21.04.2016 Ausgabe: 3/2016

Der reine Genuss

Trinkwasser muss „frei von Krankheitserregern, genusstauglich und rein“ sein. Zur mikrobiologischen und chemischen Beeinflussung durch das Installationssystem.

Trinkwasser ist ein übergeordnetes Lebensmittel, das unter besonderem Schutz stehen muss, da bei zentraler Versorgung im Falle mikrobiologischer oder chemischer Abweichungen eine infektiologische oder toxikologische Risikoerhöhung für meistens viele Menschen besteht. Die moderne öffentliche Wasserversorgung sichert durch gesundheitsamtliche Überwachung und strenges Einhalten der normativen Regelwerke flächendeckend eine Trinkwasserbeschaffenheit, die als „frei von Krankheitserregern“, „genusstauglich und rein“ befunden werden kann. Damit werden die grundsätzlichen Forderungen der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) an ein Wasser beschrieben, die sicherstellen, „dass durch dessen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger nicht zu besorgen ist“. Erfüllt das Wasser diese Forderungen, stellt es Trinkwasser dar.

Trinkwasser wird am Ort der Gewinnung in der Regel in einem Zustand bereitgestellt, der diesen Forderungen entspricht. Durch Kontakt mit Leitungswerkstoffen auf der Strecke zwischen dem Ort der Gewinnung und der terminalen Entnahmestelle am Ort der Nutzung kann Trinkwasser nachteilig beeinflusst werden: Korrosionsprodukte metallischer Leitungswerkstoffe können an das Wasser abgegeben werden; es kann ferner zu einer Anreicherung von wasserständigen Mikroorganismen kommen.

Einflüsse auf das Trinkwasser im öffentlichen Versorgungsnetz

Im Bereich des öffentlichen, d. h. versorgerseitigen Teils der Trinkwasseranlagen sind aufgrund der in der Regel stetigen Durchströmung der Leitungen nur geringe nachteilige Einflüsse gegeben. Mikrobiologische Anreicherungen treten sehr selten auf, jedoch können Sedimente der Wassergewinnung und Korrosion (z. B. von Gussleitungen) in die angeschlossenen Hausinstallationen eingetragen werden. Die eingetragenen Sedimente wiederum führen zu einer beschleunigten Korrosion der Hausinstallation und Ablagerungen im Warmwasserbereiter. Aus diesem Grunde sind auch öffentliche Versorgungsleitungen in Zeitabständen (2 – 5 Jahre) zu reinigen (DVGW W291). Ein sinnvoll einsetzbares Spülverfahren ist z. B. die Saugspülung nach Klose, welche im Gegensatz zu Druckluft-Wasser-Spülungen keine atmosphärischen Einträge (z. B. Mikroorganismen) zulässt.

Einflüsse auf das Trinkwasser im Bereich der Hausinstallation:

Im Gegensatz dazu besteht im Bereich von Trinkwasserhausinstallationen ein erheblich größeres Problemfeld. Hier ist der „bestimmungsgemäße Betrieb“ entsprechend DIN 1988 und VDI 6023 notwendig, um nachteilige Einflüsse des Trinkwassers bei Kontakt mit der Hausinstallation zu vermeiden. Der „bestimmungsgemäße Betrieb“ ist erreicht, wenn sichergestellt ist, dass sämtliche Teile der Hausinstallation im Abstand von mindestens 72 Stunden vollständig durchströmt werden und gleichzeitig die gültigen Normen (allg. anerkannte Regeln der Technik) eingehalten werden. Da in mehr als 95 Prozent der Liegenschaften der „bestimmungsgemäße Betrieb“ ein Idealzustand ist, der nicht erreicht wird, kommt es in Abhängigkeit des verwendeten Leitungsmaterials zu unterschiedlichen nachteiligen Aspekten:

Anorganische Werkstoffe (Metalle)

