22.01.2020 Ausgabe: 8/19

Die Kennzahlen kennen - Nur wer wirklich weiß, wofür Arbeitszeit aufgewendet wird, kann Prozesse effizienter ­gestalten, ist als Arbeitgeber attraktiv und bleibt wettbewerbsfähig.

Die Trägheit der Masse ist eines der Grundgesetze der Physik – und zutiefst menschlich. Veränderungen sind meist mit einem hohen Aufwand an Zeit und Kosten verbunden, anstrengend, anspruchsvoll und kompliziert, meist stellen sie Experimente mit einem ungewissen Ausgang dar – verlockend nur für diejenigen, deren aktuelle Situation bereits so belastend ist, dass sie kaum schlechter werden kann. Zum Glück muss niemand etwas ändern, denn:

  • das haben wir noch nie so gemacht.
  • das haben wir schon immer so gemacht.
  • da könnte ja jeder kommen.

Gerade die Branche der Immobilienverwalter war bei der Digitalisierung doch ganz vorne mit dabei! Wo sonst wurden Arbeitsplätze schneller von der Schreibmaschine auf Computer umgestellt? Niemand kann es sich mehr vorstellen, Buchhaltung und Abrechnung ohne spezialisierte Branchensoftware zu erledigen. Die gesamte schriftliche Korrespondenz findet schon längst digital per E-Mail statt, und das Smartphone ist ein selbstverständliches Arbeitsmittel. Bei den meisten Immobilienverwaltungen werden immer mehr Unterlagen digitalisiert, und die Papierstapel und Ordner verschwinden zusehends von den Schreibtischen. Ist die Digitalisierung damit nicht schon weitestgehend abgeschlossen?

Nein, es fängt jetzt erst richtig an!
Die Digitalisierung der Daten und die weitgehende Automatisierung ständig wiederkehrender Basis-Arbeitsprozesse wie der Buchhaltung und der Abrechnungserstellung sind nur Ausgangspunkte für die weiterführende Digitalisierung. In der Immobilienverwaltung 2.0 stehen schon längst die komplexen Arbeitsprozesse im Fokus, die inzwischen den größten (Zeit-) Anteil der Tätigkeit eines Immobilienverwalters ausmachen. Dabei werden Faktoren entscheidend, die für die Qualität der Arbeit zwar möglicherweise nicht wirklich wichtig sind, aber zunehmend von Kunden erwartet, wenn nicht gar gefordert werden.

Dazu ein kurzer Blick auf andere Branchen: Ist es wirklich wichtig, dass eine im Internet bestellte Ware schon innerhalb von ein bis zwei Tagen an den Besteller ausgeliefert wird? Warum werden die Kunden fortschrittlich digitalisierter Unternehmen von diesen mit Informationen (meist per E-Mail) überschüttet? Ist es andererseits vorstellbar, dass ein Mitbewerber, der auf diesen Märkten tätig ist, ohne diese Leistungen überleben kann? Kaum. Es kommt nicht darauf an, was der Kunde wirklich braucht, – es kommt darauf an, was der Kunde erwartet. Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.

Wir müssen effizienter werden.
Unternehmen, die nicht nur ihre Daten, sondern auch ihre Arbeitsprozesse weitgehend digitalisiert haben, können ihren Kunden solche (unnötigen?) Zusatzleistungen anbieten – und zwar ohne erheblichen Arbeits- und damit Kostenaufwand. Damit sind wir beim Wichtigsten, dem Geld. Es ist nicht einfach, es mit der Verwaltung von Immobilien zu verdienen, da diese Tätigkeit immer (noch?) sehr personalintensiv ist. Um überhaupt Geld zu verdienen, muss man sich und seine Mitarbeiter bestens organisieren. Um die Erträge zu steigern oder – was bei der Immobilienverwaltung genauso wichtig ist – um zusätzliche Aufgaben und Anforderungen, sei es weil es der Gesetzgeber so will oder weil Erwartungen der Kunden stetig steigen, für das gleiche Entgelt erfüllen zu können, muss man die Effizienz der Mitarbeiter erhöhen.

Es wird nichts nützen, im Unternehmen „die Peitsche zu schwingen“. Denn wir stehen ja gerade auch vor einem weiteren schier unlösbaren Problem, dem Mangel an qualifiziertem Fachpersonal. Um gute Mitarbeiter halten oder gar gewinnen zu können, müssen Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv sein. Der kostenfreie Bürokaffee reicht dafür schon lange nicht mehr aus. Die Mitarbeiter der Zukunft wollen zwar als Angestellte, vor allem aber smart und selbstständig und erst recht mit dem Smartphone und am PC, nicht mit Ordnern und Papier arbeiten. Sie wollen Wertschätzung von den Vorgesetzten und den Kunden erfahren. Das ist mit veralteten Arbeitsmitteln und -strukturen nicht möglich.

Wo kann man denn noch sparen?
Das Einsparpotenzial durch digitalisierte Arbeitsprozesse mag gering erscheinen. Das täuscht aber. Wenn Mitarbeiter jeden Tag durch die Vereinfachung der Arbeitsprozesse mal hier, mal da, mal dort jeweils fünf Minuten Arbeitszeit, also insgesamt 15 Minuten pro Tag einsparen können, summiert sich das bei circa 215 Arbeitstagen pro Jahr auf insgesamt 54 Stunden Arbeitszeit – eingespart, pro Mitarbeiter. Das Einsparpotenzial durch vielfältige Digitalisierung in den verschiedensten Arbeitsprozessen ist beträchtlich höher. Es liegt in Summe eher bei ein bis zwei Stunden pro Tag. Wissen Sie, wie viel Ihre Mitarbeiter pro gearbeiteter Stunde inklusive Lohnnebenkosten, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kosten?

