30.04.2020 Ausgabe: 2/20

Der kürzeste Weg zur Beschlussfassung - Agieren wie in der Präsenzveranstaltung: Die virtuelle Eigentümerversammlung zeigt, wohin die Reise nach der WEG-Novelle gehen könnte.

Der Konferenzraum ist hergerichtet, der Verwalter hat sich auf mögliche Fragen eingestellt – und nur eine Handvoll Eigentümer findet sich ein. Dass Eigentümer der Jahresversammlung fernbleiben, liegt nicht immer an mangelndem Interesse. Auch die Anreise kann zur Hürde werden, etwa bei Liegenschaften in Sondereigentumsverwaltung, deren Eigentümer weit verstreut leben. Dabei gibt es technisch längst eine Alternative zur Präsenzveranstaltung: die Online-Konferenz.

Intuitive Technik erleichtert den Einstieg
„Dezentrale Meetings via Telefon- oder Videokonferenz gehören auch bei Immobilienverwaltern bereits zum Alltag“, sagt Susanne Vieker, Geschäftsleiterin der Haufe-Lexware Real Estate AG. „Der Vorteil ist, dass der Immobilienverwalter Eigentümer, Beiräte, Anwälte oder Partner schnell zusammenbringen kann, auch wenn sie an verschiedenen Orten sitzen. Das spart allen Zeit und Kosten. Dass man sich auch von unterwegs einschalten kann, ist ebenfalls sehr praktisch.“

Verbreitete Tools sind zum Beispiel WebEx, GoToMeeting oder Teams – ein Collaboration-Tool, das Skype for Business ablöst. Sie funktionieren selbsterklärend. Der Veranstalter lädt die Eigentümer über ihre E-Mail-Adressen ein, diese erhalten einen Zugangslink und Code und melden sich zum Start über ihren Web­browser an. Über das User-Interface ist erkennbar, wer das Meeting moderiert und wer anwesend ist. Man kann den Bildschirm teilen, um Dokumente oder Präsentationen zu zeigen, es gibt eine  Chat-Funktion oder die Möglichkeit, das Meeting aufzuzeichnen. Um das Ganze persönlicher zu gestalten, kann auch die eigene Webcam freigeschaltet werden.

Branchenlösungen nach WEG-Novelle zu erwarten
Die digitale Lebenswelt bringt es mit sich, dass sich nicht nur Verwalter, sondern auch Eigentümer inzwischen eine Online-Teilnahme an Eigentümerversammlungen wünschen. Bei Michael Peitgen, Geschäftsführer der Trigon Immobilien-Verwaltungsgesellschaft mbH aus Bonn, wurden bereits Videokonferenzen angefragt. Aus rechtlichen Gründen hat er bislang stets abgelehnt. „Ich sprenge den Sinn und Zweck einer geschlossenen Eigentümerversammlung, wenn ich Kanäle eröffne, bei denen ich nicht überprüfen kann, ob der Eigentümer allein im Raum ist“, erklärt er. Mit der Novellierung des WEG-Gesetzes sollen die Voraussetzungen für die Teilnahme und Beschlussfassung via Internet jetzt allerdings geschaffen werden. (Siehe dazu auch den Beitrag von Dr. Jan-Hendrik Schmidt ab Seite 20. )

Was braucht man für Webmeetings?
Da die Tools webbasiert sind, können die Eigentümer über jedes internetfähige Device an einem Webmeeting teilnehmen. Per PC lässt sich der digitale Audiokanal (VoIP) nutzen, oder man wählt sich per Telefon ein. Anders als der interne Lautsprecher und das Mikrofon des PC sorgt ein Headset für die nötige Tonqualität, je nach Ausführung kann es auch störende Nebengeräusche filtern bzw. unterdrücken. Die Videofunktion, die auf die Webcam zugreift, lässt sich optional ausschalten. Bei erstmaligem Einsatz lohnt ein Probelauf mit allen Teilnehmern.