1. Verzinkter Stahl
vorwiegend in Altanlagen verwendet; ­Gewindeverbindung
> Innenkorrosion durch Abbau der Zinkschicht (Sauerstoffkorrosion, ggf. Säurekorrosion durch kalkagressive Wässer)
> Reduktion des Durchmessers durch orts­ständige Korrosionsprodukte
> Leckagen durch Lochfraß
> Abgabe von Eisen in das Trinkwasser
> Anreicherung von Mikroorganismen auf ­ortsständigen Korrosionsprodukten

2. Kupfer
in Altanlagen ab ca. 1975 – bevorzugt im Warm­wasserschenkel – sowie in Neuanlagen installiert;
Löt- ­und Pressverbindungen
> Säurekorrosion durch kalkagressive Wässer (pH-Wert < 7,8 und calcitlösend), galvanische Außenkorrosion durch verzinkte Schellen mit direktem Kontakt zum Werkstoff
> Die Innenkorrosion ist verstärkt bei hartgelöteten Verbindungen (Kohlenstoff-Schicht auf der Innenseite, Weichglühen des Kupfers mit Spannungsrisszone nahe der Lötstelle) und bei überschüssiger Lotzugabe, sowie bei Auftreten von Sedimentpartikeln.
> Leckagen durch Lochfraß
> Abgabe von Kupfer in das Trinkwasser

3. Edelstahl
vorwiegend Neuanlagen; Pressverbindungen
> Optimaler, fast vollständiger inerter Werkstoff
> Sicher anzuwenden bei Chloridkonzentrationen < 200 mg/L (Grenzwert TrinkwV 2001: 250 mg/L), da eine erhöhte Chloridkonzentration das Risiko für Innenkorrosion erhöht.
> Leckagen durch Lochfraß sind sehr selten, sofern die Rohre mit Rohrabschneider zugeschnitten werden; beim Trennen mit Trennscheibe treten Anlassfarben auf (> 350 °C), welche das Korrosionspotenzial punktuell erhöhen.

Weiterhin werden als organische Werkstoffe verschiedene Kunststoffe verwendet:
PE und PP sind weitgehend unkritisch bei Kontakt mit Trinkwasser (KTW-Prüfung muss erfolgt sein) und werden meist in Kunststoff-Al-Verbundrohren verwendet (Pressverbindungen, teilweise Schweißverbindungen). PVC als Leitungswerkstoff wurde in den 1990er-Jahren häufiger verwendet, Nachteile sind in den geklebten Muffen (thermische Desinfektion nicht möglich) und in der Biofilmbildung auf der Innenoberfläche zu sehen.

Das Problemfeld Korrosion
Da die Trinkwasserbeschaffenheit innerhalb der Grenzen der TrinkwV durchaus variabel ist, muss in der Planung von Neuinstallationen geprüft werden, ob der geplante Werkstoff mit dem vorhandenen Trinkwasser kompatibel ist. Dies ist insbesondere bei Korrosionsschäden in Bestandsanlagen zu prüfen. Während in der Planungsphase eine Werkstoffalternative ermittelt wird, ist bei Bestandsanlagen eine Anpassung des Trinkwassers an die vorhandene Anlage notwendig. Hier dürfen im Rahmen der Liste der geprüften Aufbereitungsstoffe des Umweltbundesamtes Silicate, Phosphate und Polyphosphate eingesetzt werden. Aufgrund der individuell variablen Trinkwasserbeschaffenheit muss für jeden Einzelfall eine konkrete Analyse erstellt werden, um das Fortschreiten der Korrosion zu unterbinden und ggf. vorhandene Korrosionsprodukte in einen ortsständigen Zustand zu überführen.

Weiterhin sind spezielle Spülverfahren notwendig, um sämtliche mobilen Partikel aus dem System zu entfernen (Korrosionspartikel, Metallspäne etc.). Hierzu eigenen sich spezielle Aufbereitungssysteme, die als Inertgas-Wasser-Spülungen oder Granulat-Wasser-/Luft-Spülungen sämtliche mobilen Partikel ausspülen. In Abhängigkeit der Härte und Körnung des Granulats wird eine abrasive Wirkung erreicht, sodass auch ortsständige Korrosionsprodukte entfernt werden.