Was sagen die Kennzahlen?
Auch wenn Sie die Daten, die Sie in ihren Arbeitsprozessen verarbeiten müssen, inzwischen zum größten Teil digitalisiert haben: Was ist mit den Kennzahlen des eigenen Unternehmens? Sind sie Ihnen bekannt? Der Wettbewerb wird durch die Digitalisierung immer härter, die Margen damit immer kleiner. Wissen Sie, mit welchen Kunden Sie Geld verdienen und bei welchen Sie mehr Aufwand als Kosten haben? Die meisten Immobilienverwalter können recht gut einschätzen, welche Verwaltungen Gewinnbringer sind, und welche nicht. Die meisten schätzen den Gewinn und die Verluste aber von der Höhe her völlig falsch ein. Die wahren Gewinnbringer sind meist eher „unscheinbare“ Verwaltungsmandate, die evtl. bereits zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, und die „schlechten“ Liegenschaften sind nicht – wie Verwalter meist glauben – „mittelprächtige Kostenbeitragsbringer“, sondern verursachen oft hohe Verluste.
Wer die eigenen Kosten und den eigenen Aufwand pro Kunde nicht ermitteln kann, hat schon verloren. Mitbewerber hingegen, die das im Griff haben, werden „gute“ Kunden für weniger Geld bedienen, als es Ihnen möglich ist, und für Sie werden die Nervensägen und Verlustbringer übrig bleiben. Und bei wem werden gute und qualifizierte Mitarbeiter wohl lieber ­arbeiten?

Zeit, gegenzusteuern!
Zukunftsfähig sind nur Unternehmen, die

  1. ihre eigene Kostenstruktur kennen und ihren tatsächlichen Aufwand für jeden Kunden ermitteln können.
  2. ihre Gesamtkosten trotz höherer Gehälter durch Effizienzsteigerungen der Arbeitsabläufe reduzieren können.
  3. für Mitarbeiter durch moderne Gehalts- und Arbeitszeitmodelle sowie moderne Arbeitsbedingungen attraktiv sind.

Dazu benötigt man die folgenden beiden Instrumente und Arbeitshilfen: Zum einen ein System zur Erfassung des zeitlichen Arbeitsaufwands, den jedes Verwaltungsobjekt verursacht, und für den Arbeitsaufwand, der sich nicht einzelnen Verwaltungsobjekten direkt zuordnen lässt, der aber von allen anteilig mitgetragen werden muss, z. B. Fortbildung, Geschäftsführertätigkeit, Firmenorganisation etc., idealerweise mit Unterscheidung der verschiedenen Gehaltsklassen der jeweiligen Funktionsträger. Zum anderen braucht man digitale Arbeitsmittel, auch und insbesondere für alle Tätigkeiten, die außerhalb des Büros, typischerweise in den Verwaltungsobjekten vor Ort oder für Eigentümerversammlungen anfallen.

Es ist nicht mehr zeitgemäß, für Mitarbeiter „nervig“ und eine Verschwendung von Arbeitszeit, wenn für Tätigkeiten außerhalb des Büros noch zusätzlicher Aufwand für Datenerfassung, Kommunikation, Erstellung von Berichten oder Protokollen anfällt. Mithilfe geeigneter Software zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung von Eigentümerversammlungen sowie entsprechender Apps für Tätigkeiten vor Ort kann der Arbeitsaufwand deutlich verringert werden. Darüber hinaus beschleunigt die automatisierte Erstellung von Begehungsberichten in Verbindung mit dem automatischen sofortigen Versand dieser Berichte ins Büro und an Zuständige wie Hausmeister solche Vorgänge wesentlich.

Wer arbeitet heutzutage vor Ort noch mit Notizzetteln? Wer will Fotos, die vor Ort gemacht werden, umständlich manuell vom Smartphone ins Firmennetzwerk überspielen, ihr Datenvolumen manuell verkleinern und sie dann an die zuständigen Sachbearbeiter weiterleiten? Können oder wollen Sie es sich noch leisten, für wiederkehrende Kontrollaufgaben eigene Listen zu führen, um zu prüfen, ob sie von den beauftragten Personen, z. B. Hausmeister oder Aufzugwärter, auch abgearbeitet wurden, und sich dann noch selbst um die Dokumentation und die Hinterlegung der Daten zu kümmern?

Mit Hilfe entsprechender Apps geht das vollautomatisch. Und zum Termin vor Ort muss man nichts weiter bei sich haben als das Smartphone, das ohnehin immer dabei ist. Inzwischen gibt es für solche Zwecke verschiedene ausgereifte und preiswerte Produkte. Natürlich kann man immer auch noch abwarten, bis endlich die „eierlegende Wollmilchsau“ auf den Markt kommt. Die ist idealerweise kostenlos und verfügt über eine Schnittstelle zur eigenen Verwaltersoftware. Praktischerweise tritt dieser Zeitpunkt nie ein, sodass man noch lange nichts ändern werden muss – und auch dafür gibt es ja genug Argumente, siehe oben. Aber: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben – denken Sie an Ihre Kunden und die Mitbewerber.


Foto: © Brian A Jackson / Shutterstock.com


Bohne, Bernhard

Bernhard Bohne ist Geschäftsführer der BIG Hausverwaltung aus Herrsching und Mitglied des Beirats des VDIV Bayern.