09.03.2021 Ausgabe: 1/21

Die Fälligkeitstheorie - Zu den Rechten und Pflichten aus Abrechnungsspitzen bei unterjährigem ­Eigentümerwechsel. Kurz: Wer kassiert, wer zahlt nach?

Wird eine Wohnung während eines laufenden Wirtschaftsjahres veräußert, stellt sich die Frage, ab wann der Erwerber gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Zahlung der Vorschüsse gemäß § 28 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) schuldet und wer Berechtigter bzw. Verpflichteter aus einer positiven bzw. negativen Abrechnungsspitze im Sinne von § 28 Abs. 2 WEG ist, die nach Ablauf des Wirtschaftsjahres in einer Eigentümerversammlung durch Beschluss begründet wird. Die zum „alten“ Recht vorliegende Rechtsprechung hat dies klar und eindeutig geregelt. Bei einer Veräußerung der Wohnung ist mit Ausnahme des Erst­erwerbs vom Bauträger/Aufteiler der Zeitpunkt der Eintragung der Auflassung maßgebend, also die Eigentums­umschreibung im Grundbuch. Der Erwerber haftet für rückständige Vorschüsse im Sinne von § 28 Abs. 1 WEG und für Nachschüsse im Sinne von § 28 Abs. 2 WEG nur insoweit, als diese nach seinem Eintrag als Eigentümer im Grundbuch fällig geworden sind, selbst wenn sie bereits vor dem Erwerb entstanden sind (BGH NJW 2018, 2044; BGH NJW 1996, 725; OLG Köln NZM 2002, 351). Dies gilt bei jeder Erwerbsart, wobei zu beachten ist, dass in bestimmten Fällen auch ein Eigentumserwerb außerhalb des Grundbuchs in Betracht kommt (z. B. Zuschlag in der Zwangsversteigerung, Erbfall). Der Veräußerer hingegen haftet auch nach seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Vorschüsse im Sinne von § 28 Abs. 1 WEG, die während des Zeitraums, als er noch als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen war, fällig geworden, von ihm aber nicht vollständig erbracht worden sind, selbst wenn die Nachschüsse für das betroffene Wirtschaftsjahr im Sinne von § 28 Abs. 2 WEG erst nach seinem Ausscheiden beschlossen werden (BGH NJW 1996, 725). Der Erwerber haftet auch dann nicht für rückständige Vorschüsse des Veräußerers, selbst wenn er den Beschluss über die Festlegung der Nachschüsse, die fälschlicherweise auch die rückständigen Vorschüsse des Veräußerers enthalten, nicht anficht; die Haftung des Veräußerers für rückständige Vorschüsse entfällt durch deren (rechtswidrige) Aufnahme in die Nachschüsse nicht (vgl. BGH NZM 1999, 1101; BGHZ 131, 228).

Zur Beschlusskompetenz
Sollten die Eigentümer beschließen, das ein Erwerber auch für Vorschüsse haftet, die vor der Eigentumsumschreibung zur Zahlung fällig geworden sind, wäre solch ein Beschluss nichtig (BGH NJW 1988, 1910; BGH NJW 2000, 3500; OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 812); die Eigentümerversammlung hat nicht die Beschlusskompetenz, eine Erwerberhaftung durch Beschluss zu begründen, nicht einmal für einen konkreten Einzelfall (Nachschüsse für ein konkretes Wirtschaftsjahr), weil es sich insoweit um einen Beschluss zulasten Dritter handelt. Eine Erwerberhaftung für Zahlungsrückstände des Veräußerers kann nur durch Gemeinschaftsordnung (ein Eigentümerbeschluss wäre nichtig!) rechtswirksam begründet werden (BGH NJW 1994, 2950); dies gilt jedoch nicht für den Fall des Erwerbs in der Zwangsversteigerung (BGHZ 99, 358). Gemäß § 48 Abs. 3 WEG sind solche Rechtsnachfolgeklauseln bis zum 31. Dezember 2025 in die Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher einzutragen.

Entsprechendes gilt für ein Guthaben, d. h. für „die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse“ im Sinne von § 28 Abs. 2 WEG. Stellt sich nach Ablauf des Wirtschaftsjahres heraus, dass die Vorschüsse im Sinne von § 28 Abs. 1 WEG zu hoch waren, da geringere Kosten angefallen sind als im Wirtschaftsplan kalkuliert und prognostiziert, steht das Guthaben dem Erwerber zu, sofern er zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, denn erst mit der Beschlussfassung entsteht der Anspruch auf das Guthaben.

