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Der Referentenentwurf schafft eine dritte Option für Eigentümergemeinschaften.
Seit Ende Mai liegt ein Referentenentwurf zur gesetzlichen Verankerung der virtuellen Eigentümerversammlung vor. Das Bundesjustizministerium eröffnet Wohnungs-eigentümergemeinschaften damit neue Wege zur Beschlussfassung. Vor dem Hintergrund der steigenden gesetzgeberischen Anforderungen an Immobilieneigentümer, die schnellere Entscheidungen erfordern, aber auch wegen des Fachkräftemangels bei Immobilienverwaltungen wie Dienstleistern ist dies ein notwendiger und richtiger Schritt, zumal für eine immer digitalere Gesellschaft.
Unkompliziert, günstig und von zu Hause aus – so sollen Wohnungseigentümer künftig Beschlüsse fassen können, etwa zu sogenannten Steckersolargeräten, die wohl als privilegierte Maßnahme ins Wohnungseigentumsrecht aufgenommen werden sollen. Darüber hinaus kommen auf Wohnungseigentümer in den nächsten Jahren viele weitere große Entscheidungen zu. Einige neue Gesetze und Verordnungen auf europäischer und nationaler Ebene zur Klimaneutralität im Gebäudesektor werden Immobilienverwaltungen und Wohnungseigentümer fordern. Vom Heizungstausch über die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach bis zur notwendigen Fassadendämmung oder der Digitalisierung im Wohngebäude – Verwaltung und Eigentümer werden sich öfter und kurzfristiger austauschen und Beschlüsse fassen müssen. Da Handwerksbetriebe in Zeiten unkalkulierbarer Materialpreise die Geltungsdauer ihrer Angebote kurz befristen, wird auch hier der Druck steigen, Entscheidungen schnell treffen zu müssen. Mit dem nunmehr vorgelegten Referentenentwurf zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümer-versammlungen schafft der Gesetzgeber eine weitere Möglichkeit für Beschlussfassungen in Eigentümergemeinschaften.
Die Rechte aller Eigentümer bleiben – anders als von Kritikern der virtuellen Eigentümerversammlung dar g estellt – gewahrt. In welcher Form ihre Versammlung stattfindet, entscheiden ausschließlich die Eigentümer. Ein Eingriff in das Stimmrecht liegt nicht vor. So heißt es in § 23 Abs. 2a des Entwurfs zum Wohnungseigentumsge-setz (WEG-E): „Die Wohnungseigentümer können mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungs-eigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigen-tümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein.“
Wie bisher auch können Eigentümer, die nicht an der Versammlung teilnehmen, von ihrem Vollmachtsrecht Gebrauch machen. § 23 Abs. 2a WEG-E schafft auch entgegen der Behauptung einzelner Kritiker keinen Zwang zur Durchführung virtueller Eigentümerversammlungen. Stattdessen werden die drei Versammlungsformate – Präsenz, hybrid, virtuell – vollständig der Beschlusskompetenz unterstellt. Dadurch werden die Optionen, die sich für die Willensbildung in der Versammlung ergeben, erweitert. Schaut man auf die Argumente der Kritiker, drängt sich also der Eindruck auf, dass man sich eher vor der Verschiebung der Stimmanteile in den Gemeinschaften fürchtet. Wenn plötzlich mehr und andere Eigentümer an den Versammlungen teilnehmen, wird vielleicht anders entschieden. Auch das Argument, ältere Eigentümer würden benachteiligt, ist nicht haltbar. Seit der Corona-Pandemie haben sich die meisten älteren Menschen mit digitalen Kommunikationsmitteln vertraut gemacht und sie haben darüber hinaus die Möglichkeit, sich per Vollmacht vertreten zu lassen.
Die hybride Versammlungsform erwies sich in der Praxis der vergangenen zwei Jahre als schwierig. Es entstehen doppelte Kosten für die Anmietung von Räumlichkeiten und externer Übertragungstechnik – von den zusätzlichen personellen Ressourcen ganz abgesehen.
Die aktuellen Ergebnisse des VDIV-Branchenbarome-ters 2023 zu Hybrid- und reiner Online-Versammlung sprechen eine deutliche Sprache: Verwaltungen, die bereits Hybrid-Versammlungen durchführen, geben zu 70,2 Prozent an, dass sie reine Online-Versammlungen für zielführender erachten. 72,3 Prozent aller befragten Immobilienverwaltungen beurteilen die hybride Versammlungsform als zu aufwendig in der technischen und praktischen Umsetzung. 77,9 Prozent gaben des Weiteren an, dass sie zu zögerlich von den Eigentümern angenommen werde, und weit mehr als die Hälfte (55,4 Prozent) halten sie für zu kostenintensiv. In der Konsequenz führen auch nur 36,2 Prozent der befragten Immobilienverwaltungen überhaupt und nur in Einzelfällen Hybrid-Versammlungen durch. Das Argument der Kritiker rein virtueller Versammlungen, dass die Mehrheit der Eigentümer durch die hybride Form schon jetzt online teilnehmen könne, erweist sich in der Praxis also als nicht zutreffend und es verkennt, dass Eigentümer auch Sparfüchse sind. Und genau da ist für sie künftig mehr drin: Der Wegfall des Anfahrtsweges spart nicht nur die Kosten dafür, sondern minimiert auch den Zeitaufwand deutlich.
Geschäftsführer des VDIV Deutschland