09.12.2024 Ausgabe: 8/2024

Die Anfechtbarkeit der Jahresabrechnung

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Die Jahresabrechnung als Zahlenwerk ist nicht Gegenstand des Beschlusses nach § 28 Abs. 2 S. 1 WEG (BGH, Urteil vom 20.9.2024 – Az. V ZR 195/23).

Das Thema

Zugunsten der Praxis und im Einklang mit dem durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) vollständig neu gefassten § 28 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) stellt der Bundesgerichtshof (BGH) mit nachstehendem Urteil fest, dass Fehler in der einem Beschluss nach § 28 Abs. 2 S. 1 WEG zugrunde liegenden Jahresabrechnung nur dann zu einer gerichtlichen Ungültigerklärung führen können und im Anfechtungsverfahren von Bedeutung sind, wenn sie sich auf die Abrechnungsspitze und damit auf die Zahlungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers auswirken.

Der Fall

Gegenstand der Entscheidung ist die Beschlussanfechtungsklage des zum Vorsteuerabzug berechtigten Klägers als Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). 

Im Jahr 2009 beschlossen die Wohnungseigentümer, dass die GdWE bei allen Lieferungen und Leistungen, die sie im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums an die zum Vorsteuerabzug berechtigten Eigentümer erbringt, auf ihre Umsatzsteuerfreiheit verzichtet und die Hausverwaltung bei allen Buchungsvorgängen die Umsatzsteuer zu erfassen und in den Abrechnungen jeweils auszuweisen hat.

Der Einzelwirtschaftsplan für das Jahr 2020 weist für den Kläger nun monatliche Vorschüsse in Höhe von 353,89 Euro aus, in denen neben einem Beitrag zur Erhaltungsrücklage (RL) ein Hausgeldvorschuss von 283,63 Euro (netto) und die Kostenposition „MwSt. Nebenkosten ohne RL“ in Höhe von 53,89 Euro enthalten ist. Aufgrund des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 29. Juni 2020 – Zweites Corona-Steuerhilfegesetz – hat die Verwalterin der beklagten GdWE die Umsatzsteuersätze zeitlich befristet vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 von 19 Prozent auf 16 Prozent bzw. von sieben Prozent auf fünf Prozent gesenkt und dies in den Hausgeldvorschüssen berücksichtigt, ohne zuvor einen entsprechenden Beschluss einzuholen. Am 24. Juli 2021 fassten die Eigentümer sodann für das Kalenderjahr 2020 den Beschluss über die sich aus den Abrechnungen ergebenden Nachzahlungen bzw. Guthaben.

Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage des Klägers wurde erstinstanzlich abgewiesen, die Berufung war hingegen erfolgreich, und das Landgericht hat den Beschluss für ungültig erklärt. Hiergegen wendet sich nun die beklagte GdWE mit ihrer Revision mit Erfolg.

Grundsätzlich fassen die Wohnungseigentümer gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 WEG nach Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse einen Beschluss. Gegenstand des Beschlusses sind demnach ausweislich des Gesetzeswortlautes nur Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan erforderlich seien (sog. Abrechnungsspitzen), nicht hingegen das zugrunde liegende Zahlenwerk, wie es vor dem Inkrafttreten des WEMoG der Fall war. Das Zahlenwerk an sich dient nunmehr nur noch der Vorbereitung der Beschlussfassung nach § 28 Abs. 2 S. 2 WEG.

Ein Beschluss nach § 28 Abs. 2 S. 2 WEG widerspricht angesichts des reduzierten Beschlussgegenstandes nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er betragsrelevante Mängel aufweist. Dies bedeutet, dass Fehler in der zugrunde liegenden Jahresabrechnung nur dann im Rahmen der Anfechtungsklage relevant sind, wenn sich der Fehler auf die Abrechnungsspitze und damit auf die Zahlungspflicht des Wohnungseigentümers auswirkt.

Nach einer objektiv-normativen Auslegung des Beschlusses aus dem Jahr 2009 ergibt sich, dass auf alle Lieferungen und Leistungen Umsatzsteuer erhoben werden soll. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass der Steuersatz von 19 Prozent auch dann gelten soll, wenn er sich aufgrund einer Gesetzesänderung während des Wirtschaftsjahres ändert. Naheliegend ist vielmehr, dass die Eigentümer im Zweifel keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollten und daher die Formulierung „MwSt. Nebenkosten ohne RL“ dahingehend auszulegen ist, dass der jeweils gesetzlich gültige (Regel-)Umsatzsteuersatz von den optierenden Wohnungseigentümern geschuldet ist. Von diesem nächstliegenden Verständnis ist die Verwalterin zu Recht ausgegangen.

VERWALTERSTRATEGIE

Der durch das Inkrafttreten des WEMoG zum 1. Dezember 2020 neu gefasste § 28 Abs. 2 S. 1 WEG sieht vor, dass die Wohnungseigentümer nach Ablauf des Kalenderjahres nur noch über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse beschließen. Grundlage dieser Entscheidung und damit maßgeblich für die Vorbereitung ist die von dem Verwalter als Organ der GdWE zu erstellende Jahresabrechnung, die selbst als Zahlenwerk jedoch nicht mehr Gegenstand des Beschlusses ist. Die noch zum alten Recht häufigen Diskussionen und Anfechtungen aufgrund einer fehlerhaften, nicht schlüssigen Darstellung der Jahresabrechnung verfangen im Rahmen einer Beschlussanfechtung nicht mehr; Fehler des Zahlenwerks können nur noch dann zur Ungültigerklärung des Beschlusses nach § 28 Abs. 2 S. 1 WEG führen, wenn sie sich auf die Abrechnungsspitzen auswirken. Ist dies nicht der Fall, steht jedem Wohnungseigentümer zwar ein Anspruch auf ordnungsgemäße Erstellung und damit Korrektur der Jahresabrechnung zu, dies führt jedoch nicht zur Ordnungswidrigkeit der nach § 28 Abs. 2 S. 2 WEG gefassten Beschlüsse.

“Die Anfechtbarkeit der Jahresabrechnung” erschien in der Ausgabe 8/2024

Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Unternehmensrecht
Kanzlei Bub Memminger & Partner, München
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