Im Anschluss kann das blanke Metall durch eine aufzubringende, mineralische Versiegelung behandelt werden. Parallel müssen nach UBA-Liste zugelassene Dosierstoffe verwendet werden, um die korrosionshemmende Schicht aufrecht zu erhalten und den Aufbau einer korrosionshemmenden Patina zu erleichtern. Der „bestimmungsgemäße Betrieb“ muss jedoch weiterhin abgebildet werden, was durch vollständige Nutzung einer Trinkwasseranlage oder – bei inhomogener Nutzung – durch zeitgesteuerte Spülventile erreicht wird.

Auf diese Weise können Bestandssysteme individuell nach Zustand saniert und dem vorhandenen Trinkwasser angepasst werden. Im Gegensatz zu den in den 1990er- und 2000er-Jahren verwendeten Epoxidharzen gelangt das Trinkwasser bei mineralischer Beschichtung nicht in Kontakt mit Kunststoffen, sodass Restmonomere der Harze (Bisphenol-A, Epichlorhydrin) nicht in das Trinkwasser gelangen können.

Die genannten Verfahren sind bei bis zu 90 Prozent der Bestandsanlagen anwendbar. Limitierender Faktor ist vor allem die noch vorhandene Wandstärke. Sofern diese ausreichend ist (Cu > 1,0 mm; Fe > 2 mm; bis DN 50), kann eine Sanierung entsprechend erfolgen. Die Sanierung führt zu einer Sicherheit von fünf bis zehn Jahren, je nach Beschaffenheit der Anlage auch länger. Innerhalb dieser Zeit kann eine vollständige Neuinstallation geplant und finanziert werden.

Das Problemfeld Keimanreicherung

Aufgrund der Tatsache, dass Korrosionsprodukte und Partikel in Trinkwasseranlagen auch eine hygienetechnische Relevanz aufweisen (Adsorption von Mikroorganismen an kolloidale Partikel), werden nachfolgende Kontrollpunkte genannt, die zu einer sekundären Anreicherung trinkwasserständiger Mikroorganismen führen können:

> Trinkwasserfilter: Bevorzugt Rückspülfilter installieren (Rückspülung wöchentlich bis monatlich); falls Trenngrenze < 80 µm gefordert ist, Kerzenfilter (Wechsel der Filterkerze halbjährlich). „Nasse“ Filterüberbrückungen sind nicht zulässig (seit 1988).

> Trinkwassersystem: Bei Neuanlagen Ringsysteme mit Einschleifung aller Entnahmestellen bevorzugen, bei Bestandsanlagen auf Totstellen (Stagnation!) achten (z. B. in Folge von Umnutzung, bzw. Be- und Entlüfterventile). Be- und Entlüfterventile können gegen spezielle zeitgesteuerte Spülventile getauscht werden, die einen „bestimmungsgemäßen Betrieb“ der Anlage erzwingen.

> Sicherheitsgruppe im Kaltwasserzulauf der Warmwasserbereitung: Diese muss ein Rückströmen von mäßig erwärmten Warmwasser (Gefährdungsklasse 2) in das Kaltwassersystem (Gefährdungsklasse 1) durch Volumenzunahme bei Erwärmung unterbinden und gleichzeitig bei kritischem Druck (8 oder 10 bar) den Überdruck durch Abblasen abbauen. Die Funktion dieser Baugruppe muss im Rahmen des Wartungsplans geprüft werden.
In einzelnen Fällen ist das Sicherheitsventil als einzelnes Bauteil ausgeführt. Die Montage über dem Speicherniveau führt bei Stichleitungen zu relativen Totstrecken.

> Membran-Ausdehnungsgefäß nach Sicherheitsgruppe: Muss, sofern es vorhanden ist, durch eine spezielle Armatur vom fließenden Wasser durchströmt werden.

