01.03.2016 Ausgabe: 2/2016

Der Selbstbehalt im Schadensfall

In der Gebäudeversicherung fast schon Gang und Gäbe – aber warum? Und wo steht er in der Hausgeldabrechnung?

Nie war der Selbstbehalt, die Eigenbeteiligung, kurz: SB, in der Gebäudeversicherung so im Gespräch wie heute. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen dient er als wesentliches Instrument, um ansteigende Schadensquoten in Schach zu halten, die weitere Versicherbarkeit eines Objektes zu gewährleisten und die Prämie bezahlbar zu halten, zum anderen geht es um die rechtssichere Beantwortung der Frage, wie er in der Hausgeldabrechnung durch den Verwalter dargestellt wird.
Vorausschickend kann und muss gesagt werden, dass hierzu noch keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist, was der Diskussion über Möglichkeiten der Betrachtung und der Abrechnung Tür und Tor öffnet. Dezidiert dazu geäußert hat sich bisher als Einziger Wolfgang Dötsch (u. a. ZWE 10/2015 Seite 341 – 351). Man kann seine Meinung dazu teilen, muss es aber nicht.

Zum Hintergrund

Die Gebäudeversicherung ist aufgrund der derzeitigen signifikant gestiegenen Schadensquoten und damit verbundenen exorbitanten Entschädigungszahlungen in eine Situation geraten, die den Versicherungsgesellschaften den Angstschweiß auf die Stirn treiben muss. Aus Sicht der Versicherer gibt es nun einmal nicht sehr viele Möglichkeiten, sich davor zu schützen. Was bleibt, ist entweder die Radikalkur der Vertragskündigung, die drastische Erhöhung der Prämien oder die immer beliebtere Maßnahme: die Vereinbarung eines Selbstbehaltes, der vom Versicherungsnehmer im Schadensfall zu übernehmen ist und die Versicherungen zumindest vor einem Großteil der Kleinschäden bewahrt, die ihnen sonst bedenkenlos gemeldet würden. Schadens­trächtige Verträge werden also oft nur weitergeführt, wenn ein Selbstbehalt akzeptiert oder die Prämie erhöht wird.

Die Problematik des Selbstbehaltes

Wenn mit dem Versicherer ein solcher SB vereinbart wurde, der mit den Eigentümern besprochen bzw. durch diese beschlossen worden sein sollte, ist darauf zu achten, wofür er gelten soll. Bei der verbundenen Gebäudeversicherung (Feuer, Leitungswasser, Sturm, Hagel etc.) sollte sichergestellt sein, dass er nur in dem Bereich Anwendung findet, der für die Vereinbarung ursächlich ist, nicht generell in allen Versicherungsbereichen. Sollte also der SB aufgrund von Leitungswasserschäden entstanden sein, so dürfte er nicht auch bei Hagel-, Sturm- oder Feuerschäden in Abzug gebracht werden können. Mit dem Versicherer sollte auch verhandelt werden, dass eine Aufhebung der Vereinbarung zum SB erfolgt, sobald die Schadensquote wieder nachhaltig gesunken ist oder der schadensverursachende Bereich nachweislich durch die Eigentümergemeinschaft saniert wurde – was wesentlich einfacher ist, als das Zurücknehmen einer erhöhten Prämie.

Dieser Aspekt wird allzu häufig vergessen und führt letztlich dazu, dass Eigentümer ungerechtfertigt weiterhin belastet werden. Verwalter sollten darauf achten und entsprechend tätig werden.

Der Selbstbehalt in der Jahresabrechnung

Als was ist der SB denn aber nun anzusehen? Diese Frage wird bisher nur mutmaßlich behandelt. Prämie oder Instandsetzungsaufwand? Durch den SB entsteht im Schadensfall ein Fehlbetrag, der die Gesamtaufwendung für den Schaden durch die Zahlung des Versicherers nicht deckt. Hat die WEG den Schaden verauslagt, entsteht somit eine Deckungslücke. Sie zu schließen, könnte über zwei Wege erreicht werden:

1. Man rechnet den SB der Versicherungsprämie zu, oder
2. die WEG übernimmt diese im Wege der laufenden Instandhaltung aus dem Jahreshaushalt, oder der Rücklage.

