03.06.2014 Ausgabe: 4/2014

Der Unterschied zwischen einer Tanzbar und einer Diskothek

Der Fall, der nachstehend geschildert wird, spielte sich auf der bekanntesten Insel Deutschlands und in dem bekanntesten Ort dieser Insel, nämlich in Westerland auf Sylt, ab.

Die beklagte Eigentümerin ist Inhaberin eines Sondereigentums, das als Teileigentum mit einer Gesamtfläche von ca. 250 qm in der Teilungserklärung ausgewiesen ist. In der Teilungserklärung wird diese Teileigentumseinheit als Barraum nebst Küche, Garderobe und WC sowie Fluren und Wirtschaftsräumen bezeichnet. Im Jahre 1981 wurde diese Teileigentumseinheit als Abendlokal hergerichtet und bis zum Jahre 2010 ohne Beanstandungen an einen Betreiber verpachtet. Das Abendlokal wurde maßgeblich von einem älteren Publikum besucht, welches in den Gaststättenräumen mit dezenter Tisch- und Tanzmusik unterhalten wurde. Als der Betreiber im Jahre 2010 seine Tanzbar einstellte, suchte die Eigentümerin einen neuen Pächter und bot dieses Objekt für gastronomische Zwecke als Abend- und Szenelokal für eine breite Zielgruppe von Gästen an. Die Eigentümerin schloss einen Pachtvertrag mit zwei Betreibern, die die Räumlichkeiten vollständig umbauten, insbesondere einen großen Tresen sowie eine große Tanzfläche errichteten. Des Weiteren wurde eine Lichtanlage sowie eine Musikanlage eingebaut, die über mehrere 100 Watt verfügte. Die Räumlichkeiten glichen nunmehr einer herkömmlichen Diskothek. Dementsprechend wurde auch ein jüngeres Publikum angesprochen und beworben, das auch zahlreich dieses Etablissement besuchte. Die übrigen Wohnungseigentümer, die ihre bis dahin ruhigen Ferienwohnungen nutzen wollten, wurden durch laute Musik, insbesondere bei geöffneten Türen, wenn die Gäste die Einheit betraten bzw. verließen, erheblich gestört. Auch gingen unmittelbare Störungen von den oftmals angetrunkenen jüngeren Besuchern der Diskothek aus, wobei auch Verkehrslärm durch an- und abfahrende Autos und das Schlagen der Autotüren zu vernehmen war.

In ihrer Ruhe gestörte Anwohner auf dem Weg durch die Instanzen

Die Wohnungseigentümergemeinschaft versuchte sodann über eine einstweilige Verfügung beim Zivilgericht direkt gegen die Betreiber vorzugehen, was jedoch zuerst scheiterte. Auch ein eingeleitetes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wegen einer fehlenden Baugenehmigung und fehlender Nutzungsänderung ist im Wege einer einstweiligen Anordnung gescheitert. Die WEG hat daraufhin die Rechtsanwälte gewechselt, welche dann dazu rieten, Lärmpegelmessungen durch eine unabhängige Institution vornehmen zu lassen, um so nachzuweisen, dass erhebliche Lärmbeeinträchtigungen von der Diskothek ausgehen. Es erfolgten an unterschiedlichen Tagen in der ganzen Nacht Geräuschemissionsmessungen, die letztendlich belegten, dass die für die nächtliche Ruhe geltenden Emissionswerte erheblich überschritten wurden. Die WEG hat daraufhin beschlossen, sowohl gegen die Betreiber als auch gegen den Teileigentümer gerichtlich vorzugehen. Eine entsprechende Klage wurde beim zuständigen Landgericht Flensburg gegen die Betreiber eingereicht, die sich auf den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 BGB stützte. Dieser Klage wurde erfolgreich und zwischenzeitlich rechtskräftig stattgegeben.

Ein Messwert beschäftigt die Gerichte

Eine weitere Klage wurde beim Amtsgericht Niebüll im Wege des WEG-Verfahrens eingereicht mit dem Antrag: „Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatz- oder wahlweise an ihren Geschäftsführer zu vollstreckende Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, die im Sockel/Erdgeschoss in der XY-Straße in Westerland/Sylt belegenen Räume an Dritte zum Betrieb einer Diskothek oder eines ähnlichen Gewerbes unmittelbar oder mittelbar zu überlassen, insbesondere wenn dadurch oder durch davor wartende Gäste oder Besucher in einer Zeit von 22:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr morgens der Beurteilungspegel für Geräusche von 35 dB (A) überschritten wird.“

Das Amtsgericht Niebüll gab der Klage der WEG mit dem Hinweis statt, dass die klagende WEG gegen den Miteigentümer die Unterlassung von Lärmbeeinträchtigungen im erkannten Umfang nach Maßgabe des § 14 Nr. 1 WEG verlangen kann.

Die Teilungserklärung sehe lediglich einen Barbetrieb vor, welcher auch eine Unterhaltung der Gäste mit Tanzmusik zulasse, soweit hierdurch keine übermäßigen Lärmbeeinträchtigungen hervorgerufen werden. Eine öffentlich-rechtliche Baugenehmigung für ein solches Tanzkaffee legitimiere jedoch keinen Betrieb einer Diskothek, der auf ein sehr junges Publikum abzielt, wobei in Übereinstimmung mit der Sichtweise des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts davon ausgegangen werden muss, dass in einem solchen Fall regelmäßig das Abspielen außerordentlich lauter Musik zu erwarten ist, die ohne besondere Schallschutzvorkehrungen mit den umliegenden Wohnnutzungen nicht vereinbar sei.

Eine Gefahr fürs Kurgebiet?

Des Weiteren hat das Gericht darauf abgestellt, dass die Teileigentumseinheit bzw. die gesamte  Wohnungseigentumsanlage in einem Kurgebiet gelegen ist, sodass bereits von daher eine Nutzung des Teileigentums zur Nachtzeit nur dann maßgebend sei, wenn die TA-Lärmrichtlinie weit unterhalb von 35 dB (A) liege. Das Landgericht Itzehoe hat die Entscheidung des Amtsgerichts Niebüll bestätigt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auch das Landgericht Itzehoe vertritt die Auffassung, dass die WEG gegenüber der Miteigentümerin einen Anspruch gem. § 1004 BGB i. V. m. § 15 Abs. 3, 14 Nr. 2 WEG hat, der auf ein Unterlassen gerichtet ist. Die Bezeichnung in der Teilungserklärung rechtfertigt nicht den Betrieb einer Diskothek. Eine derartige Nutzung sei nicht mehr von dieser vereinbarten Zweckbestimmung gedeckt (LG Itzehoe, Urteil vom 11.12.2012, Az. 11 S 23/12, AG Niebüll, Az. 18 C 49/11).

Fazit

Wer eine Tanzbar hat, darf noch lange keine Diskothek betreiben.

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Mattern, Wolfgang

Wolfgang Mattern ist Rechts­anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt im Immobilienrecht sowie Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Fachanwalt für Steuerrecht. Er ist Mitbegründer und seit über 20 Jahren geschäftsführender Vorstand des VDIV Schleswig-Holstein, ­Hamburg, Mecklenburg-­Vorpommern, mit Kanzleien in Kiel und Hamburg.