02.11.2021 Ausgabe: 7/21

Die Erhaltungsrücklage - Die Beschlussfassung zur Bildung verschiedener Rücklagen nach neuem Recht

Nach altem Recht war die Möglichkeit zur Bildung „weiterer“ Rücklagen für Eigentümergemeinschaften, also solcher, die über die in den §§ 21 Abs. 5 Nr. 4, 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Wohnungseigentumsgesetz alte Fassung (WEG a. F.) hinaus zwingend vorgesehen waren und begrifflich etwas missglückt „Instandhaltungsrückstellung“ hießen, nie gesichert (Dötsch, ZWE 2018, 61ff.). Seit 1. Dezember 2020 ist die Rechtslage geklärt: § 28 Abs. 1 S. 1 WEG regelt nunmehr eine Beschlusskompetenz zur Festlegung der „Vorschüsse“ zu der in § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG in Nachfolge der bisherigen „Instandhaltungsrückstellung“ vorgesehenen Erhaltungsrücklage, aber eben auch zu weiteren „durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen.“ Die Gesetzgebungsmaterialien betonen, diese Bezugnahme solle klarstellen, dass über weitere Rücklagen – neben der gesetzlich zwingend vorgesehenen Erhaltungsrücklage – beschlossen werden kann. Die dafür wiederum notwendige Beschlusskompetenz soll sich aus der Regelung in § 19 Abs. 1 WEG ergeben (BT-Drs. 19/18791, 76). Hierbei handelt es sich um eine Generalklausel für Verwaltungsregelungen mit recht weiten Beschlusskompetenzen, die in § 19 Abs. 2 WEG nicht abschließend mit Regelbeispielen erläutert wird. Verwaltungen werden so neue Handlungsoptionen rechtssicher an die Hand gegeben. Modernisierungsrücklagen, insbesondere auch für mehrjährige Bauvorhaben, die in der Jahresabrechnung sonst oft Probleme machen, Kautionsrücklagen usw. werden möglich (Beispiele bei Dötsch, a. a. O.). So weit, so gut. Wie aber sollen entsprechende Beschlüsse aussehen, und welche Folgen hat das für Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung und Vermögensbericht?

Einrichtungsbeschluss und „Rücklagenbetankung“
Die erstmalige Einrichtung einer sonstigen Rücklage bedarf einer entsprechenden Beschlussfassung, wobei – wie auch sonst – ein einfacher Mehrheitsbeschluss ausreicht. Da das Anlegen von Rücklagen – die Thematik ist von der Erhaltungsrücklage bekannt – im Regelfall nur sinnvoll sein wird, wenn damit ein bestimmter Zweck verfolgt und insofern zweckgebundenes Vermögen „angesammelt“ wird, sollte die Beschlussfassung diesen Zweck im Zuge der sog. objektiven Auslegung aus dem Beschlussinhalt ersichtlich klar und bestimmt (!) angeben. Beispiel: „Es wird zum 1.1.20XX eine XYZ-Rücklage angelegt, mit dem Zweck, Mittel für den Erwerb einer Hausmeisterwohnung im näheren Umfeld der WEG-Anlage anzusparen.“

Wichtig ist zudem, dass bei der erstmaligen Anlage klar wird, dass und wie diese Rücklage „betankt“ werden soll. Das kann – sofern unter Beachtung der Grundsätze der sog. „eisernen Reserve“ zulässig (dazu zuletzt Landgericht (LG) Köln, Urteil vom 18.6.2020, Az. 29 S 212/19, ZWE 2020, 478) – durch eine gleichzeitige oder getrennte Beschlussfassung über eine „Teilauflösung“ der vorhandenen und nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel durch die Eigentümer befüllten Erhaltungsrücklage jedenfalls dann geschehen, wenn auch der neue „Rücklagenzweck“ eine Maßnahme betrifft, die mit dem identischen allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel finanziert werden muss. Häufiger wird hingegen nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEG eine entsprechende Vorschusszahlung beschlossen. Man wird hier oft sogar „helfen“ können und in die Beschlussfassung lediglich über solche Vorschüsse zu einer (neuen) Rücklage mit einem durch objektive Auslegung erkennbaren Zweck eine stillschweigende Beschlussfassung zugleich auch über die erstmalige Anlage der Rücklage hineinlesen können. Sachgerechter ist aber eine klare und transparente Beschlussfassung über (1) Einrichtung, Zweckbindung, Zugriffsregelung einerseits und (2) „Betankung“ andererseits (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kap. 10 Rn. 52). Die Vorschüsse können laufende Vorschüsse sein (etwa mit dem Ziel der langjährigen Mittelansparung), aber natürlich kann auch ein einmaliger Vorschuss beschlossen werden. Erfolgt das erst unterjährig, ist dies eine klassische sog. Sonderumlage (dazu Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kap. 10 Rn. 82ff.).

