14.05.2021 Ausgabe: vdivDIGITAL 2021

Der Weg zum Ziel - Wie man per Beschlussfassung die Online-Teilnahme an ­Eigentümerversammlungen ermöglicht.

Die Digitalisierung schreitet voran, die Pandemie hat den Trend zu Videokonferenzen noch deutlich verstärkt. Das Wohnungseigentumsrecht (WEG) bleibt indessen konservativ. § 23 WEG versteht den Begriff der Eigentümerversammlung weiterhin als Zusammenkunft von physisch anwesenden Personen. Online-Elemente der Versammlung bedürfen der Einführung in die Gemeinschaftsordnung durch Regelung der Eigentümer. Grundsätzlich erfordert dies eine Vereinbarung der Eigentümer, die zur Wirksamkeit gegenüber Rechtsnachfolgern ins Grundbuch einzutragen ist. Entsprechend ist ein Beschluss zur Einführung einer reinen Online-Versammlung mangels Beschlusskompetenz nichtig. Eine Ausnahme gilt, wenn eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer eine entsprechende Beschlussfassung erlaubt.

Die gesetzliche Beschlusskompetenz
Die Online-Teilnahme an einer Präsenzversammlung kann allerdings nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG durch Beschluss eingeführt werden. Die nach dem aktienrechtlichen Vorbild des § 118 Abs. 1 S. 2 Aktiengesetz (AktG) gefasste Bestimmung lautet: Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.

Auf Grundlage eines solchen Beschlusses hat die Eigentümerversammlung als Präsenzversammlung stattzufinden. Jeder Wohnungseigentümer hat die Wahl, ob er online teilnimmt oder an dem Versammlungsort erscheint, der in der Ladung genannt werden muss. Die Eigentümer brauchen nicht vorab anzugeben, ob sie sich online zuschalten oder persönlich erscheinen. Machen alle Eigentümer von der Möglichkeit zur Online-Teilnahme Gebrauch, wird die Versammlung allerdings faktisch zu einer reinen Online-Versammlung.

Vom Inhalt des Beschlusses hängt es ab, ab wann und wie lange er die Online-Teilnahme ermöglicht. So kann er die Online-Teilnahme ab sofort eröffnen. Wird der Beschluss z. B. unter TOP 1 gefasst, kann die Zuschaltung der Eigentümer zu den weiteren Tagesordnungspunkten schon in derselben Versammlung erfolgen. Üblicherweise wird die Zulassung ab der nächsten Versammlung auf unbestimmte Zeit gelten.

Beschlussvorschlag
In der Arbeitsgruppe des VDIV Deutschland, die die Handlungsempfehlung „Neue Beschlüsse nach der WEG-Reform 2020“ aus dem Februar 2021 erarbeitet hat, wurde folgender Beschlussvorschlag formuliert:

Die Teilnahme an Eigentümerversammlungen mittels elektronischer Kommunikation wird nach Maßgabe folgender Bestimmungen zugelassen:

(1) Jeder Eigentümer kann sein Teilnahme-/Rede-/Antrags- sowie Stimmrecht per Chat-/Audio-/Video-Funktion (***jeweils Einschlägiges auswählen***) im Wege von der Verwaltung auszuwählender elektronischer Kommunikationsmittel ausüben.

(2) Die Online-Beteiligung hat über einen durch geeignete Verschlüsselung geschützten Zugang zu erfolgen. Der berechtigte Online-Teilnehmer hat die Übertragung an Nichtberechtigte zu unterbinden.

(3) Jeglicher Übertragungsfehler – gleich auf wessen Verantwortungsbereich dieser beruht – hindert den Fortgang der Eigentümerversammlung nicht. Der Online-Teilnehmer ist für einen solchen Fall darauf verwiesen, sich von einer anwesenden Person vertreten zu lassen.

