27.05.2022 Ausgabe: 4/22

Die Novelle und ihre Folgen - Zum Umgang mit Walk-by- und Drive-by-Bestandsanlagen bei der unterjährigen Verbrauchsinformation nach Heizkostenverordnung

Walk-by, Drive-by und unterjährige Verbrauchsinfor­mation (uVI) sind inzwischen fast schon alte Bekannte, und doch gibt es einiges zu bedenken. Die seit Februar (für den Monat Januar) 2022 geltende Pflicht zur monat­lichen Verbrauchsinformation gemäß § 6a Heizkostenverordnung (HeizkV) für Wohnungen, die über fernablesbare Messgeräte verfügen, bringt einigen Aufwand mit sich.

Vorhandene Messgeräte, die nicht fernablesbar sind, müssen bis Ende 2026 mit der Funktion der Fernablesbarkeit nachgerüstet oder durch fernablesbare Geräte ersetzt werden. Eine Ausnahme gilt gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 HeizkV, wenn dies im Einzelfall wegen besonderer Umstände tech­nisch nicht möglich ist oder durch unangemessen hohen Aufwand oder in sonstiger Weise zu unbilliger Härte führen würde.

Neue fernablesbare Messgeräte, die ab Dezember 2022 installiert werden, müssen darüber hinaus gemäß §§ 5 Abs. 2 S. 3, Abs. 5 S. 1 HeizkV an ein Smart-Meter-Gateway angebunden werden können und interoperabel sein.

Laut der wenig präzisen Begrün­dung des Verordnungsgebers erfüllen auch die sogenannten Walk-by- und Drive-by-Technologien diese Voraussetzungen unein­geschränkt, womit der deutsche Verordnungsgeber von seinem von der Energieeffizienz-Richtli­nie (EED) eingeräumten Gestal­tungsspielraum Gebrauch gemacht hat. Gemeint ist damit die Mess­technik, die außerhalb einer Woh­nung im Gebäude installiert ist, wodurch das Betreten der einzel­nen Wohnungen für das Ablesen der individuellen Messwerte nicht mehr notwendig ist.

Zwischen Neu- und Bestandsan­lagen wurde dabei jedoch nicht unterschieden, sodass mit Blick auf bestehende Walk-by- und Drive-by-Anlagen Unsicherheit herrscht, für welche Geräte der­zeit im Einzelfall Ausnahmen von der Verpflichtung zur monat­lichen Bereitstellung der uVI gelten.


Wirtschaftlichkeitskontrolle
Bei den in den letzten Jahren in Deutschland mehrheitlich ver­bauten Walk-by- und Drive-by-Geräten in Treppenfluren und Kellerräumen von Gebäu­den müssten Messdienstleister zur Erfüllung der uVI nunmehr eine monatliche Anfahrt zur Ver­brauchserfassung in Kauf neh­men – verbunden mit erheblichem Arbeitsaufwand und Kosten, zudem wohl kaum im Sinne der klimapolitischen Ziele des Verord­nungsgebers.

Hinzu kommt, dass die ver­breiteten Walk-by- und Drive-by-Systeme in der Regel so programmiert sind, dass sie nur einmal im Jahr und dann nur für einen Zeitraum von etwa sechs Wochen ab dem jeweiligen Abrechnungsstichtag per Funk erreichbar sind. Die Mehrzahl der Messdienstleistungsunternehmen steht daher auf dem Standpunkt, die wirtschaftliche Vertretbarkeit zur Erfüllung der uVI-Pflicht sei für die bestehenden Anlagen flä­chendeckend nicht gegeben, auch wenn stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist. Für diese Argu­mentation sprechen nachvollzieh­bare Gründe:


Ausnahmeregelung
Gestützt wird diese Sichtweise auf die Ermächtigungsgrundlage für die Heizkostenverordnung in § 6 i. V. m. § 5 des Gebäudeenergie-gesetzes (GEG), wonach etwaige Einschränkungen über die Kosteneffizienzklausel zu prüfen sind. In § 5 GEG heißt es, dass die Anfor­derungen und Pflichten, die in die­sem Gesetz oder in den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechts­verordnungen definiert werden, nach dem Stand der Technik zu erfüllen sowie für Gebäude gleicher Art und Nutzung und für Anlagen oder Einrichtungen wirtschaftlich zu vertreten sein müssen.

Anforderungen und Pflichten gel­ten laut § 5 GEG als wirtschaftlich vertretbar, wenn die erforderlichen Aufwendungen generell inner­halb der üblichen Nutzungsdauer durch die erzielten Einsparun­gen erwirtschaftet werden können. Bei bestehenden Gebäuden, Anlagen und Einrichtungen ist die zu erwartende Nutzungsdauer zu berücksichtigen. Auch die Heiz­kostenverordnung selbst sieht in § 11 Abs. 1 Nr. 1b im Einzelfall bei Unwirtschaftlichkeit eine Aus­nahme von der Verpflichtung vor.


Praxistipp für Verwaltungen
Zumindest in der Übergangs­phase bis 31. Dezember 2026, in der sowieso der gesamte Bestand von Erfassungsgeräten vollständig auf fernablesbare umgestellt wer­den muss, kann die Verpflichtung zur Bereitstellung der uVI für beste­hende Anlagen mangels wirtschaft- licher Vertretbarkeit ausgeschlossen sein, worauf sich die Messdienst­leistungsunternehmen im Einzelfall stützen werden. Der Zeitfaktor bis zum Ablauf der Übergangszeit ist im Rahmen der wirtschaftlichen Ver-tretbarkeitskontrolle selbstverständ­lich im Blick zu behalten.

Das bedeutet, dass für Verwal­tungsunternehmen in der aktuel­len Anfangsphase die uVI-Pflicht im Einzelfall nicht erfüllbar ist, weil dies schon für Messdienstleister mit Blick auf die bestehenden Drive-by- und Walk-by-Geräte wirtschaftlich nicht vertret- und zumutbar ist. Ratsam ist es, zusammen mit den beauftrag­ten Messdienstleistungsunterneh­men Klarheit zu schaffen, damit die Bewohner der betroffenen Gebäude proaktiv informiert werden können. Selbstverständlich bleibt abzuwar­ten, wie nationale und europäische Gerichte die gesetzgeberischen Vor­gaben im Streitfall auslegen werden.

Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland