich Strangregulierventile oder Strangdifferenzdruckregler erforderlich.

Das Resultat
Nach dem hydraulischen Abgleich fließt nun durch jeden Heizkörper exakt die Menge Wasser, die für die Deckung der Raumheizlast erforderlich ist. Zudem ist i. d. R. eine Absenkung der Vorlauftemperatur möglich. Der Einbau einer elektronisch geregelten Umwälzpumpe oder zumindest die korrekte Einstellung der vorhandenen Pumpe senkt den Stromverbrauch deutlich.

Hohe Vorlauftemperaturen und ein fehlender hydraulischer Abgleich in Bestandsgebäuden führen häufig zu hohen Rücklauftemperaturen. Die wiederum haben gleich mehrere negative Folgen: Zum einen entstehen höhere thermische Wärmeverluste im Heizungsrohrnetz, zum anderen verringert sich der Wirkungsgrad von Niedertemperatur- und Brennwertkesseln nicht ganz unerheblich. Denn eine niedrigere Rücklauftemperatur sorgt vor allem bei diesen Wärmeerzeugern für höhere Effizienz. Zurückzuführen ist das auf einen einfachen physikalischen Prozess: Während des Verbrennungsvorgangs entstehen heiße Abgase, die das Heizungswasser erwärmen. Das warme Heizungswasser strömt über das Heizungsrohrnetz zu den Heizkörpern und anschließend abgekühlt zurück zum Brennwertkessel. Weil der Rücklauf des Heizungswassers die während der Verbrennung entstandenen Abgase abkühlt, kondensiert der in den Abgasen vorhandene Wasserdampf. Die dabei frei werdende Kondensationswärme wird wiederum zur Erwärmung des Heizungswassers genutzt. Je niedriger also die Rücklauftemperatur ist, desto besser ist der Brennwerteffekt.

Fazit
Der hydraulische Abgleich bietet sowohl im Gebäudebestand als auch im Neubau die Möglichkeit, Energieressourcen zu schonen und die Nutzerzufriedenheit durch eine gezielte Temperaturregelung und gleichmäßige Erwärmung aller Räume zu verbessern.

Hermes, Thomas Rolf

Geschäftsführer der FRANK ECOzwei GmbH
www.frank-ecozwei.de