Der Präsenzveranstaltung schon sehr nahe
„Die Technik für Meeting-Tools entwickelt sich stetig weiter, auch durch künstliche Intelligenz“, erklärt Susanne Vieker. „Heute kann man virtuelle Konferenzen oder Schulungen in 3D abhalten, die die Arbeitswelt der Teilnehmer realitätsnah abbilden und gleichwertige Interaktionsmöglichkeiten schaffen.“

Auf den Innovationstagen, einer gemeinsamen Veranstaltung der Haufe Group und des VDIV Deutschland, wurde gezeigt, wie eine virtuelle Eigentümerversammlung in dieser Qualität aussehen könnte. In einem vom Verwalter vorbereiteten, virtuellen Konferenzraum interagieren Verwalter und Eigentümer über Avatare, wie man sie von Computerspielen kennt. Spannend ist, dass man dabei ähnliche Erfahrungen durchlebt wie in der realen Welt, etwa, wenn man den Avatar etwas an die Pinnwand kleben lässt. „Die virtuelle Eigentümerversammlung ist keine Spielerei“, betont Referentin Pia Westerwalbesloh, Business Development Managerin bei Haufe. „Der Nutzen steht im Vordergrund. Die Eigentümer können 500 Kilometer vom Verwalter entfernt sitzen und sind doch eingebunden wie in der echten Versammlung. Sie melden sich per Handzeichen zu Wort, stellen Anträge, verfolgen, was der Verwalter auf das Whiteboard schreibt und stimmen geheim oder öffentlich über Beschlussvorlagen ab.“ Das alles geht einfach per Maus und Tastatur.

Auch innerhalb einer WEG kann man nicht davon ausgehen, dass alle Kunden den digitalen Weg wünschen. Die Größe spielt ebenfalls eine Rolle – eine Versammlung via Internet muss noch übersichtlich bleiben. Techniken, die Präsenzveranstaltung und Online-Teilnahme verzahnen, dürften daher wichtig werden. Dafür, dass der internetaffine Eigentümer, der unter Zeitdruck stehende Berufstätige und der in der Mobilität eingeschränkte Eigentümer abgeholt werden, aber auch der ein oder andere Versammlungsmuffel eingefangen wird, lohnt sich der Weg ins Internet allemal.

Virtuell oder konservativ? Stimmen aus der Praxis
„Wir müssen sehen, was vom Markt erwünscht ist. Bei einer jungen, mobilen Eigentümerklientel in Berlin, die sich intern über eine App vernetzt, kann ich mir eine Online-Eigentümerversammlung vorstellen, ebenso bei Kapitalanlegern, die sich die Anreise ersparen wollen“, sagt Michael Peitgen. „Das Gegenbeispiel ist unsere Eigentümergemeinschaft mit einem Altersschnitt von 66 Jahren. Diese Kunden lieben es, zur Jahresversammlung zu kommen; hier ist der persönliche Kontakt durch nichts zu ersetzen. Wir dürfen nicht vergessen: Beim Wohnen geht es um Emotionen.“

„Die Online-Teilnahme ist der Weg, der kommen wird“, erklärt Ralf Michels, Geschäftsführer der A.S. Hausverwaltungs- & Projektentwicklungs-GmbH und Präsidiumsmitglied im VDIV Deutschland „Dann müssen Verwalter die Technik vorhalten, um Gemeinschaften, die einen entsprechenden Beschluss fällen, zu halten. Der Wunsch danach wird sich nicht bestimmten Gruppen zuordnen lassen. Auch ältere Menschen schätzen digitale Angebote, weil sie einfache Verfahren zur Teilnahme bieten. Der Verwalter könnte in Zukunft morgens um neun Uhr zur Eigentümerversammlung einladen und Berufstätige schalten sich zu, bevor sie ins Büro gehen. Ohnehin brauchen wir Alternativen zu den Abendterminen, wollen wir die Frage des Fachkräftenachwuchses lösen.“

Bei der Dr. REISE & PARTNER GmbH haben sich Telefonkonferenzen mit Eigentümern im kleinen Rahmen schon bewährt. „Ich erwarte eine hohe Bereitschaft, sich in die Versammlung einzuloggen, anstatt uns Vollmachten zu erteilen“, erklärt Dr. Brigitta Reise, geschäftsführende Gesellschafterin. „So schaffen wir durchsetzungsfähigere Entscheidungsgrundlagen, und mehr Eigentümer folgen uns. Aus Praxissicht sind natürlich viele Anforderungen zu berücksichtigen. Präsenz- und Online-Teilnahme müssen harmonisiert werden, etwa bei der Abstimmung, Zugang und Nutzung müssen einfach, haftungsrelevante Themen wie Datenschutz oder Nicht-Öffentlichkeit gelöst sein. Doch die Möglichkeiten der virtuellen Eigentümerversammlung begeistern mich – das ist zukunftsweisend.“

Zum Bild: Spielerische Anmutung, ernsthafter Hintergrund: In der virtuellen Eigentümerversammlung agieren Verwalter und Eigentümer über Avatare.

Illustration: ©  Haufe Group


Kunow, Dr. Ilonka

freie Redakteurin, Gauting