16.09.2024 Ausgabe: 6/24

Die Erhaltungsrücklage

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Was haben WEG-Verwaltungen bei Planungen, Verwendungen und Zweckbindung zu beachten?

Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sieht in § 19 Abs. 2 Ziff. 4 verpflichtend die Ansammlung einer angemessenen Erhaltungsrücklage vor. Hierbei spielt weder die Liegenschaftsgröße noch der Ist-Zustand des Gemeinschaftseigentums eine Rolle. Das WEG stellt vielmehr im Zuge der Verwaltung auf die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ab (§ 19 Abs. 2 Ziff. 2 WEG). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) ist für die Erledigung dieser Pflichten verantwortlich.

Der Betrag der Erhaltungsrücklage geht als Teilsumme in das Gemeinschaftsvermögen der GdWE ein (§ 9a Abs. 3 WEG). Die Bildung und Auflösung der Erhaltungsrücklage kann weder durch Vereinbarung noch durch Beschluss verhindert werden.

Besonderheiten der Erhaltungsrücklage

Die Erhaltungsrücklage ist zweckgebunden. Bereits in der Phase der Ansparung ist zu berücksichtigen, dass die Verwendung ausschließlich Erhaltungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Eigentums dient. Zu den Erhaltungsmaßnahmen gehören Instandhaltungen (z. B. Wartung, Pflege, Reinigung) und Instandsetzungen (z. B. Reparaturen). Bei Instandsetzungen handelt es sich um Wiederherstellungsmaßnahmen, die weder laufend anfallen noch zeitlich/kostenmäßig genau planbar sind, beispielsweise eine neue Dacheindeckung oder der Austausch einer defekten Aufzugssteuerung. Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzungen stellen den Erhalt des Status quo sicher.

Darüber hinaus kann die Verwendung auch für bauliche Veränderungen erfolgen (z. B. Erstanbau von Balkonen, energetische Modernisierung durch Austausch der Heizungsanlage, Einbau einer Wärmepumpe). Es wird auch die Auffassung vertreten, dass Maßnahmen der modernisierenden Erhaltung Erhaltungsmaßnahmen nach § 19 Abs. 2 Ziff. 2 WEG zuzuordnen sind.

Bildung und Verwendung der Erhaltungsrücklage

Bildung und Verwendung der Erhaltungsrücklage erfolgen jeweils auf Basis eines Mehrheitsbeschlusses. Sofern kein dringlicher Finanzierungsbedarf gegeben ist, hat die WEG-Verwaltung mit der Erstellung des Wirtschaftsplans die Höhe der Vorschüsse für die Erhaltungsrücklage zur Beschlussfassung vorzulegen.

Zusätzlich erforderliche Mittel zur Finanzierung dringlicher, meist ungeplanter Instandsetzungsmaßnahmen können per Beschlussfassung zur Bildung einer Sonderumlage generiert werden. Mit erfolgter Beschlussfassung und der darin enthaltenen Fälligkeitsregelung haben Sondereigentümer die Pflicht, die Vorschüsse zur Erhaltungsrücklage bzw. zur Sonderumlage zu leisten. Die monatlichen Vorschüsse zur Erhaltungsrücklage fließen in der Praxis meist auf ein separates, ertragswirksames Bankkonto, was den Vorteil hat, dass der aktuelle Rücklagenbestand jederzeit einsehbar ist.

Bei mehreren Objekten einer GdWE können durch Vereinbarung sogenannte „Untergemeinschaften“ bestimmt werden. Beschlüsse zur Bildung und Verwendung der Erhaltungsrücklage einer Untergemeinschaft betreffen ausschließlich die Sonder-eigentumseinheiten der jeweils bestimmten Untergemeinschaft. Wichtig: Alle Sondereigentümer stehen in der Außenhaftung (§ 9a Abs. 4 S. 1 WEG).

Angemessenheit der Erhaltungsrücklage

Die Frage nach der Angemessenheit lässt sich nicht pauschal beantworten. Orientierung können allgemein dienliche Formeln bieten, z. B. die II. Berechnungsverordnung für die festgelegte Instandhaltungspauschale für den öffentlich geförderten Wohnungsbau oder die Peters’sche Formel. Maßgeblich für die Ermittlung der Angemessenheit sind Merkmale der jeweiligen Liegenschaft wie Baujahr, Ausstattung und erforderliche In­standsetzungsmaßnahmen. Daneben sind die bestehenden gesetzlichen Vorgaben sowie die Ergebnisse der kurz-, mittel-und langfristigen Erhaltungsplanung zu berücksichtigen.

Die Rolle der bestellten Verwaltung

Obgleich die GdWE die Verantwortung für die ordnungsmäßige Erhaltung und die Bildung einer angemessenen Erhaltungsrücklage trägt, geht die Umsetzung auf die bestellte Verwaltung über. Hierzu finden sich meist Regelungen im Verwaltervertrag, unter Berücksichtigung gesetzlicher Verpflichtungen und gegebener Vereinbarungen.

Grundsätzlich gilt, für beschlossene Erhaltungsmaßnahmen ist auch die Finanzierung zu regeln. Die Verwaltung steht in der Verantwortung, dass der GdWE eine ausreichende Finanzierung zur Beschlussfassung vorgelegt wird. In der Praxis der professionellen Immobilienverwaltung sind hierzu die folgenden Schritte zu berücksichtigen:

I. Prüfung rechtlicher Aspekte

  1. der Gemeinschaftsordnung auf Erhaltungspflichten, Kostenverteilung, Untergemeinschaften
  2. der Kostenverteilung bei Maßnahmen zur erstmaligen plangerechten Herstellung
  3. des Verwaltervertrages hinsichtlich Erweiterungen/Ein-schränkungen bei Ausschreibungen/Auftragsvergaben
  4. bestehender Beschlüsse

II. Prüfung technischer Aspekte

  1. Bestandsaufnahme zur Ermittlung des Erhaltungsbedarfs
  2. interne/externe Kostenbewertung
  3. Berücksichtigung gesetzlicher Vorschriften, inklusive energetischer Modernisierungen
  4. Prüfung der zeitlichen Realisierungsabfolge, kurz-, mittel-, langfristig

III. Finanzielle Aspekte

  1. Ermittlung des gesamten Finanzbedarfs unter Berücksichtigung möglicher Fördermittel
  2. Erstellung eines Finanzplans zur kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmenrealisierung, unter Berücksichtigung des einsetzbaren Erhaltungsrücklagebe-trags, des verbleibenden Finanzierungsbedarfs und eines angemessenen Reservebestandes (sog. Sockelbetrag)

IV. Entscheidung zur Finanzierung der Maßnahmen

  1. Festlegung der zu verwendenden Erhaltungsrücklage
  2. Festlegung weiterer Finanzierungsmittel wie Sonderumlage/Darlehen

V. Umsetzung der Erhaltungsmaßnahmen

1. Beschlussfassungen zum Gesamtkonzept, der Gesamtfinanzierung und den Auftragsvergaben

Fazit

Bei der Umsetzung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung erweist sich auch die Finanzierungsregelung als herausfordernde Aufgabe für Verwaltungen.

Egle, Walburga

Immobilien Walburga Egle, Kall