Sonstige Rücklagen in der Wirtschaftsplanung
Die eine Beschlussfassung nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEG vorbereitende Wirtschaftsplanung nach § 28 Abs. 1 S. 2 WEG muss in Sachen „sonstige Rücklagen“ zunächst den Gesamtbetrag der geplanten Zuführung als Bestandteil des sog. Gesamtwirtschaftsplans enthalten (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kap. 10 Rn. 23) und in den Einzelwirtschaftsplänen die „Vorschüsse“ zu den verschiedenen Rücklagen jeweils ausweisen (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kap. 10 Rn. 47ff.). Dabei ist der jeweils „richtige“ Kostenverteilungsschlüssel zu verwenden, was von der Zweckbindung der Rücklage abhängen kann: Wird etwa Vermögen zu einem Zweck angesammelt, der nach einem speziellen vereinbarten oder beschlossenen Kostenverteilungsschlüssel zu finanzieren ist, muss auch das „Betanken“ der Rücklage schon diesem Schlüssel folgen, weil nur dann die Maßnahme später beanstandungsfrei aus dieser Rücklage finanziert werden kann. Fehler im Rechenwerk werden sich „ergebniskausal“ auf die auf dessen Basis erfolgende Beschlussfassung nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEG auswirken und sie regelmäßig anfechtbar machen. 

Sonstige Rücklagen in der Jahresabrechnung
Während im alten Recht die damals noch mögliche Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan nach § 28 Abs. 5 WEG a. F. wegen § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WEG a. F. die „Beitragsleistung“ für die Rücklage eigentlich bereits endgültig festlegte und dunkel war, ob man im Zuge der Jahresabrechnung die Rücklagenzufuhr „eindampfen“ konnte, um etwa zu hohe Abrechnungsspitzen zu vermeiden, ist das im neuen Recht einfacher geworden: Nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEG werden nur noch „Vorschüsse“ beschlossen, und man kann nach Vorlage der Jahresabrechnung (§ 28 Abs. 2 S. 2 WEG) in der Beschlussfassung nach § 28 Abs. 2 S. 1 WEG diese Vorschüsse (nach unten) „anpassen“, um gleichzeitig die Vorschüsse zur laufenden Bewirtschaftung zu erhöhen und/oder Nachforderungen zu beschließen, und das unter Beachtung der Kostenverteilungsschlüssel sauber verrechnen (eingehend: Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kap. 10 Rn. 48ff.).
Wichtig ist nur folgende Erkenntnis: Diese gewisse „Flexibilität“ bedeutet aber auch weiterhin nicht (!), dass die Verwaltung bei unterjährigen Liquiditätsproblemen der Gemeinschaft ohne vorherigen Genehmigungsbeschluss einfach auf die bei der Gemeinschaft eingegangenen zweckgebundenen Mittel zugreifen kann. Dieses Problem ist von der alten Instandhaltungsrückstellung bekannt (wenn auch oft missachtet), stellt sich aber auch hier wieder. Es wird nur dadurch entschärft, dass solche (nicht genehmigten) „Zwischenfinanzierungen“ früher bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung zur Anfechtung führen konnten bzw. nicht praktikable Genehmigungsbeschlüsse erforderten (lehrreich: Först, ZWE 2018, 302 mit Beispielen). Das hatte seinen Hintergrund darin, dass bislang die Darstellung von Stand und Entwicklung der Instandhaltungsrückstellung zwingender Bestandteil der zu beschließenden Jahresabrechnung war; das wäre auch für weitere Rücklagen nicht anders gewesen. Das neue Recht hat das entschärft: Das die inhaltlich beschränkte (kupierte) Beschlussfassung nach § 28 Abs. 2 S. 1 WEG heute nur noch vorbereitende Rechenwerk der Jahresabrechnung hat diese Thematik nicht mehr zum zwingenden Bestandteil und ist von diesem „Ballast“ befreit (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kap. 10 Rn. 9f., 51, 142; siehe aber unten zum Vermögensbericht). Dennoch bleibt der Zugriff auf die eingegangenen zweckgebundenen Mittel eine Pflichtverletzung der Verwaltung und kann die fristlose Kündigung des Verwaltervertrages (§ 626 BGB) provozieren: Daher empfiehlt sich – wie im alten Recht – ggf. ein sog. Vorratsbeschluss, der der Verwaltung in klaren Grenzen den Zugriff gestattet. In Anlehnung an die oben zitierte Entscheidung des LG Köln könnte so etwa geregelt werden, dass die Verwaltung ermächtigt wird, die laufenden Vorschüsse zur XYZ-Rücklage aus dem Kalenderjahr – also nicht deren Bestand zum jeweils 1. Januar des Kalenderjahres – unterjährig zur allgemeinen Liquiditätsstärkung im Zuge der Zwischenfinanzierung ­einzusetzen.