Beispiele zur Verdeutlichung
Für eine Wohnung waren im Wirtschaftsjahr 2019 monatliche Vorschüsse in Höhe von 100 Euro zu leisten, jeweils fällig am 3. jedes Monats. Der Eigentümer veräußert diese Wohnung am 10. August 2019. Die Umschreibung im Grundbuch erfolgt am 20. September 2019. Für September 2019 wird der Vorschuss nicht bezahlt. Nach Ablauf des Wirtschaftsjahres 2019 wird für die Wohnung die Einzelabrechnung erstellt, mit anteiligen Kosten in Höhe von 1.500 Euro. Davon abgezogen werden die im Wirtschaftsjahr 2019 geleisteten Vorschüsse von 1.100 Euro, sodass sich für die Wohnung ein Fehlbetrag in Höhe von 400 Euro ergibt, über den im Jahr 2020 beschlossen wird. Von wem kann die Eigentümergemeinschaft diesen Fehlbetrag nun verlangen? Den Nachschuss von 300 Euro (anteilige Kosten von 1.500 Euro abzüglich Soll-Vorschüsse in Höhe von 1.200 Euro = Abrechnungsspitze) schuldet der Erwerber, da er zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Nachschüsse bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Den rückständigen Vorschuss in Höhe von 100 Euro für September schuldet hingegen nach wie vor der Veräußerer, da er zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Forderung (3. September 2019) nach Grundbuch noch Eigentümer war.

In einem zweiten Beispiel gilt zunächst der gleiche Sachverhalt, allerdings mit anteiligen Kosten von nur 900 Euro für die Wohnung. So bestünde eigentlich ein Guthaben von 300 Euro (Anpassung der Vorschüsse von 1.200 Euro auf den tatsächlichen Anteil von 900 Euro), über das im Jahr 2020 beschlossen wird. Da gemäß §  28 Abs.  2 WEG über „die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse“ beschlossen wird, erlischt der Anspruch auf den rückständigen Vorschuss von 100 Euro für September, und die Abrechnungsspitze von 300 Euro wird auf 200 Euro angepasst. Obwohl die (im Nachhinein zu hohen) Vorschüsse vom Veräußerer geleistet worden sind, hat die Eigentümergemeinschaft das Guthaben von 200 Euro an den Erwerber zu zahlen, da dieser zum Zeitpunkt der Beschlussfassung als Eigentümer im Grundbuch stand. Das seit 1. Dezember 2020 geltende WEG führt hier zu einer Klarstellung und zu Rechtssicherheit, denn nach bisheriger Rechtslage war umstritten, ob der Veräußerer den rückständigen Vorschuss von 100 Euro zu zahlen hat, während der Erwerber 300 Euro ausgezahlt bekäme.

Zu Vereinbarungen im Kaufvertrag
Im Verhältnis zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist es unerheblich, was Veräußerer und Erwerber insoweit im Kaufvertrag vereinbaren. Ist darin – wie häufig – vereinbart, dass Besitz, Nutzen und Lasten mit vollständiger Kaufpreiszahlung auf den Erwerber übergehen, hat dies keine Auswirkungen auf das Außenverhältnis, d. h. auf das Verhältnis zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Für sie ist ausschließlich das Datum der Eigentumsumschreibung im Grundbuch maßgeblich. Hiervon abweichende Regelungen im Kaufvertrag gelten ausschließlich für das Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber.

Demzufolge obliegt es auch ausschließlich den Vertragsparteien, im Kaufvertrag etwaige Stichtagsregelungen zu treffen. Möchte der Veräußerer sicherstellen, dass ihm ein etwaiges Guthaben aus dem abgelaufenen Wirtschaftsjahr zusteht, muss er mit dem Erwerber eine entsprechende Regelung im Kaufvertrag vereinbaren. Gleiches gilt für den Erwerber, wenn er eine Haftung für die gesamte Abrechnungsspitze vermeiden möchte.

Durch das seit dem 1. Dezember 2020 geltende Wohnungseigentumsgesetz ändert sich an der dargestellten Rechtslage mit Ausnahme beim Beispiel 2 nichts. Es gilt unverändert die Fälligkeitstheorie. Für anteilige Beiträge haftet gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stets derjenige, der zum Zeitpunkt der Fälligkeit im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Eine Ausnahme hiervon besteht nur im Falle des Erwerbs vom Bauträger/Aufteiler; in diesem Ausnahmefall haftet der Ersterwerber gemäß § 8 Abs. 3 WEG bereits dann für die an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu leistenden Beiträge, sobald ein Erwerbsvertrag vorliegt, zugunsten des Erwerbers eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist und dem Erwerber der Besitz an der von ihm erworbenen Wohnung übergeben worden ist; aber auch dies ist nichts Neues.

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Rüscher, Burkhard

Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und WEGRecht ist in der Münchner Kanzlei SNP Schlawien Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer tätig.
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