02.12.2022 Ausgabe: 8/22

Der Markt wird sich konzentrieren

Der Markt der Immobilienverwaltung befindet sich in einem gravierenden Wandel.

Mehr als 24.000 Verwaltungsunternehmen gibt es deutschlandweit. Der Klassifizierung des Statistischen Bundesamtes zufolgemen mit bis zu neun Mitarbeitern und kleine Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern. Nur einige wenige zählen mit bis zu 249 Mitarbeitern zu den mittelgroßen, die Jahresumsätze bis 50 Mio. Euro erzielen – ein klein- teiliger Markt also mit Milliardenumsatz.

Die Größe der Unternehmen sagt etwas aus über die finanziellen und personellen Ressourcen, mit denen Akteure sich für aktuelle und künftige Herausforderungen wappnen und es sind gewaltige Herausforderungen. 


Arbeitskräftemangel bremst die Branche
Nach Erlass des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahr 1951 waren Verwalter Quereinsteiger aus allen möglichen Berufen. Eine gezielte Berufsausbildung gab es noch nicht. Immobilienverwalter verstanden sich als Dienstleister, die ihren Kunden Tag und Nacht zur Verfügung stehen. Sie waren Verwalter, keine Unternehmer, die oftmals Wirtschaftlichkeit nur durch Selbstausbeutung erzielten. 

Die Ansprüche der Eigentümerinnen und Eigentümer orientieren sich bis heute daran: Eigentümerversammlungen in den Abendstunden und Telefonbereitschaft an den Wochenenden waren doch immer schon selbstverständlich. Diese Erwartungen entsprechen aber nicht mehr den Berufsvorstellungen und Lebens- entwürfen junger Menschen. So ist das Problem, dass offene Stellen in der Immobilienverwaltung nicht be- setzt werden können, dramatisch gewachsen. In vielen Fällen verlassen Mitarbeiter die Immobilienverwaltung und gehen in andere Dienstleistungsbereiche, die bessere Arbeitsbedingungen bieten. Der Mangel an Arbeitskräften trifft viele Branchen der deutschen Wirtschaft, in der Immobilienverwaltung wird er allerdings für manchen Betrieb existenzbedrohend. Unternehmer berichten, dass sie keine neuen Mandate mehr annehmen können oder gar bestehende kündigen müssen, weil die zu dünne Personaldecke es nicht anders hergibt. Kleine und selbst mittelgroße Verwaltungsunternehmen haben nicht die Ressourcen, um branchenfremdes Personal, das die für die Immobilienverwaltung erforderliche Einstellung mitbringt, für sich zu gewinnen und zu Fachkräften auszubilden. Sie sind nicht imstande, Arbeitsplätze zu Konditionen anzubieten, mit denen sie im Wettbewerb um Talente bestehen können.

Herausforderungen im technischen Bereich
Exponentiell steigen die Anforderungen in der technischen Hausverwaltung. Sich das dafür erforderliche Wissen anzueignen und ständig auf Stand zu halten, kann nicht von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit der Wohnungseigentumsverwaltung befasst sind, erwartet werden. Das zeigt sich schon an den derzeit aktuellen Themen, und es sind nur Beispiele: Elektromobilität, Heizungstechnologie, Telekommunikationsgesetz, Brandschutz, Energiesicherungsgesetz, Gebäudeenergiegesetz, Fördermittel, hybride Eigentümerversammlungen …

Dabei nimmt zum einen die erforderliche Tiefe des Fachwissens zu, zum anderen lässt die Unterstützung vonseiten des Handwerks spürbar nach, da auch hier Fachkräfte fehlen. Was Verwaltungen damit fehlt, ist eine zentrale Anlaufstelle für technische Belange, an die sich Mitarbeiter zur Unterstützung in einem konkreten Projekt wenden können. Inhaber kleiner Verwaltungsunternehmen sind damit oft überfordert.

Verwaltungs-Software als Hindernis
Um den signifikant zunehmenden Arbeitsaufwand zu bewältigen, stehen Immobilienverwaltungen nicht die erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung. Zwar gibt es mehr als 100 Anbieter von Verwaltungs-Software, die aber häufig auf veralteter Technologie basiert und daher die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen nicht unterstützt. Digitalisierung und Automatisierung sind jedoch notwendig, um Vorgänge wirtschaftlich bearbeiten zu können und um mit Kunden auf zeitgemäße und von ihnen erwartete Weise zu kommunizieren. ERP-Systeme auf Basis veralteter Technologien können nicht einfach modernisiert werden, man müsste sie komplett neu programmieren. Das ist mit einem Aufwand verbunden, den die meisten Anbieter nicht werden leisten können. Daher entwickelt sich eine neue Generation von Verwaltungsprogrammen, die cloudbasiert digitales und automatisiertes Vorgangs-Management ermöglichen – was beiden Herstellern von ERP-Systemen zum Konzentrationsprozess führen wird. Und für viele Immobilienverwaltungen heißt das, auf ein neues Verwaltungsprogramm umstellen zu müssen. Das aber erfordert Manpower und ist ein finanzieller Kraftakt.

Welche Zukunft erwartet die Immobilienverwaltung?
Märkte, die die Merkmale kleinteilig, lukrativ, digitalisier- und skalierbar aufweisen, durchlaufen früher oder später einen Konzentrationsprozess. Ein gutes Beispiel ist der Lebensmitteleinzelhandel: Gab es früher an jeder Ecke einen Tante-Emma-Laden, beherrschen heute wenige Discounter und Großmärkte das Geschäft. Hatte früher jede Gemeinde ihre Molkerei, sind es heute nur wenige Großbetriebe. Ähnliche Tendenzen zeigen sich im Handwerk, und auch in der Immobilienbranche hat der Konzentrationsprozess längst begonnen: Verwaltungsunternehmen wie Reanovo wachsen durch den Zukauf anderer Verwaltungen. Es gibt aber auch neue Player, Plattformen wie die Deutsche Hausverwaltung Plus, die die Chancen im Markt erkannt haben. Sie übernehmen ebenfalls Verwaltungen und formen Unternehmensgruppen. Sie bieten ihren Mitgliedsunternehmen zentral Leistungen und Unterstützung, damit diese sich auf ihr Kerngeschäft, die Verwaltung, konzentrieren können. Zu diesen Angeboten gehören beispielsweise das professionelle Recruiting sowie die Aus- und Weiterbildung von Personal, Unterstützung im Bereich der technischen Gebäudeverwaltung und vorteilhafte Konditionen für Kunden, etwa durch die Bündelung von Energielieferverträgen. 

Provokante These: In zehn Jahren ist die Hälfte der heute aktiven Immobilienverwaltungen nicht mehr am Markt. Die Inhaber vieler kleiner Unternehmen werden sich in den Ruhestand verabschieden und die größerer Verwaltungen werden sich einer Unterneh- mensgruppe anschließen und dort möglicherweise als Führungskräfte weiter tätig sein. Mit der Konzentration wird eine Leistungsveränderung, aber auch eine Professionalisierung der Branche einhergehen.

Kunze, Richard

Der Diplom-Kaufmann ist geschäftsführender Gesellschafter der KUNZE Unternehmensgruppe mit einem Verwaltungsbestand von über 20 000 Einheiten.