> Trinkwassererwärmer: Meist Ausführung als Speicher-Wassererwärmer, oft überdimensioniert. Vorhandene Speicher-Erwärmer sollten im Abstand von fünf Jahren geöffnet, entkalkt und desinfiziert werden (hier sind spezielle Aufbereitungsmethoden erforderlich, um sämtliche Verockerungen und Kesselsteinablagerungen zu lösen). Bei emaillierten Stahlbehältern ist die Opferanode zu tauschen oder gegen eine (verschleißfreie) Fremdstromanode zu ersetzen. Bei Austausch des Erwärmers oder Neuinstallation sollten Plattenwärmetauscher vorgesehen werden (geringes Volumen, hohe Leistung durch heizkreisseitige Pufferung), ggf. zusätzlich ein durchströmter, gering dimensionierter Speicher-Wassererwärmer als Puffer für Bedarfsspitzen. Plattenwärmetauscher ermöglichen zudem eine suffiziente periodische Erwärmung des Warmwassers (z. B. Legiokill-Schaltung).

> Zirkulationssystem Warmwasser: Dieses soll eine Stagnation des Warmwassers mit Abkühlung und sekundärer Keimanreicherung vermeiden. Bei mikrobiologischen Abweichungen ist das System grundlegend hydraulisch zu berechnen (DVGW W553); bevorzugt sind thermostatische Regulierventile einzusetzen, um den Volumenstrom über sämtliche Stränge gleichmäßig zu verteilen. Die Zirkulationspumpe muss nach DVGW W553 dimensioniert werden; Betriebsunterbrechungen sind maximal über sechs von 24 Stunden zulässig, im optimalen Falle wird die Pumpe ständig betrieben. Bei Installation von mehreren Pumpen müssen Rückschlagventile ausgangsseitig installiert sein. Der Zirkulationsrücklauf sollte in den Kaltwassereingang des Warmwasserbereiters geführt werden, um eine ständige Durchströmung (Temperaturschichtung bei Speicher-Warmwasserbereitern vermeiden!) zu gewährleisten. In Warmwasser-Großanlagen beträgt die minimale Z-Rücklauftemperatur 55 °C; die Temperatur am Erwärmer-Ausgang soll > 60 °C sein.

> Feuerlöschübergabestelle: Diese muss nach EN 1717 mit freiem Auslauf ausgeführt sein (> 5 mm), weiterhin ist eine Durchströmung der Versorgungsleitung im Abstand von 72 Stunden notwendig.

Zusammenfassung:

Insgesamt betrachtet, sind die regelmäßige, fachgerechte Wartung der Trinkwasseranlage nach EN 806-5, die präventive Gefährdungsanalyse von Hausinstallationen nach VDI 6023 und die Untersuchung auf Legionellen nach DVGW W551 notwendig, um nachteilige Auswirkungen der Hausinstallation auf das Trinkwasser festzustellen.

Ergeben sich korrosionstechnische oder mikrobiologische Abweichungen, so ist deren Ursache in einer indikativen Gefährdungsanalyse zu ermitteln. Eine individuelle, nachhaltige Lösung kann im Falle von korrosionsbedingten Abweichungen eine Strangsanierung sein; bei mikrobiologischen Abweichungen ist zunächst deren technische Ursache zu beheben. Anschließend kann, sofern die Verkeimung nicht durch Spülmaßnahmen beseitigt wird, eine chemische Anlagendesinfektion nach DVGW W557 erfolgen. Chlordioxid ist der bevorzugte Wirkstoff, da Chlordioxid Biofilme löst und durchdringt. Die Festlegung des Wirkstoffs einer chemischen Desinfektion muss in Abhängigkeit des Leitungswerkstoffs erfolgen.

Durch eine nachhaltige Trinkwassersicherheit, insbesondere die fachgerechte, regelmäßige Wartung der Trinkwasseranlage nach EN 806-5, wird eine Versorgungssicherheit erreicht, gleichzeitig kommt der Betreiber der Trinkwasseranlage der Verkehrssicherungspflicht gegenüber den Nutzern hinreichend nach.

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Schmelz, Dr. Ulrich

Der Geschäftsführer der Dr. Schmelz GmbH ist Mediziner, Lebensmittelchemiker und Verfahrenstechniker. Er ist als Hochschuldozent, Gutachter und Fachplaner tätig.