Beide Möglichkeiten sollten, wie zuvor bei der Einführung des SB – hier: unter welcher Rechnungslegung dies in die Jahresabrechnung einzustellen sei – durch die Eigentümer beschlossen worden sein.
Ist der SB als Prämie zu werten, würde bei einem SB von 1.000 Euro je Schadensfall und einer Grundprämie von 5.000 Euro p. a. sich diese schon mit nur fünf SB-Einsätzen verdoppeln.

Für selbstnutzende Eigentümer sicher keine Frage. Für Mieter von Eigentumswohnungen ist dies aber eine inakzeptable Erhöhung, zumal als Umgehungstatbestand zu werten, da die Instandhaltung zu ihren Lasten umgangen wird. Die Abrechnung wird im Falle einer gerichtlichen Überprüfung mit Sicherheit verworfen und zu ändern sein. Der Eigentümer hat den Betrag selbst zu tragen.

Ähnlich wird argumentiert werden, wenn anstelle der SB-Vereinbarung die Prämie direkt verdoppelt wird, um einer Kündigung entgegenzuwirken. Der Mieter wird die hohe Versicherungsprämie in seiner Nebenkostenabrechnung keinesfalls akzeptieren müssen.

Somit sind beide Formen für den vermietenden Eigentümer nicht zielführend. Und da er die Kosten ohnehin direkt zu zahlen hat, kann er sie auch über die Jahresabrechnung im Bereich der nichtumlagefähigen Kosten darstellen lassen. Dem selbstnutzenden Eigentümer ist dies ohnehin „Jacke wie Hose“.

Praktischer Einwand

Aus Sicht der WEG ist es eigentlich gleich, der Praktiker jedoch wendet hier ein, dass der SB der Einfachheit halber als Reparaturaufwand im laufenden Abrechnungsjahr dargestellt werden sollte, um kenntlich zu machen sowie der Überlegung Raum zu schenken, ob dauerhaft eine Sanierung nicht die wirtschaftlich bessere Lösung wäre. Bei der Darstellung als Prämie ginge diese Sensibilisierung verloren.

Auch wäre die getrennte Darstellung für den vermietenden Eigentümer besser erkenntlich, und er würde nicht Gefahr laufen, mit seinem Mieter aneinander zu geraten – sei es wegen der Erhöhung der Prämie oder wegen der Zurechnung durch den SB.

Als Ergebnis sollte hier festgehalten werden, dass ein klug ausgehandelter SB eine durchaus sinnvolle Maßnahme sein kann, zumindest im Vergleich zur Festlegung einer starren höheren oder gar verdoppelten Prämie, die zukünftig grundsätzlich jährlich fällig wird, nicht nur im Schadensfall wie der SB.

Fazit & Empfehlung

Wenn der SB zum Tragen kommt, sollte der Betrag als laufender Reparaturaufwand gebucht und abgerechnet werden. Somit wird der Aufwand für Eigentümer sichtbar, und für Vermieter ist es eine Hilfe zur Abrechnung gegenüber dem Mieter. Jede Buchung und Jahresabrechnung sensibilisiert zudem dafür, dass der Selbstbehalt durch notwendige Sanierung auch wieder entfallen könnte. Bei ausschließlicher Darstellung der Prämie geht dies mit Sicherheit verloren.
Dies als praktische Handlungsempfehlung, solange bis diese Frage gerichtlich abschließend geklärt ist und insbesondere auch, wie der SB innerhalb der Eigentümergemeinschaft wem zuzuordnen wäre, unter Berücksichtigung des Schadensereignis und seiner Ursache. In Eigentümerversammlungen könnte es durchaus zu Unmut führen, wenn sich der Verwalter auch noch damit auseinandersetzen muss, wie sich der SB auf einzelne oder mehrere Sondereigentümer verteilt, wer Ersatzansprüche hat und vor allem gegen welche Schädiger innerhalb der WEG. Eines allerdings ist sicher: Sobald gerichtliche Entscheidungen kommen, ist Schluss mit der einfachen, für Eigentümer verständlichen Praxis. Dann wird es hochkompliziert.

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Merkel, Werner

Vorstandsvorsitzender des Internationalen Verbandes für Immobilienmanagement
IVIM Minsk, Präsidiumsmitglied und Schatzmeister des VDIV Deutschland