20.01.2023 Ausgabe: 1/23

Die TKG-Novelle und ihre Folgen

Praktikable Lösungen für eine gesetzeskonforme Internet- und TV-Versorgung sind möglich.

Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TGK) trat am 1. Dezember 2021 in Kraft. Das Jahr 2022 war von der Suche nach pragmatischen Lösungen für die Medienversorgung in der Zeit danach geprägt. Die sind vor allem für Wohnungseigentümergemeinschaften und ihre Verwalter komplex, aber machbar. 

In VDIVAKTUELL wurde bereits verschiedentlich über die Inhalte der TKG-Novelle berichtet, z. B. in den Aus- gaben 7/21 sowie 1 und 4/22. Wesentliche Änderung: Das Sammelinkasso der Kabelgrundgebühren wird zum 30. Juni 2024 für bestehende Koaxialnetze abgeschafft. Außerdem kann jede Partei einen vor dem 1. Dezember 2021 geschlossenen Gestattungsvertrag ab 1. Juli 2024 kündigen. Bestehende Telekommunikations(TK)-Verträge, die die Grundversorgung betreffen, können von Mietern ab 1. Juli 2024 sofort gegenüber Wohnungsunternehmen gekündigt werden, wenn der Dienst über die Betriebskosten abgerechnet wird (§§ 71 Abs. 2 i. V. m. § 56 Abs. 3 TKG). Dieses sogenannte „Opt- Out-Recht“ greift, wenn das Mietverhältnis mindestens 24 Monate besteht. Ist der TK-Dienst Teil der Kaltmiete, können Mieter sofort kündigen (§ 230 Abs. 4TKG). Neue Telekom- munikationsverträge zwischen Mietern und TK-Anbietern dürfen Vertragslaufzeiten von zwölf bzw. 24 Monaten nicht überschreiten (§ 56 Abs. 1 TKG).

Investitionen in neue Glasfasernetze

Politisch gewollt ist die Installation kompletter Glasfasernetze innerhalb von Gebäuden, also Fiber to the Home (FTTH) auf der Netzebene 4 (NE4). Aber: Ein Ausbauzwang besteht nicht. Baurechtlich geboten ist seit Ende 2016 bei Neubauten und grundlegenden Sanierungsmaßnahmen lediglich die Installation geeigneter Leerrohre, in die man Hochgeschwindigkeitskabel einziehen kann. Das läuft fast immer auf Lichtwellenleiter hinaus. Umstritten ist, ob ein mit Data Over Cable Service Interface Specification (DOCSIS) aufgerüstetes Koaxialnetz bzw. ein CAT 7-Netz ebenfalls dazu zählt.

Was passiert, wenn nun Wohnungs- und Gebäudeeigentümer infrastrukturell alles beim Alten belassen, nicht investieren und lediglich die Nutzerverträge auf Einzelinkasso umstellen? Zunächst einmal nichts. Druck kommt dann allerdings von zwei Seiten: Wohnungseigentümer oder Mieter wünschen – angeregt durch Marketing-Kampagnen und Medienberichte – Alternativen zum bestehenden TK-Betreiber. Das ist bei Koaxnetzen technisch nahezu unmöglich. Wenn dann erste Verträge zwischen Drittanbietern und Wohnungseigentümern geschlossen werden, können diese dritten TK-Anbieter den Zugang in die Gebäude erzwingen, um auf eigene Kosten und gegen den Willen des Eigentümers Glasfasern bis in die Wohnung ihrer Kunden zu verlegen. Anders ausgedrückt: Ungebetenen Zutritt kann man dauerhaft nur durch eigene technische Stärke und wettbewerbsfähige attraktive Multimedia-Angebote abwehren, nicht auf juristischem Wege. Wer heute Ver- träge mit TK-Anbietern schließt, die den FTTH-Ausbau aus schließen, wächst automatisch in dieses Risiko hinein.

Wie installieren Eigentümergemeinschaften Glasfasernetze als FTTH?

Wenn das Investment durch einen Externen gesche- hen soll, käme das Glasfaserbereitstellungsentgelt infrage. Über maximal neun Jahre können die Voll- kosten für diese Netze in Höhe von bis zu 60 Euro pro Wohneinheit und Jahr, insgesamt also höchstens 540 Euro pro Wohneinheit, umgelegt werden. Das Entgelt müssten dann sowohl alle Selbstnutzer über das Hausgeld als auch alle Mieter per Betriebskostenumlage zahlen – unabhängig von der tatsächlichen Nut- zung der TK-Inhalte des Investors. Dazu ist wohl nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ein Mehrheitsbeschluss mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen notwendig, die die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren. Nur so gelingt eine Kostenübernahmeverpflichtung für alle.

Die auf die Erstinstallation von NE4-Netzen mit Glas- faser erweiterte Modernisierungsumlage ist für Eigentümergemeinschaften ungeeignet, weil sie nur für Mietverhältnisse gilt. Bleibt nur das Eigeninvestment der Gemeinschaft, z. B. mit Unterstützung spezieller KfW-Förderprogramme. Oder ein Kabelnetzbetreiber organisiert den Glasfaserausbau komplett selbst und macht die geforderte Offenheit der Netze zum eigenen Geschäftsmodell als Plattformbetreiber. Das geht im Moment nur mit Newcomern. Die großen etablierten Kabelnetzbetreiber blocken hier ab oder erfüllen lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen.

Einen Sonderfall stellt die Kombination von optischem Sat-Empfang mit einem externen Internet-Provider dar. Über mehrere Orbitalpositionen können tausende, auch fremdsprachige Sender quasi zum Nulltarif und in sehr hoher Qualität ins Haus geholt werden, die dann über die Inhausnetze in Glasfaser verlustfrei auch in großen Wohnanlagen verteilt werden.

Zweigleisig fahren

Natürlich können Eigentümergemeinschaften auch weiterhin Mehrnutzerverträge mit Kabelnetzbetreibern abschließen und über das Hausgeld abrechnen. Aber in seiner Verbrauchereigenschaft kann auch jeder einzelne Eigentümer nach 24 Monaten aus dem Vertrag aussteigen. Laut § 20 Abs. 2 S. 1 WEG gilt die Anbindung einer einzelnen Wohnung im Haus an ein Glasfasernetz als sogenannte „privilegierte Maßnahme“, die von Miteigentümern geduldet, von dem „Kabelrebellen“ allerdings auch selbst bezahlt werden muss – oder von seinem neuen TK-Vertragspartner. Für jede vermietete Eigentumswohnung gilt dagegen die volle Regulierungsmacht des neuen TKG.

Fazit

Wie beim Klimaschutz geht es in ökonomischer Hinsicht auch beim Glasfaserausbau vor allem um den Werterhalt von Wohnungseigentumsanlagen. Glasfaser ist auf Gebäudeebene ein den Wert beeinflussendes Infrastrukturmerkmal. Und wenn sowieso energetisch modernisiert wird, lassen sich Glasfasern sehr kostengünstig gleich mitverlegen. Die Suche nach dem richtigen TK-Partner ist allerdings tricky, weil jeder Betreiber stets das eigene Produkt empfiehlt. Bei sogenannten „unabhängigen Beratern“ ist daher auf eventuell versteckte Provisionsverträge und Kickbacks zu achten. Sehr günstige oder gar gratis tätige Berater müssen sich von TK-Betreibern bezahlen lassen. Und das geht immer zulasten der Neutralität.

Neuhöfer, Manfred