Zu diesen Problemen überhaupt erst führende Liquiditätsschwankungen kennt wohl auch jede Verwaltung. Die übliche ratierliche Hausgeldzahlung kann – selbst wenn sie aufs Jahr gesehen durchaus auskömmlich ist – jedenfalls punktuelle „Kostenbelastungsspitzen“ nicht immer abfangen. Daher wird schon lange die Bildung einer „Liquiditätsrücklage“ als Allheilmittel gepriesen, die mit den dargestellten Neuregelungen (natürlich) heute auch beschlossen werden kann. So kann ein „Vermögenstopf“ zur Zwischenfinanzierung von Unterdeckungen geschaffen werden. Eine solche Rücklage wird typischerweise in der Wirtschaftsplanung nicht dauerhaft und laufend mit Vorschüssen gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 WEG zu „betanken“ sein, sondern stattdessen oft eher durch Umwidmung eines Teils der bisherigen Instandhaltungsrückstellung oder eine einmalige (Sonder-)Umlage zu diesem Zweck. Da es nur um „Zwischen-“(!)Finanzierungen geht, muss die Verwaltung die Rücklage mit den später eingehenden Vorschüssen natürlich immer wieder „rückbefüllen“ (allg. Staudinger/Häublein WEG § 28 Rn. 83 zu vorübergehenden Entnahmen) und das entsprechend auch buchhalterisch erfassen. Daher mag letztlich eher fraglich sein, ob mit einer eigenen getrennten Liquiditätsrücklage wirklich viel gewonnen ist, oder ob man das nicht mit sog. „freien Mitteln“ einfacher haben kann. Dies hier zu vertiefen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen (dazu Dötsch, ZWE 2018, 61, 66f.).

Sonstige Rücklagen im ­Vermögensbericht
Der nach § 28 Abs. 4 WEG zu erstellende Vermögensbericht (dazu mit Muster: Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG Recht 2021, Kap. 10 Rn. 132ff.) muss zum 31. Dezember (nur) über den jeweiligen tatsächlichen „Stand“ der Rücklage berichten, nicht mehr und nicht weniger. Geliefert wird also nur die Information über den tatsächlichen Vermögensstand auf dem Buchungskonto (nicht zwingend eigenes Bankkonto, dazu gerade wieder Bundesgerichtshof v. 16.7.2021, Az. V ZR 163/20, BeckRS 2021, 21810 zur Erhaltungsrücklage). Rückstände auf „Vorschüsse“ sind ebenfalls anzugeben, aber wohl nicht zwingend aufzuteilen in Rückstände auf laufende Bewirtschaftungskosten und solche auf die einzelnen Rücklagen.

Fotos: © VDIV Hessen; lovelyday12 / Shutterstock.com


Dötsch, Wolfgang

Der Richter am Oberlandesgericht Köln ist seit einigen Jahren als Autor und Referent
im Miet- und Wohnungseigentumsrecht tätig.