Dieser Beschlussvorschlag basiert auf der Einschätzung, dass die Durchführung einer Präsenzversammlung mit Online-Teilnahme anspruchsvoll ist. Der Verwalter sollte sich vor Beschlussfassung klar darüber werden, mit welchen Mitteln er in welchem Umfang die Online-Teilnahme sicherstellen kann. Folgende Einzelprobleme sind zu unterscheiden:

(1) Das Gesetz erlaubt den Eigentümern, festzulegen, welche Rechte online ausgeübt werden können. In Betracht kommt, dass der Online-Teilnehmer allein zuhören, seine sonstigen Rechte aber nur durch einen Vertreter in der Präsenz-Versammlung ausüben kann. Entsprechend nennt der Musterbeschluss unter (1) Alternativen, um festzulegen, welche Rechte Eigentümer wie online ausüben können. Diese Möglichkeit der Beschränkung ist aus dem Aktienrecht bekannt und vom Gesetzgeber vorgesehen. Das ist den Eigentümern schon deswegen zumutbar, weil sie über die Möglichkeit verfügen, ihre Rechte in der Präsenzversammlung auszuüben.

Soweit Rechte nicht online ausgeübt werden können, muss dem Eigentümer freilich die Möglichkeit eingeräumt werden, sich neben der Online-Teilnahme noch in der Präsenzversammlung durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen. So ist daran zu denken, dass ein Teilnehmer nur über die Online-Verbindung zuhört, seinem Vertreter aber (etwa per Textnachricht) Weisungen erteilt, wie er abzustimmen hat oder welche Fragen er stellen soll.

(2) Durch die Online-Übertragung werden die Missbrauchsgefahren erhöht. Zwar kann auch die Präsenzversammlung etwa durch versteckte Mobilfunkgeräte aufgezeichnet werden. Die Übertragung erleichtert aber verbotene Aufzeichnungen. Die Versammlungsleitung kann das nicht verhindern, ist allein aufgefordert, die Voraussetzungen der Nichtöffentlichkeit dadurch zu schaffen, dass nur berechtigte Nutzer nach Legitimationsprüfung zugelassen werden, wie es unter (2) formuliert ist. So kann die Verwaltung auch die Teilnahme abweichend von der üblichen Unterschriftsliste feststellen. Mit Streichung der Anforderungen an die Beschlussfähigkeit durch das Quorum des § 25 Abs. 3 WEG a. F. hat die Feststellung der Teilnahme freilich ohnehin an Bedeutung verloren. Im Falle eines erkannten Missbrauchs hat die Verwaltung den betroffenen Eigentümer ggf. nach Abmahnung abzuschalten.

(3) Die Online-Teilnahme kann durch Übertragungsfehler erschwert oder unmöglich gemacht werden. Grundsätzlich hat der jeweilige Eigentümer seinen Zugang zum Netz sicherzustellen, während die Verwaltung die Übertragung ins Netz verantwortet. Der Vorschlag unter (3) will sicherstellen, dass die Versammlung ungeachtet aller Übertragungsfehler durchgeführt wird. Das bringt eine erhebliche Einschränkung für den Online-Teilnehmer mit sich. Denn es hängt nicht von seinem Verantwortungsbereich ab, ob die Übertragung plötzlich abbricht. Die Eigentümer müssen sich überlegen, ob sie diese strenge Beschlussfassung befürworten. Dem Muster liegt das Bestreben zugrunde, dass die Online-Teilnahme den Aufwand einer Vertagung nicht notwendig machen soll. Der Online-Teilnehmer kann seine Teilnahme durch Vertreter sicherstellen. Gewiss darf diese Gestaltung nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Verwaltung missliebige Online-Teilnehmer durch Kappen der Online-Verbindung oder schlechte Vorbereitung der Übertragung ausschließen kann. Denn auf diese Klausel darf sich die Verwaltung nur solange berufen, wie sie den Missstand nicht leichtfertig verursacht hat. Andernfalls handelte sie treuwidrig.

(4) Zusätzliche Kosten einer Online-Teilnahme, etwa Verwaltervergütung und Aufwendungen für Hard- und Software, haben nach Gesetz alle Eigentümer nach Miteigentumsanteilen zu tragen. Eine abweichende Verteilung bedarf eines Beschlusses nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG.

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Jacoby, Prof. Dr. Florian

Der Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrens-, Insolvenz- und Gesellschaftsrecht der Universität Bielefeld ist Direktor der dortigen Forschungsstelle für Immobilienrecht.